Legal, illegal, scheißegal!
Die Moral umgehen oder mit ihr umgehen?
Nun ist der Bär los! Robin Hood bringt Licht in Schattenbuchhaltung!
Wieder sind Steuerdaten „auf dem Markt“. Nach zweimal Liechtenstein ist es nun die Schweiz und das Bankhaus Julius Bär als „Verlängerung der Cayman Islands“. Wer schnell war, hätte solche Daten am 3. Juni 2007 bei Neschle sehen können. Robin Hood alias Sheriff von Nottingham alias Rudolf Elmer[1] hatte sie im Neschle-Kommentar untergejubelt. Mit privaten Adressen und Hinterziehungssummen.
Es gibt also wieder etwas zu tun für die Steuerfahndung, vielleicht sogar die in der Schweiz. Denn Rudolf Elmer (Neschles Robin Hood) zufolge soll seine ehemalige Bank sogar die Schweizer Finanzbehörden betrogen haben, sagt der „Spiegel“.
Finanzminister Steinbrück feiert sich derweil selbst. Er bezeichnet den Kauf der gestohlenen Daten als „Geschäft seines Lebens“, als hätte er es für sich selbst und ganz persönlich gemacht[2]: „Gut vier Millionen Euro Investition und erwartete 300 Millionen Euro Ertrag. Sensationell!“ Und „Vorwürfe, das sei nicht legal gewesen, sind widerlegt. Das haben wir prüfen lassen!“ Gut so! Aber so vielleicht nicht gut!?
Es scheint in der Tat ein „sensationelles“ Geschäft. Doch Moment mal! War anfangs nicht von 2 Milliarden die Rede? Selbst wenn das nur die Bemessungsgrundlage war, fehlt da was! Sonst hätten wir einen Steuersatz von 15 Prozent, was fast wieder biblisch wäre. Wer hat hier Sand gestreut und warum? Und hat Herr Steinbrück bedacht, von den 300 Millionen neben den 20 Silberlingen à 210.000 Euro (Macht 4,2 Millionen Euro unversteuert!) noch folgende Beträge abzuziehen:
- Die direkten Kosten für die (Sonder-)Einsätze der Steuerfahnder, Staatsanwälte, Richter, Verwaltungsbeamten in X Städten und die späteren Prozesskosten, die zum Teil die Allgemeinheit zu tragen hat. Hinzu kommen Verluste aus Fällen, die deshalb aufgeschoben oder vernachlässigt sind.
- Die direkten Kosten und Ertragsausfälle bei Hinterziehern wegen des Besuchs der freundlichen Damen und Herren der Steuerfahndung, vor, während und nach dem Einsatz. Kaffee und Kuchen, mit dem sie bewirtet wurden, will Neschle gar nicht in Rechnung stellen. Manchmal entstehen aber Folgewirkungen durch Kontensperrungen, Reputationsverluste etc. Für die kommt der Fiskus selbst dann nicht auf, wenn seine Verdächtigungen falsch waren!Diese Beträge kürzen aber den Steuerertrag nicht direkt!? Richtig! Doch indirekt senken auch sie die Steuersumme. Und ein dem Gemeinwohl verpflichteter Finanzminister muss sogar die über den Steuerverlust hinausgehenden Kosten beim Betroffenen auf die Rechnung setzen: seinen Selbstbehalt. Dieser geht nämlich zu Lasten des Volkseinkommens.
- Die indirekten Kosten durch Leistungsverweigerung oder Wegzug aus Deutschland. Bei Wegzug fallen fast sämtliche Steuern bis zum Lebensende aus. Gerade(!) Hinterzieher führen, abgesehen von ihrer Hinterziehung, jährlich Millionen an den Fiskus ab. Das wird politisch nun gern übersehen!Zahlen diese Hinterzieher, ihre Kinder und Kindeskinder Steuern künftig außerhalb Deutschlands, reichen allein 18 Millionen Euro jährlicher Steuerverlust, um die 300 Millionen Einmal-„Erfolg“ von Herrn Steinbrück vollständig(!!!) zu kompensieren. Bei 6 % rechnungsüblichem Steuer-Zinssatz! Es müssen sich nun nur („achtzehn“) Millionensteuerzahler bundesweit(!) für einen Wegzug entscheiden und dem Staat bleibt nichts. Abgesehen natürlich von den Kosten unter 1. und 2, auf denen er immer noch hocken bleibt.Angesichts dessen sind 300 Millionen ein Fliegenschiss und keineswegs „sensationell“. Übrigens auch nicht im Verhältnis zum Bundeshaushalt. Die jährliche Unterstützung der Volksrepublik China zur Förderung ihrer wirtschaftlichen Entwicklung kann damit freilich einmalig gut bezahlt werden.
