Au … Aufschrei 29

Cordoba. Und das Wunder bleibt!

Bei Angela: Oranje boven. Bei Yogis Buben: ein Deut Schland zu viel.

Nach dem Sieg gegen Polen hörte Neschle einen abgefüllten Schrumpfgermanen in Klagenfurt rufen: „Sch… sch …Schland! Schland! Su-su-suuper … Schland!“ Gestern in Wien war aus Sicht von Neschle ein Deut Schland zu viel im deutschen Spiel.

Dem Klang nach stellt man sich unter „Schland“ nämlich eine schwarz-weiß-graue zähe Masse vor, eine Art Klärschlamm. So zäh spielten die Deutschen auch bis auf einen, den sie ironischerweise „lahm“ nannten. Und was ein Deut ist, weiß doch jeder. Wer es nicht weiß, kann vermutlich keinen Deut deutsch. Es hätte also noch zäher sein können. So wie gegen Kroatien!

Was aber wäre passiert, hätte Österreich gewonnen? Etwas Schreckliches für ganz Österreich, für alle Ösis: Das Wunder von Cordoba hätte seine Bedeutung verloren. Jahrelange Aufbauarbeit umsonst. Oder sagen wir es positiv: Die deutschen Fußballer haben den Österreichern ihr einmaliges Wunder gelassen. Das fiel ihnen verdammt schwer. Denn verlieren hätten sie schon können, so gomezten sie herum („Gomezen“ für „aus dreißig Zentimetern das Tor nicht treffen“. Man spricht von „Gomeztizierung“, wenn ganze Mannschaften vor dem Tor grasen wie die Hausschafe und dann beim Einlochen versagen. Ähnliche Versager-Begriffe der Fußballsprache: „leverkusen“ oder neuerdings auch „schalkern“ für „immer nur Zweiter werden (können)“, in letzterem Fall auch „Meister der Herzen“).

Auf das Wunder von Cordoba 1978 hatte Österreich 47 Jahre gewartet. Extrapolieren wir das, gibt es ein neues Cordoba-Wunder erst in 17 Jahren. Aber dann ist gar kein internationales Turnier. Ein solches Turnier ist erst wieder 47 Jahre später, also 2072. Falls Österreich da überhaupt teilnimmt, gibt es freilich eine Chance: Wenn die Niederlande infolge der Klimaerwärmung überschwemmt und ihre Fußballer alle Österreicher sind. Doch dann wäre es ja kein Wunder mehr. –

In Deutschland hatte das Spiel gegen Kroatien derweil eine der größten Staatskrisen in der Geschichte hervorgerufen. Einschließlich Kanzlerin hatte sich deshalb das halbe Kabinett nach Wien zum Spiel gegen Österreich begeben, um den dortigen Mischfußball („Wiener Melange“ genannt; sprich looongßaaam: „Meehl-looonsch“) zu erleben und der Behebung der deutschen Staatskrise beizuwohnen.

Unter der Zusehern, wie die Zuschauer hier heißen, waren neben Richtlinien-Angela: Innenminister Schäuble wegen des Mittelfeldes; Verteidigungsminister Jung wegen Lahm und Co; Bauminister Tiefensee wegen Torbreite und –höhe für Gomez; Umweltminister Gabriel wegen des Natur-Rasens; Finanzminister Steinbrück, der hoffentlich den „geldwerten Vorteil“ für den Ösi-Kick versteuert hat, wegen der Sponsoren; Außenminister Steinmeier, obwohl es für die Deutschen, anders als gegen Polen oder Kroatien, zuseherisch noch am ehesten ein Heimspiel war, wo Außenminister gar keine Funktion haben. Über allen bestimmte Angela die Richtlinien: Sie trat auf „Oranje boven“ mit orangefarbenem Oberteil und zeigte damit, wo es balltechnisch langgehen soll.

Damit die Fußballer das begriffen, ließ die Kanzlerin den Yogi Löw noch in der ersten Halbzeit vom Schiedsrichter zu sich auf die Tribüne schicken, damit der verstand, was die Orange-Farben gepinselt hatten. Zum Dank erklärte ihr Yogi (war ein Bär) Löw (löwt durch die Wüste), was eine „Coaching Zone“ ist. Die musste er verlassen, weil er sie angeblich verlassen hatte. Klingt doof, aber das sind die Regeln.

Was hatten („die“) Österreicher vor dem Match nicht alles über das deutsche Team gesagt: Löw war „Abschusskandidat“, Lehmann „Fliegenfänger“, Ballack „Regisseur Flasche leer“, Metzelder und Mertesacker waren die „Emmentaler Verteidigung“. Nun, wo die Ösis gegen eine solche Gurkentruppe verloren haben, umso schlimmer für sie selbst. Zeigt man mit einem Finger auf andere, weisen eben drei Finger auf einen selbst.

Doch wie recht sie mit einer anderen Behauptung hatten: „Die Deutschen haben die Hosen voll“ oder in der „Verlaufsform“ Martin Harniks: „Ich kann mir vorstellen, dass sie sich schon jetzt vor Angst in die Hose scheißen“. Nur so lässt sich die Bodenhaftung von Gomez weniger als einen halben Meter vor dem österreichischen Tor erklären. Aber wie sagte Paul Breitner: „Wir hatten alle die Hosen voll, aber bei mir lief’s ganz flüssig.“

Damit wird dann auch Platz geschaffen für den Wunsch von Andreas Herzog: „Sie (die Deutschen) können sich die Weltrangliste in den Arsch schieben“. So spielt man augenscheinlich zwar schlechter, eben mit zähem Schland, aber immer noch gut genug, um die Ösis zu schlagen. Das ist das wirklich Peinliche für die Bergmännchen.

Und wie wurden die Ösis von den Piefkes geschlagen? Durch einen schlauen Trick. Die Piefkes schrieben auf ihren spritzigsten und schnellsten Mann in großen Lettern „LAHM“. Die Cordoba-gläubigen Ösis passten deshalb zu wenig auf ihn auf und dann konnten sie ihm nur noch in die Hacken treten. Deshalb gab es dann Freistoß.

Der Freistoß wurde glänzend ausgeführt und der Macho (so heißt der wirklich!) im Tor der Ösis hatte erst das Nachsehen und dann das Einsehen in die wunderlose österreichische Zukunft. Wie so häufig für „glänzende Freistöße“ verwendeten die Piefkes dazu Ballack oder wie man nach der Rechtschreibreform schreibt: „Ball-Lack“. Der glänzte zwar lange Zeit kaum, doch für den Freistoß polierte er frisch auf. Da hatte Angela die deutsche Staatskrise bewältigt und sich ganz doll gefreut. Und alle Minister fuhren froh nach Hause.

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