Brite kann sich mit Deutschen nicht abfinden. Er wird abgefunden.
Zu viele Deutsche, zu viele Handtücher! Doch wer rettet uns vor Briten oder Russen?
Weil ein Brite im Urlaub auf der griechischen Insel Kos zu viele Deutsche traf, musste ein Reiseveranstalter ihm 1.000 Euro erstatten. Wegen „verdorbener Ferien“! Alle Sportkurse und sogar die Fernsehprogramme seien deutsch gewesen und seine Tochter habe im „Kids Club“ (Moment! Das ist doch englisch!?) nichts verstanden. Da sieht man mal, wie es Rentnern ergeht, die hierzulande früher nur „Bahnhof“ verstanden und heute „Stehschön“ („Station“) hören (siehe Neschle-Depeschle 7). Oder die sich fragen, auf welches Örtchen sie gehen sollen, wenn von „Lokäschön“ („Location“) die Rede ist?! 1.000 Euro Rente pro Monat zusätzlich allein dafür?!
Briten kann man aber nicht zumuten, was Briten und ihre Nachäffer der ganzen Welt zumuten. Man kann von ihnen nicht verlangen, sich im Ausland einer anderen Sprache zu bedienen oder es zumindest mal versuchen. In deutschen Unternehmungen ist es schon fast selbstverständlich, ins Englische zu wechseln, wenn sich nur ein Angelsachse im Raum befindet. Da stottern die Deutschen herum, während sich die angelnden Sachsen amüsieren und die „Sprachnachteile“ der deutschen Radebrecher für „gute“ Verträge nutzen, die natürlich in Englisch abgefasst sind. Eine Sprache sprechen ist aber wie Skifahren: Man kann es zwar auch später erlernen, aber die Alpenkinder fahren einem zeitlebens weg, weil sie es gelernt haben.
Neschle hörte neulich von einer deutschen Hauptversammlung, bei der ein einziger Amerikaner von hunderten Deutschen forderte, auf der Versammlung englisch zu sprechen, damit er dieser Versammlung besser folgen könne. Sein Antrag wurde erstaunlicherweise sogar abgelehnt. Ob auch er nun 1.000 Euro fordern darf?
Nun sagte der klagende Brite, er sei kein Rassist (Sind Deutsche eine Rasse?) und wolle auch in kein Hotel, in dem es nur Engländer gibt. Das geht Neschle genau so: Schon beim Frühstück den Anblick von entblößten Männerwänsten mit krebsroten Verbrennungen zweiten Grades unter sommersprossigem Gesicht als hätte der weiß-rote Fettkloß in die Kacke geblasen? Das ist Neschle dann doch zuwider, zumal ihm der Anblick später mitten in der Stadt noch mehrfach begegnet, wobei die Hitze weiteren Tribut fordert: die Dose Bier in der Hand und Schweißnässe bis in die Fernfahrerritze, unter der sich ein Nässekeil auf der niedrig hängenden Hüfthose im Verlauf der Kimme abzeichnet.
Aber ein Hotel nur mit Deutschen? Oh Gott! Dieser Brite hat Recht. Neschles Landsleute machen sich nicht nur in der Ferne extrem breit und das extrem früh. Plätze reservieren durch Handtuchauflegen ist krank- und sagenhaft, aber unsäglich. Diese Un-Sitte zieht sich in jeder Form schon durch den deutschen Alltag. Ein Beispiel:
Centro Oberhausen, Fressmeile: Da geht einer erst einmal hin und blockiert einen Tisch. Die anderen bringen ihm ja etwas mit. Während sie für ihn bestellen, weist ihr vereinzelter Tischgenosse alle ab, gerade wenn die volle Tabletts haben: „Hier ist besetzt!“ Ein Drittel aller Vierer- oder Sechser-Tische wird so „reserviert“ durch eine einzelne Person, die weder isst noch trinkt. Und das lange, denn vor den Speisestätten gibt es lange Schlangen. Dadurch entsteht – wie beim Handtuchauflegen – das Gefühl der Überbelegung, obwohl die Tische fast, aber eben nur fast, unbesetzt sind. Wer da nicht reserviert, macht es beim nächsten Mal.
Dasselbe in den USA? Nein! Hier holen sich alle ihr Essen. Erst wenn sie es haben, findet sich ein Tisch, weil der zwischenzeitlich nicht zweckentfremdet und vereinzelt besetzt wird. Da sitzt einer nur dann und mit Essen und Getränken, wenn er schon als Single kam. Und siehe da: Es ist plötzlich Platz und niemand muss „reservieren“.
