Von Proleten und Propheten:
Warum essen Manager in Essen nicht aus Essen?
Watt Krupp in Essen is, bin ich in Trinken!
Ein Prolet gilt ’ne Menge in sein eigenet Revier. (Aus ein selbstgeformten Ruhrpottmund)
Monopoly Deutschland ist da! Seit ein paar Wochen! Völlig neu! Ohne das Ruhrgebiet! Essen und Dortmund haben es nicht aufs Spielbrett geschafft. Auch keine andere Revierstadt. Die „Poor Dogs“ Zeche Zollverein und Westfalenhalle müssen draußen bleiben. Deutschland ganz ohne Ruhrgebiet, ohne Schalke 04 und Borussia Dortmund. Dafür gibt es … Bielefeld mit der Sparrenburg! So haben sie angeblich entschieden: 500.000 Internet-Nutzer. Für Bielefeld statt für Dortmund oder Essen!? Für Bielefeld??? … Da ist doch was schiefgelaufen!?
A. Essen – „Kulturhauptstadt Europas“, aber „Hauptstadt des Ruhrgebiets“?
Wichtig ist diese Monopoly-Entscheidung für sich genommen nicht. Schließlich gibt es schon ein Städte-Monopoly von Essen, mit Essener Straßen und Plätzen. Damit kann der eingesessene und alt-abgehangene Essener ein wenig „abtränen“.
Aber die Entscheidung ist ein Zeichen! Für Neschle eines in einer Serie von Zeichen. Dafür, dass dem Ruhrgebiet oder Revier seit Jahren, ja Jahrzehnten weder von innen (!) noch von außen die Aufmerksamkeit zuteil wird, die der Zahl seiner Menschen und seiner wirtschaftlichen Bedeutung entspricht.
Und der kulturellen Bedeutung? Es gibt im Revier mehr Theater, mehr Kinos, mehr Kultureinrichtungen als in den Metropolen dieser Welt. Ohnehin hat die „Ruhrgebietsstadt“ mehr davon als jede deutsche Stadt einschließlich Berlins. Freilich kaum eine von so herausragender Bedeutung, dass die Welt aufhorchen oder aufsehen würde. Es scheint also zu passen, dass die Zeitschrift Men’s Health die blödesten Männer Deutschlands gerade in der Mitte des Reviers ausfindig macht (Aufschrei 6!)
Jetzt aber kommt die kulturelle Rettung nach Essen. Am 25. August 2007! Die ultra-ultimative, extra-epochale, galaktisch-geile Kult(ur)-Klamotte: die Loveparade! Doch schon droht das krass-kreischende „hautfreundliche“ Kultstück in Essen zur Laughparade zu verkommen: Streit mit dem Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR)! Es geht um Geld (Klar!) und Qualität im Nahverkehr (Haha!). Daher kommen nur wenige Paradisten, weil die Deutsche Bahn auf den Einsatz von Sonderzügen verzichtet.
So wird sich vielleicht später eine der Ausreden anhören! Denn irgendwie ist Techno out. Laughparade! Nur deshalb kam die Techno-Kiste ja nach Essen. Zur kulturellen Entsorgung! Riecht penetrant nach dem Letzten, den die Hunde beißen und klingt nach Miss Erfolg als Patin für die Loveparade. Die forsche Lady hatte sich schon auf der letzten Parade in Berlin als MissErfolg gezeigt! Und ziemlich freizügig. Jetzt holt man die Loveparade und die halbnackte MissErfolg nach Essen, damit sie allen zeigen können, wie wenig sie mittlerweile bieten.