- Die Bundesregierung wird vermuten, diese Kosten würden durch Erträge „eventbedingt“ gestiegener Steuermoral (über-)kompensiert. Doch dazu gibt es keine Schätzung und diese Vermutung ist weniger begründet als die unter 3.
Solange ein unfaires Steuerrecht selbst faire Steuerzahler kriminalisiert, solange bei Staatsausgaben nicht dieselben moralischen Maßstäbe angelegt werden, wird die Einsicht der Steuerpflichtigen nie steigen, selbst wenn sie ihre Angst abhielte. Mutige werden dem unfairen Spiel des Staates daher weiter ihr eigenes entgegensetzen. Die Feigen, zu denen Neschle gehört, werden allenfalls einen öffentlichen Aufschrei machen.
Wie der Staat selbst agiert, sieht der kleine Mann schon bei der Kilometerpauschale. Leute mit komplexeren Steuerverhältnissen können seit Jahren folgende Praxis feststellen: Kaum hat ein Steuergericht zugunsten eines Steuerpflichtigen entschieden, kommt unser Parlament daher und ändert das Gesetz zu dessen Lasten. Ein großer Teil der Steuerrechtsänderungen erklärt sich nur daraus, dass der Staat hier im Grunde die Gewaltenteilung unterläuft und mit seinen Bürgern Katz und Maus spielt. Da darf er sich kaum wundern, wenn einige Bürger seinem „Vorbild“ folgen.
Was bleibt unterm Strich von Steinbrücks 300 Millionen? Neschle vermutet einen Gesamtschaden. Doch es fehlen ihm die Daten. Die müsste die Bundesregierung selbst recherchiert haben, wollte sie im Gemeinwohl handeln. Doch sie hat offenbar nicht einmal die richtigen Fragen gestellt. Steinbrück kifft sich persönlich an kurzfristigen Erfolgen hoch, ohne auf die nachhaltigen öffentlichen Wirkungen zu achten.
Moralisch gesehen ist das Ganze ein GAU, ein „Uber[3] GAU“ sogar, wenn man den ohnehin Größten Anzunehmenden Unfall über Super, Mega und Giga hinaus noch steigert. Dafür es ist völlig egal, ob Herr Steinbrück das nach eigenen Aussagen auf Legalität hat prüfen lassen oder nicht. Denn:
- Die Prüfung auf „Legalität“ obliegt in Deutschland den Gerichten und nicht dem Finanzminister oder seinen Verwaltungsbeamten. Der scheint das, wie sein Parteikollege Beck (Aufschrei 23), verdrängt zu haben.
- Irrten sich deutsche Politiker hier nie, verlören sie auch vor Gerichten niemals. Tun sie aber! Neulich, Herr Steinbrück, haben Sie doch bei der Kilometerpauschale verloren! Da war doch auch alles geprüft? Oder?
- „Legal“ und „moralisch akzeptabel“ sind zwei Paar Stiefel. Ein Staat, der vor dem Hintergrund dieses Handelns (Steuer-)Moral einfordert, verlangt von seinen Bürgern, was er selbst nicht einbringt. Denn:
- Die Bundesrepublik Deutschland hätte diese Hinterziehung im Vorfeld durch eigene Gesetze weitgehend verhindern können.
- Sie hätte längst den internationalen Rechts- und Verhandlungsweg einschlagen können, statt ihr vermeintliches internationales Recht in die eigenen Hände zu nehmen. Das ist Selbstjustiz auf internationaler Ebene.
- Sie hat Beihilfe zu mehreren Straftaten geleistet, pikanterweise sogar zur Steuerhinterziehung, mindestens aber zur Steuerverkürzung. Natürlich ist der Veräußerungserlös für die Diskette zu versteuern, auch wenn die Bundesrepublik selbst zahlte. Sonst müssten alle öffentlichen Aufträge steuerfrei sein und Beamte ein steuerfreies Einkommen erhalten.