Aber wer erklärt das den Teutonen? Die Sache mit den Handtüchern ist sowieso hoffnungslos. Das Handtuch hilft den Deutschen, doppelt verortet zu sein und alles überfüllt aussehen zu lassen, während sie ihren Platz haben. Neschle hörte von einer deutschen Touristin, die schon um 6.00 Uhr mehrere Handtücher platziert hatte, zwischen denen sie viel später wechselte: an den Pool, den Strand oder in die Nähe der Bar, während sie lächelnd das Liegensuchen der anderen Gäste beobachtete.
Wie wäre es in einem Hotel nur mit Russen? Da gibt es selbst im heißen Sommer von Kos Pelze zu kaufen. Die weihnachtsbaumgeschmückten Russinnen entnehmen das Geld dafür bündelweise ihren Tussen-Handtaschen.
Richtig blühen die RussInnen aber erst auf beim Essen und Trinken. Ihr gefühlter Anteil ist da doppelt so hoch wie der tatsächliche, so dass man bei 50 Prozent glaubt, es sind nur noch die Russen da. (Vielleicht hatte der Brite bei den Deutschen dasselbe Gefühl und es waren gar nicht nur Deutsche. Die verdoppeln sich ja schon durch ihre Handtücher.)
Beim „russischen Büffet“ sieht es so aus: Die Russen räumen erst das gesamte Büffet tutto completto leer und stellen alle Sachen auf ihre Tische, so dass kein anderer mehr etwas davon haben kann. Neschle konnte erleben, wie eine einzige Schüssel mit Kirschen auf dem Buffet ihren Weg auf einen russischen Kindertisch fand. Mama hatte dafür gesorgt! Doch weil ihre Sprösslinge auf ihrem Tisch, der sich unter den Speisen bog, andere Sachen schöner fanden, nahmen sie nur ganz wenige Kirschen. Der Rest der Kirschen und überhaupt 80 Prozent aller Speisen, die zuvor vom Büffet genommen und auf den eigenen Tisch gestellt wurden, wanderten in den Hotelabfall und blieben dadurch den anderen Hotelgästen vorenthalten. –
Doch regt Euch nicht auf Ihr Deutschen! Die Russen machen beim Essen genau das, was Ihr bei den Liegen tut: Sie reservieren alles für sich, unabhängig davon, ob sie es später auch nutzen. Bei Nahrungsmitteln findet Ihr das Pfui. Aber sonst? –
Sich den eigenen Tisch vollzuladen, aber das Meiste davon in den Abfall gehen zu lassen, scheint Manie der prolligen Protzelite Russlands zu sein. Apropos volladen oder voll laden: Das tun die Russen am Abend dann mit Wodka aus Wassergläsern. Da wird es schon sehr lustig, nur nicht für alle anderen.
Es scheint, als seien nationale Sitten nur erträglich, wenn sich Nationen nicht auch noch im Ausland zusammenballen. Was die meisten Touristen im Urlaub dazu drängt, am Ballermann und anderswo, geradewegs die Nähe ihrer Landsleute zu suchen, die sie schon im Alltag um sich haben, ist für Neschle ein Geheimnis. Doch er gibt zu: Nur Engländer, nur Russen, nur Japaner, … : Das ist auch anstrengend. Ja sogar nur Italiener! Die reden laut und schnell und sie gebrauchen Besteck, Geschirr und Hände immer so kreativ, dass die Tische aussehen wie Schlachtfelder mit Krümelwüsten zwischendrin. Ein Saustall ist da aufgeräumter. Da hilft nur. Tischtuch an allen vier Enden packen und alles in den Müll.
Allein in der Mischung werden es schließlich so viele schlechte Sitten, dass man mit dem Reden darüber gar nicht zu Ende käme. Dann spricht man lieber mit den fremden Leuten statt über sie. Und so kann es ein richtig schöner Urlaub werden: einer von zuhause, aber keiner wie zuhause. Sonst bräuchte man ja keinen Urlaub!
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Für alle mitlesenden Handtuchreservierer der folgende Hinweis, das Reservieren von Liegen mit Handtüchern ist verboten und wird hart bestraft !!! http://www.spiegel.de/reise/aktuell/0,1518,499105,00.html
Leider weiß ich nicht ob das schon bis zur letzten Instanz (EuGh) geklärt ist oder ob es sich um Einzelfallentscheidungen der Amtsgerichte Mallorca, Ibiza und Sylt handelt.
Wir sind ja hier schließlich nicht im Urlaub 😉