Der Durchschnittsmensch im Revier trägt ja normalerweise etwas zwischen String und Burka, zwischen „so viel wie möglich nichts an“ und „mehr an geht nicht“. Also normal! Wer sich nackig machen will, die kann das heute und hierzulande trotzdem fast überall ohne anzuecken. Dazu braucht sie keine Loveparade. Die Natur selbst kennt keinen rechten Winkel. Wie sollte sie da auch anecken, außer mit dem Techno-Zeug selbst? In Schador oder Burka fällt sie mehr auf und eckt mehr an, als nackig gemacht. Donnert sie sich dazu ein fettes, orientalisches Parfüm auf, ist sie nicht nur Hingucker, sondern auch Hinriecher[1]. (Das wäre ein Tipp für das neue Leben der Paris Hilton „unlocked and after jail“: „Oh, Sie haben Ihr neues „After Jail“ angelegt? Sieht gar nicht so „unlocked“ aus und riecht sich nicht so an!“)
Also Laughparade? Das wird nichts! Der Trost folgt 2010: Essen wird „Kulturhauptstadt Europas“. Doch wie steht es da mit der Vermarktung? Das deutsche Fernsehen macht schon immer einen Bogen ums Revier! Ja, die deutsche Presse insgesamt! Über zehn Prozent der Menschen erfahren hier eine Aufmerksamkeit, die deutlich unter fünf Prozent liegt. Unterhaltungsshows, Boxkämpfe etc., alles außerhalb des Reviers. Der Landessender aus Nordrhein-Westfalen hat Köln öfter im Fokus als alle Revierstädte zusammen. Köln hat aber gerade mal ein Zehntel der Einwohner.
Dabei zeigt der Fußball – nicht gerade und gerade nicht in Essen – es den Kölnern und dass es auch anders geht. Aber Fußball wird nicht von Medienmanagern und -mogulen gemacht. –
Doch halt! Bei Monopoly Deutschland war es eine Internet-Befragung. Trotzdem ging die Wahl am Revier vorbei!
Offenbar gab es im Ruhrgebiet keine genügende Zahl von Leuten, die für die eigene Repräsentanz auf dem Spielbrett gestimmt hat, wohl aber in Bielefeld. Zu viel Kirchturmdenken in Ruhrgebietsstädten?
Während das Um- für Bielefeld gestimmt hat, gab es in Gelsenkirchen und Duisburg Stimmen für Aachen statt für Essen, für Münster statt für Dortmund. Bei so wenig Eigen- und Revierliebe kann der Ruhrpott gar nicht erwarten, von Fremden geliebt zu werden. Neschle hat dafür in Aufschrei 4 schon den Beweis angetreten mit der RAG, deren Salbadern vom „Ruhrpott“ und dem Widerspruch zu ihrem heuchelnden Handeln. „Mürai sözüne kanma!“ warnt der Reviertürke: „Bir münafık bir orduyu bozar!“
Das „Ruhrgebiet“ ist zwar ein Begriff, politisch aber hoffnungslos zerfasert. Ohne Zentralörtlichkeit bleibt es der Begriff einer Wirtschaftsregion. Und politisch war das Ruhrgebiet nie eine Einheit. Regiert wird es von Regierungspräsidenten, die in Düsseldorf, Münster und (sogar in) Arnsberg sitzen. Der einheitsfördernde eigene Regierungsbezirk wurde abgeschmettert, zuletzt als zu „grüne Idee“. Und obwohl in Nordrhein-Westfalen (immer noch) die meisten Menschen im Ruhrgebiet wohnen, sitzt die Landesregierung dort, wo auch die „wirtschaftliche Regierungsgewalt“ über das Ruhrgebiet ausgeübt wird: in Düsseldorf. Das Revier zahlt seine Zeche selbst!
Apropos Zeche! Haben Kirchen als Mittelpunkt von Siedlungen in der Vergangenheit die größte Bedeutung gehabt, waren es mit der industriellen Entwicklung im Ruhrgebiet die Zechen. Um die Zechen entstanden die Zechensiedlungen. Städte, das sind im zentralen Ruhrgebiet Anhäufungen von Zechensiedlungen! Diese Städte rücken so nahe zusammen, dass Teile von Wohnungen in verschiedenen Städten, ja sogar Regierungsbezirken liegen.