- Sie hätte ihre – im Grundsatz berechtigten Aktionen – unter Wahrung des Steuergeheimnisses und der Menschenwürde durchführen können: Artikel 1 GG sagt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Die öffentliche Vorführung von Herrn Zumwinkel tangiert seine Würde, auch wenn der ansonsten öffentliche Vorführungen zu mögen scheint. Offenbar ist: „Ein Steuerhinterzieher ist kein Mensch im Sinne dieser Verfassung“.
Noch einmal: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Wie lässt sich diese Verpflichtung damit vereinbaren, dass in Nordrhein-Westfalen das Finanzamt neuerdings bei ausbleibenden Steuerzahlungen Parkkrallen am Auto befestigt und es nach drei Tagen zwangveräußert? Man muss da nicht einmal an Fehler der Steuerbehörden[4] denken! Das ist der öffentliche Pranger. Nun schon für säumige Steuerzahler!
Sieht denn niemand, dass dieser Weg in den Abgrund führt? Das ist Staatsmoral despotischer Un-Güte: Legal, illegal, scheißegal. Hauptsache – wie sagte der Finanzminister? – das „Geschäft des Lebens“ gemacht.
Natürlich ist das Verhalten der Steuerhinterzieher kriminell!!! Doch kopiert der Staat das Fehlverhalten seiner Bürger, hätten wir in anderen Fällen noch die Todesstrafe. Die Dänen haben verstanden, aber wir lernen nicht von Dänen. Nicht von denen, den Dänen! – Doch besser wäre es!
[1] Da der Name auf Betreiben von Rudolf Elmer selbst öffentlich wurde, sieht Neschle keinen Grund, seine Kenntnis darüber zu vertuschen. Beim letzten Depeschle 15 war ihm der Name schon bekannt. Da nannte Neschle ihn noch „Remle“! Wie sinnig!
[2] Dieses Gefühl „persönlichen Reibachs“ ist völlig unangemessen in einer solchen res publica!
[3] In England und den Niederlanden übliche Steigerung von Mega und Giga, abgeleitet vom deutschen „über“.
[4] Der Pianist Paul Kuhn verklagt gerade die Bundesrepublik Deutschland, weil er sich vom Finanzamt Bergisch-Gladbach betrogen fühlt. Er will einen Prozess neu aufrollen, in dem er 1994 wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde. Neschle weiß nicht, ob Kuhn unschuldig ist. Er weiß aber, dass gerade Unschuldige so etwas nie vergessen. Niemals!
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Also ich hoffe, das sich der unter Punkt 3 (indirekte Kosten) formulierte Gedanke nicht tief in die deutsche Rechtspraxis verankert. Jede Veruerteilung eines jeden Verbrechens hat solche indirekten (Volkswirtschaftlichen) Kosten, zudem sind sie noch bei jedem Unterschiedlich. Ist der Wegzug eine Spitzenmangers bei der Urteilsfindung zu verhindern wenn er wegen Fahrerflucht vor dem Kadi steht und der eine arbeitslosen Postboten durch eine harte Strafandrohung zu unterstützen? Wie lässt sich das mit der Gleichehit vor dem gesetz vereinbaren?
Bei allen Denkspielen sollte man nicht vergessen, dass die die Liechtensteiner Steuersünder Täter sind !!! Ob Sie auch Opfer sind wird die Rechtsprechung zeigen und ob der Finanzminister Zellennachbar werden soll sollen diese auch entscheiden.
Was mir bei dieser ganzen Angelegenheit die Nackenhaare aufsträubt ist die Betrachtung des Gesamtzusammenhanges.
Da ist auf der einen Seite mit äußerst bedenklichen Mitteln und in einem vermutlich rechtlich unsauberern Verfahren etwas erkauft worden, dessen Netto-Wert sich ggf. als gleich Null erweisen könnte. – Aber alle (im BMF) freuen sich…..)
Auf der anderen Seite pumpt die gleiche Behörde 6.500.000.000 € in die marode SKB. Steuergelder!! Hemmungslos!!!
Na Ja unterm Strich sind das zweimal verbrannte Mittel, die Sie und ich erwirtschaftet und in Teilen als Steuern an den Staat abgeführt haben.
Dies dokumentiert in meinen Augen nur, wie unbekümmert man von Seiten der Politik und Verwaltung mit Volksvermögen umgeht.
Interessant dabei auf jeden Fall die Gewichtung in den Medien.
Auf die vielleicht (!) hinterzogenen popeligen 300 Mio € zeigen alle, die 6,5 Mrd € werden kaum weiter betrachtet.