Da kommt es vor, dass man von der Küche ins Wohnzimmer von Gelsenkirchen-Ückendorf (Regierungsbezirk Münster) nach Bochum-Wattenscheid (Regierungsbezirk Arnsberg) geht. Wo ist man da gemeldet? Wo geht das Kind da zur Schule? Ein Städtebrei, aber verschiedene Regierungsbezirke? Dafür kann es nur eine Begründung geben: Das Ruhrgebiet nicht als konzentrierte Macht in NRW auftreten zu lassen! Das schwächt aber das Revier nach innen, im deutschen und europäischen Zusammenhang. Es ist wie bei Unternehmensfusionen: Was in NRW eine „marktbeherrschende Stellung ist, ist es nicht unbedingt deutschland- oder europaweit.
Und wo ist die Hauptstadt des Ruhrgebiets? In der Mitte liegt Gelsenkirchen. Aber die Hauptstadt? Dafür kommt nur eine Stadt in Frage, die weiter an den Rändern liegt. Schon wegen ihrer Größe. Im Osten Dortmund im Westen Duisburg oder Essen, das mit seinen vielen Dax-Unternehmen als die „heimliche Hauptstadt“ des Reviers bezeichnet wird. Doch was ist das für eine „heimliche Hauptstadt“, die viele Unternehmen von Düsseldorf aus verwalten ließ und lässt und/oder von Leuten, die sich nicht mit dem Ruhrpott identifizieren? Welchen Respekt, welche Reputation soll sich diese „Haupt-Stadt“ da erwerben bei den Glieder-Städten des Reviers?
B. Der Prophet gilt nichts im Revier, der Prolet ’ne Menge!
Ein gerade selbstgestricktes ruhrdeutsches Steiger-Sprichwort behauptet: „Der Prolet gilt ’ne Menge in sein eigenet Revier!“ Das ist positiv gesagt. Deshalb hat dieses Sprichwort sein negatives Vorbild abgelöst. – Nun mecker’ nicht, lieber Leser! Was heißt hier, ein Sprichwort kann man (sich) nicht selber machen? Täglich werden neue chinesische Sprichwörter erfunden, auf die sich die amerikanischen Manager berufen, um Power in lasche Points zu kriegen. Womit ginge das besser als mit dem eigengefertigten Sprichwort, wenn es auf chinesisch weit wege (sprich: „wecke“!) Weise weise ist (Velzeihe das Splaach-Chinesisch, abel es bot sich lein stilistisch an.) –
Früher sagte man: „Der Prophet gilt nichts im eigenen Lande!“. Das stimmt zwar, aber es hört sich nach Jammern an! Und Jammern ist passe, selbst in Ost-Deutschland. Doch warum gelten die eigenen Propheten nichts im Revier, wo doch selbst Proleten dort etwas gelten? Die Erklärung ist einfach:
Die meisten Propheten sind zu fein, zu (ein-)gebildet. Die Faust auf dem Tisch kennen sie nur mit dem Bleistift in der Hand. Sie melden sich nicht, auch wenn es schmerzt und sie sind enorm leidensfähig, besonders wenn diese Propheten zugleich Professoren sind. Verwandelten sich diese Propheten in Proleten, gälten sie etwas im Revier und führten vielleicht bald eine Revolution an. Das ist der Weg, den Neschle geht! Und siehe, jetzt wird er gelesen! Später vielleicht ge- oder erhört.
Neschle schmerzt es schon Jahre, dass die akademischen Propheten des Ruhrgebiets im Revier selbst fast keine Bedeutung und ihre großen Auftritte woanders haben. Bei Herbert Knebel und Doktor Stratmann ist das nicht so! Weil sie beide „den Proleten geben“! Die Proleten gelten hier etwas, woanders fast nichts. Das untermauert die Weisheit von Neschles sprichwörtlicher Erkenntnis.
Neschle beobachtet seit Jahren ein dazu passendes hochschulpolitisches Verhalten hiesiger Unternehmen. Das nennt er ganz ungern und völlig inkorrekt „Hochschulnetzwerk Ruhrgebiet“. Für das, was die Hochschulbeziehungen der Ruhrgebietsunternehmen besser kennzeichnet, hat man einst den deutschen Sprachschatz um den zugkräftigen Begriff „Seilschaft“ bereichert. Die geht allerdings so:
Die meisten Führungskräfte im Ruhrgebiet haben noch immer nicht an den dortigen Universitäten (Bochum, Dortmund, Duisburg, Essen) studiert[2]. Schlimmer noch: Sie werden es auch künftig nie getan haben! Es sind Manager in Essen, aber nicht aus Essen, viel zu wenige selbst für Essen. (Der Titel spricht bewusst nicht von „Managern aus Essen“, die nicht in Essen essen, sondern von „Managern in Essen“, die nicht aus Essen essen.)
Wie kommt das? Nehmen wir an, ein Manager im Revier hat in Köln oder St. Gallen studiert und macht im Ruhrgebiet Karriere. Sitzt er dann dort, erfasst ihn das akademische Heimweh. Er fühlt sich fremd über (eben nicht „unter“!) all den Proleten. Nostalgisch verscheuklappt denkt er an seine Alma Mater in Colonia oder St. Gallen. Und er fragt natürlich nur dort an, wenn er wissenschaftlichen Rat, akademische Baupinselei oder Manager-Nachwuchs braucht. Die Ruhrgebiets-Universitäten liegen für ihn weit weg und vermeintlich auch unter seinem Niveau.
Der Manager weiß, wie außerordentlich gut er selbst ist, wie aus- und eingebildet er an seiner Alma Mater wurde. Da müsste, lachs (Nicht „lax“! Es geht ja zu den Ursprüngen!) gesprochen, auch der Nachwuchs dort gut sein, von dort wo er seine Ursprünge hatte. Freilich nie so gut wie sie selbst! Doch das ist der Lauf der Zeit! Denn früher war alles besser!
Damit dieser Nachwuchs aus Köln oder St. Gallen noch besser werden kann, lässt unser Manager im Revier Geld dorthin fließen: für wissenschaftliche Beratung, Gutachten oder zur Förderung neuer Lehrstühle. Natürlich auch nach Aachen, Mannheim, München, Münster oder Zürich. Doch nach Bochum, Essen, Duisburg, Dortmund? Rinnsale im Vergleich dazu!
In der Stadt Essen findet derzeit sogar akademische Ausbildung unter der Schirmherrschaft der Hochschulen aus Aachen und Münster statt. Neben der dortigen Universität! Die Universität Essen erhielt dazu ein Angebot, das sie ohne Verlust der Selbstachtung gar nicht annehmen konnte. Man stelle sich das in einer anderen Universitätsstadt Deutschlands vor! Und ein zweites Projekt dieser Art in Essen wäre auch beinahe ohne die Universität Essen gestartet worden. Aber dort ist die Universität Essen dann verspätet, aber federführend beteiligt worden.
Aber Essen ist ja (noch immer) keine „Universitätsstadt“! Warum? Weil es die Essener Unternehmen nicht wirklich wollen!!! Und wenn sie es wirklich wollen, dann handeln sie nicht so, als ob sie es wirklich wollten!!!
C. Wenn Essener Unternehmen stiften gehen!
Neschle geht (bei) jede(r) Wette ein: Von den zehn größten Essener Unternehmen gehen mehr Mittel an Hochschulen außerhalb der Region Ruhrgebiet als an Hochschulen in der Region. Erst recht mehr als nach Essen selbst. Essener Unternehmen haben die Universitäten im Revier und IHRE Universität noch gar nicht entdeckt. Das ist in Duisburg oder Dortmund kaum anders und nur in Bochum ein wenig besser.
Der Metro-Gründer Otto Beisheim stammt aus Voßnacken, heute Essen-Kupferdreh (dem Ort mit den drei Tiernamen: Kuh, Pferd, Reh), hat aber in Koblenz (Vallendar) seine universitären Spuren hinterlassen. Die Krupp-Stiftung hat ihren Sitz in Essen. Da erhielt die Universität in Essen ihren Teil, zum Teil. Doch von hier wandern die meisten Mittel an Universitäten außerhalb des Reviers, etwa nach Greifswald, wo der Vorsitzende der Stiftung persönliche Wurzeln hat. Eine Essener oder Ruhrgebietsinitiative lässt sich da faktisch nicht erkennen!
Otto Beisheim kommt aus Essen, stiftet aber nicht dorthin, Berthold Beitz machte sein Abitur in Greifswald und stiftet aus Essen mächtig dorthin[3]: In beiden Fällen bleibt Essen selbst (un)ziemlich(?) draußen!
Wie ist das in anderen Regionen? Alle Großbanken fördern trotz Filialen in ganz Deutschland fast allein die Frankfurter Universität. Keine Chance für Duisburg oder Essen, ihre Forschungsinstitute und ihre Hochschule(n)! Obwohl Hamburger oder Bremer Unternehmen kaum eine Chance haben, ihre Hochschulförderung im eigenen Lande zu halten, konzentrieren sich ihre Fördermittel dort. Sie haben damit besonders in Bremen sichtbare Spuren hinterlassen! Und in Essen? Neschle wird in ganz Deutschland immer wieder von der Essener Spendenfreudigkeit überrascht, nur ganz selten aber in Essen selbst.
Das wäre kaum problematisch, würden nun im Gegenzug Mittel aus dem Umfeld an die Universitäten im Ruhrgebiet fließen. Doch das Ruhrgebiet wird nicht nur von innen, sondern auch von außen übersehen und übergangen.
Seit Jahren gehen dagegen Unternehmensmittel aus dem Revier hinaus, neuerdings stark an private Hochschulen. Nun aber mit einer „versteckten“ Begründung: Dahin haben die Führungskräfte ihre eigenen Kinder geschickt oder die der Kollegen. Und „Zugehörigkeit“ zählt heute (wieder, bei der Adelsherrschaft war das schon mal so! Dazu gibt es bald einen Neschle!) mehr als „Leistung“. Denn „Zugehörigkeit“ ist die echte Eintrittskarte ins Netzwerk! Haben es die Kinder dieser Führungskräfte geschafft, sich an den bereithängenden Seilen hochzuhangeln, geht die obige Geschichte weiter: mit noch mehr „Commitment“ zur „Seilschafterei“. Und mit Engagement der Ruhrgebietsunternehmen für die Hochschulen außerhalb des Reviers!
Die Grundlage für dieses Engagement ist das „Wir-Gefühl“ oder bei Bayern das „Mir-san-mir-Gefühl“ der Hochschulen, das in der Jetztzeit „Corporate Identity“ heißt. Dieses „Wir-Gefühl“ ist bei privaten Hochschulen ausgeprägt und fördert deren Alumni-Seilschaften. Es sorgt für die Seilschaftmanie(r), vor allem die eigene Alma Mater zu fördern, wenn und weil das „Re-Wir-Gefühl“, also das „Wir-Gefühl“ im und zum Revier, geringer ausgeprägt ist. Sonst müsste Manager im Ruhrgebiet nämlich stärker auf die örtlichen Universitäten setzen! Die öffentlichen Universitäten im Revier haben freilich dem „Wir-Gefühl“ meist nur ein „Wirr-Gefühl“ entgegenzusetzen. Äußeres Zeichen dafür ist die verdreckte Uni, in der keine freie Fläche unverklebt bleibt.
Dennoch hätte das Setzen auf die Universitäten im Revier längst Vorteile für die hiesigen Unternehmen (gebracht), von der Rekrutierung von Nachwuchs bis zum Bildungsklima im Ruhrpott. Das Revier hätte sich damit auch für Führungskräfte aus anderen Regionen attraktiver machen können, die man es nun mit viel Schmerzensgeld einkaufen muss und die meist schnell wieder Fersengeld geben. Vielleicht hätte man sich dann auch die Schlagzeilen über die konzentrierte Verortung der blödesten Männer Deutschlands in der Mitte des Ruhrpotts erspart (Aufschrei 6)!
Ergebnis: Die Unternehmen im Revier werden ihrer „regionalen Verantwortung“ seit langem hochschulpolitisch nicht gerecht. Dadurch schaden sie sich und dem Revier insgesamt (siehe auch Aufschrei 4).
D. Da ist noch die Geschichte und noch die Geschichte!
In seiner Zeit als Privatdozent (so etwas wie ein Professorenbachelor oder -leutnant) hat Neschles Alter Ego ein einsemestriges „Gastspiel“ an der „Universität zu Köln“ verbracht. Dort hat er einen traditionsreichen Lehrstuhl vertreten. Während dieses Semesters erhielt er mehr aktive(!) Kooperationsangebote von Ruhrgebietsunternehmen als in 15 Jahren als Professor an zwei Universitäten im Ruhrgebiet ohne „von“ oder „zu“! Wohlgemerkt: In Köln hatten Unternehmen aus Essen, Duisburg und Dortmund bei ihm aktiv um Kooperation nachgesucht! Bei einem Privatdozenten mit der Verweildauer eines Eintagskükens!
Metaphorisch kann für die Lage der Universitäten im Revier die Universität Duisburg herhalten. Von 1655 bis 1818 gab es dort schon einmal eine Universität, die dritte preußische nach Frankfurt/Oder 1506 und Königsberg 1544, und Vorbild für die vierte Gründung in Halle/Saale 1694, die wiederum Vorbild für Göttingen war. Diese alte Universität Duisburg, die im Ruhrgebiet kaum jemand kennt oder gar für möglich hält, hatte ihren Sitz mitten in der Stadt. Da wo heute die Universitätsstraße ohne Universität liegt und der Philosophenweg ins Hafengebiet abzweigt. Die neue Universität liegt draußen in Neu-Dorf. Neschles Alter Ego war nur erschüttert, wie weit draußen sie da für die Duisburger Wirtschaft und die IHK lag und vielleicht noch liegt.
Und Essen? Essen ist zwar eine der großen Wirtschaftsmetropolen Deutschlands, aber durch den globalen Wettbewerb schon seit längerem im Belagerungszustand. Für diese Fälle hatte jede Burg im Mittelalter einen Brunnen, ohne dessen Quellwasser sie keine längere Belagerungszeit durchhielt. – Doch woher kommt das Quellwasser für Essener Unternehmen bei Wissensdurst während der globalen Belagerung? Was Wasser für die Burg war, ist doch heute Know-how für die Unternehmen!
Essener Unternehmen haben den Quell des Wissens auf ihrem Gebiet bislang kaum gepflegt, ja vertrocknen lassen. Sagen wir es so: Es war ihnen ziemlich egal, im welchem Zustand sich dieser Quell befand. Man besorgte sich die Durstlöscher kurzfristig und zu hohen Preisen auch unter Einschaltung teurer Headhunter (was sich bei entsprechender Zusammenarbeit mit den Hochschulen weitgehend erübrigen würde!) aus anderen Vogteien, statt in die eigene Brunnenanlage zu investieren. Dort man hätte man warten müssen, ob die Bohrungen den erhofften Erfolg hatten und hätte (ein wenig mehr) investieren müssen. Mittlerweile hätte sich der Betrieb des „eigenen Brunnens“ zwar längst gelohnt, aber niemand hat so richtig damit angefangen. Es gab ja draußen genug Wasser, wenn auch teurer und in Pfandflaschen, die häufig zügig wieder an den Quellort zurückgingen. –
Es mehren sich aber Zeichen, dass es im Revier ein Umdenken geben könnte. Ein Umdenken, wie es Neschles Alter Ego vor 25 Jahren von und vor der IHK-Duisburg forderte. Der zog den Ruf an eine Ruhrgebiets-Universität drei Rufen von außerhalb des Reviers vor. Er dachte damals: „Universitäten im Ruhrgebiet!“ Die müsste man gut machen können! All die Unternehmen drum herum müssten ein starkes Interesse daran haben. Wir leben doch im Informationszeitalter und informierter Nachwuchs wird benötigt! Warum also Nachwuchs aus Bayern herankarren, dem das Leben im Pott nur mit Aufgeld erträglich ist und der sich meist schnell zurückflüchtet ins heimatliche Land der hohen Berge und niedrigen Horizonte (Aufschrei 3, Depeschle 8).
Durch eine konstruktive Hochschulpolitik hätten die Unternehmen das „Hochschulproblem im Revier“ seit Jahren vermeiden können. Diese Politik hätte sich längst gerechnet. Aber es gibt sie nur in Fragmenten. Einer der Gründe könnte sein: Die Früchte im Management werden meist erst von dem geerntet, der Nachfolger des Initiators ist. Die Verweilzeit eines Managers auf einer Po-Sition ist derweil kaum mehr tausend Tage. In den ersten fünfhundert Tagen brennt es in der Firma, in den letzten lohnt es sich nicht mehr, die Frage der Hochschulpolitik aktiv anzugehen, falls man einer der wenigen ist, der sie überhaupt stellt und sich ihr. Selbst wenn die eigene Unternehmung Vorteile hätte: Die Fürchte erntet der Nachfolger!
Aber was sind das für „Macher“ an der Spitze der Ruhrgebiets-Unternehmen, die es nicht fertig bringen, vor Ort auch die passende Hochschullandschaft mitzugestalten? Denen es nie gelungen ist, die Exzellenz der eigenen Hochschulen zu fördern, während das etwa in München selbstverständlich ist. Offensichtlich denkt und handelt das „Personalwesen“ der Essener Unternehmen nicht strategisch und nicht ökonomisch. Jedenfalls nicht genug!
Freilich ist bei dieser Gestaltung besondere Sensitivität gefragt! Doch wenn Essener Unternehmen diese Sensitivität in St. Gallen, Aachen oder Köln zeigen, warum dann nicht auch in Duisburg, Essen oder Dortmund?
Zweifel sind jedoch leider angebracht. Auch beim Umgang der IHKen des Ruhrgebiets mit „ihren“ Universitäten. Denn was Neschle als Alter Ego erlebt hat, geht so:
Die IHK einer Revierstadt wollte Professoren der örtlichen Universität als Ausbilder bei einem Projekt engagieren, für kleines Geld bei einem von „qualifizierten“ Mitarbeitern der IHK selbstgestrickten Lehrplan. Natürlich war angekündigt, man wolle das Projekt gemeinsam entwickeln. Aber es war sinnigerweise bei der IHK schon fertig. Daran konnte man leider nichts mehr machen und darum sollten sich die Professoren nach diesem Konzept richten und danach unterrichten! Wollten die aber nicht!?
Sollen sich nicht so anstellen diese Profs! Das ist doch wie bei Leistungsvereinbarungen: Die hat die Unternehmensleitung auch schon fertig, ehe sie „gemeinsam“ entwickelt werden.
Eine Kleinigkeit kam hinzu. Der IHK-Geschäftsführer hatte der versammelten Wirtschaft erklärt, warum man das Weiterbildungsprojekt benötige: „Weil diese Dinge an der Uni nicht gelehrt werden“ (Tempus!)
Deshalb hatte man die Professoren engagiert?! Vieles lernt man ja erst, wenn man es lehrt! Aber gerade im laufenden Semester war der Uni-Lehrplan übervoll von diesem Thema (Umweltwirtschaft). Wie das Geduldsmaß der Professoren. Sie lehnten einhellig eine solche „Zusammenarbeit“ mit der IHK ab. – Doch es geht schlimmer:
Da war nämlich noch ein Unternehmer. Der wollte einen ganzen Studiengang finanzieren, wenn die Universität sich verpflichtete, direkt auf seinen aktuellen Bedarf hin auszubilden. Dazu wollte er sogar die Wirtschaft der Stadt aktivieren, um genügend Geld zusammenzubekommen. Als sich das Vorgespräch dem Ende näherte wurde klar, dass dieses Geld nur ein „Darlehensanschub“ sein sollte. Später sollte sich die Ausbildung durch Studiengebühren selbst tragen. Dann wollte der Unternehmer sein Darlehen zurück und damit zugleich direkt auf seinen spezifischen Bedarf hin ausgebildete Leute. „Do ut des!“ übersetzte sich hier mit „Nimm, was Du kriegen kannst!“. Freiheitdenken der Wissenschaft wurde so verstanden, dass man Wissenschaft frei verheizen kann. Freiheizdenken eben!
Neschle weiß allerdings – aus gut unterrichteten Kreisen (Er meint hier nicht die Studenten seines Alter Ego!) –, dass im Revier derzeit ein Projekt entsteht, das Vorbild für ein Umdenken bei der Zusammenarbeit von Unternehmen und Universitäten im Revier sein könnte. Darauf freut er sich und auf ein wenig mehr Sensitivität bei allen Beteiligten. Dafür gibt es erstmals einen Hoffnungsschimmer nach all den Jahren der Vernachlässigung der Revier-Universitäten durch die Revier-Unternehmungen!
Der Manager im Ruhrgebiet
die Unis hier gern übersieht.
Und statt zu fördern diese Quelle
für Nachwuchs und die freie Stelle,
sucht er Nachwuchs mit mehr Geld
im Irgendwo auf dieser Welt.
Man kann die Firmen gar nicht zwingen,
das Ruhrgebiet nach vorn zu bringen,
wo sie ihr Geld in all den Jahren
nach Köln und Sankt Gall’n gefahren.
Würd’ man den Neschle dazu fragen,
der meint, hier sollt’ mal Einsicht nagen!
Den eigenen Nachwuchs hier zu heben,
war bislang freilich kaum das Streben
des Managements an Ruhr und Rhein.
Doch Neschle meint, es sollt’ mal sein!
So kann das Ruhrgebiet beweisen,
dass es viel mehr hat als nur Eisen!
Zweites Gedicht: Wie könnte man die Universitäten auch nur fair behandeln?)
Dem Prof ist der Student bekannter
als jedem emsigen Headhunter.
So wird mit Professorenrat
das Geld für Headhunter gespaat (dialektisch).
Wie wär’s, wenn das gesparte Geld,
dann auch die Uni mal erhält.
Schon zig Genies hat er vermittelt,
nie wurd’ das Geld auch nur gedrittelt,
was man dem Headhunter müsst’ löhnen,
als wollte man den Prof verhöhnen.
Denn dieser tut, was sehr gefällt*,
es ganz umsonst und ohne Geld.
*Das „gefällt“ gefällt Neschle nicht! Da müsste „missfällt“ hin! Denn das missfällt ihm seit langem! Würde Neschles Alter Ego nur die Hälfte von dem erhalten, was die Unternehmungen, denen er gezielt Studierende empfiehlt, für Annoncen oder Headhunter ausgeben müssten, käme er jährlich auf einen sechsstelligen Betrag. – Was aber erhält er dafür tatsächlich? Nichts! Nicht einmal für seinen Lehrstuhl! Es gilt als selbstverständlich, dass er sein spezifisches Wissen kostenlos abgibt, das sich jeder Headhunter teuer bezahlen lässt.
[1] Neschle hat es selbst erlebt: Ein Schador, damit kein Mann hingucken will und kann. Dazu ein Parfüm, gegen das „Nuttendiesel“ ein schwacher Furz ist. Da muss man hinriechen und dann sieht man auch hin. Neschle hat sich gefragt, ob dieser Umweg über den Geruchssinn die Verteidigungslinie einer Frau mit „Werbeverbot“ ist. (In Deutschland gilt ein „Werbeverbot“ ja ausgerechnet für die „freien Berufe“. Ist der Schador deshalb ein Zeichen für die „freie Frau“? Oder ist der „freie Beruf“ frei?)
[2] Bismarck wollte ja keine Unis im Ruhrpott und so entstanden sie dort neu und mit arger Verzögerung, in Duisburg allerdings „wieder“; denn die alte Universität Duisburg konnte selbst Bismarck nicht ungeschehen machen.
[3] Das ist wie in der Formel 1. Da halten die Italiener zu ihrer Automarke Ferrari und die Deutschen zu ihren Fahrern. Wenn die Ferrari fahren, gehen die deutschen Automarken Mercedes und BMW leer aus. So wie Essen im obigen Beispiel!
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