„Sachlich“ heißt „zur Sache“,
nicht „bierernst um die Sache herum“!
Neschle-Depeschle-Neschle-Depeschle-Neschle-Depeschle-Neschle-Depeschle
Für den kleinen Hunger zwischendurch: Der schnelle Einwurf in den Strafraum
Styles, like everything else, change. Style doesn’t. (Linda Ellerbee)
In Deutschland gilt jemand als „sachlich“, wenn sein Schreibstil „sachlich“ ist. Der Schreibstil ist „sachlich“, wenn er „bierernst“ ist. „Sachlich“ = „bierernst“, das ist die Fundamentalgleichung des deutschen Sprachirrtums.
Diese Gleichung betrifft einzig das „Wie“ der Schreibe, nicht das „Was“. Jemand gilt auch dann als „sachlich“, wenn er den Kern der Sache nicht trifft. Ja sogar dann, wenn er bierernst um den heißen Brei redet. Für Neschle heißt „sachlich“ dagegen „zur Sache“ und das bedeutet „auf den Punkt“. Am liebsten auf einen Punkt, auf den andere nicht kommen.
Als Reaktion auf Neschle 7 schreibt der Kommentator Karl (Neschle hat sich sehr darüber gefreut: Danke!), Neschles Reaktion auf Kamenz/Wehrles „Professor Untat“ wirke an einigen Stellen „etwas gekränkt unsachlich“. Neschle kann und will diese Wirkung auf Karl seinerseits nicht kommentieren. Sie gibt ihm aber zu denken. Und er will sie nutzen zur Aufklärung über seinen Schreibstil. Zum gekränkt sein, daher nur ganz kurz, zur „Sachlichkeit“ viel länger, weil Neschle darüber auch schon viel länger nachgedacht hat, als der Kommentar von Karl alt ist:
Neschle lässt sich nicht kränken von Argumenten, die er für fehlerhaft hält. Daraus zieht er nur Folgerungen über die „Satisfaktionsfähigkeit“ der Au-Toren. Weil die eben „nicht satisfaktionsfähig“ sind, können sie ihn auch nicht kränken. Doch er hat sich dem Urteil der „Kunden“ unterworfen. „Richter Karl“ hält sie für satisfaktionsfähig. Fehlen noch zwei und Neschle hält sein Versprechen, sich mit ihnen zu triellieren (Es sind ja zwei!). Neschle ist also nicht „gekränkt“. Allenfalls von der Blässe der dortigen Gedanken „angekränkelt“. Persönlich tangiert ist er nicht im Geringsten. –
Oben hat Neschle gesagt „sachlich“ sei für ihn „zur Sache“ Diese Sache kann aber auch eine Person sein. Dann ist die Aussage „sachlich“, wenn sie eine Kerneigenschaft und deren Folgen trifft. Bei Kamenz und Wehrle ist eine solche sachliche Kernaussage die Tatsache, dass Wehrle über etwas schreibt, das er nicht selbst erlebt hat, und dass Kamenz seinen eigenen „Arbeitsvertrag“ nicht kennt. Sonst würde er nicht davon ausgehen, Professoren würden heute noch emeritiert. Das ist nur insoweit „unsachlich“ als es sich auf die Personen Wehrle und Kamenz bezieht.
Der unbierernste Stil, in dem Neschle schreibt, macht seine Aussage dagegen in keiner Weise „unsachlich“. Das ist in Deutschland eine harte Erkenntnis. Hier gilt alles als „unsachlich“ und „nicht ernst zu nehmen“, was nicht auch mit „bierernster“ Miene vorgetragen wird.
Dagegen will Neschle mit seinem Stil ankämpfen. Neschle zitiert dazu nun sich selbst, aus dem Vorwort eines Werkes, das vor zwei Jahren vor allem wegen dieses für Deutsche offenbar un- oder mißverständlichen Stils von drei Verlagen abgelehnt wurde. Karl beweist nun leider, dass diese Verlage wohl Recht hatten. Hier kommt das lange Selbstzitat, das hoffentlich zum Verständnis von Neschles „unsachlichem“(!?) Stil beiträgt:
„Wir hatten noch fast eine halbe Stunde und ahnten jetzt sogar warum. – Die so gewonnene Zeit füllten wir mit Fachgesprächen. Wir stellten fest, dass hierzulande bei Wirtschaftsthemen mit Bierernst der größte Blödsinn verkauft wird. Vieles konnte man nicht einmal als Witz ernst nehmen. Trotzdem lachte keiner. „Den Deutschen fehlt eben der Witz, ihren eigenen zu begreifen“, hatte Werner Schneyder gesagt. Wenn aber die Leute glauben, alles wäre ernsthaft, was man mit ernsthaftem Gesicht tut, muss man ihnen einen Begriff von ihrem eigenen Witz geben. Warum vieles so lächerlich ist, was im trübsinnigen Nebel beharrlicher Ernsthaftigkeit behauptet wird. Ist es aber möglich, bierernst den größten Unsinn zu verhökern, muss es auch möglich sein, den größten Sinn mit einem Schmunzeln anzubringen.
In England gelänge das. Sicher! Da gibt es normal verrückte Leute. Aber in Deutschland? Wir waren trotzdem der Ansicht, Wirtschaft darf Spaaß machen im Osten, im Westen auch Spass. Sie muss es sogar, wenn sie gut und besser werden soll. Spaß muss seinen Platz haben! Auch wenn dazu viele hierzulande in den Keller gehen oder sich lustige Kostüme oder bunte Uniformen anziehen müssen.
Bei Professoren herrschen jedoch Ernst, Vorsicht, strikte Objektivität und Nachprüfbarkeit. Das macht professorale Texte technisch kalt, reserviert und blutleer. Einstellung und Herzen der Menschen erreichen sie nicht. Sie bleiben an der unterkühlten Oberfläche des Verstandes.
Man kann sich allerdings nur so lange als Mitglied dieser Gemeinschaft fühlen, wie man dieselben Fehler macht wie diese. Da ich mich entschlossen habe, hier einmal andere Fehler zu machen als die Professoren, habe ich mir das Pseudonym Leon Neschle[1] zugelegt. Anders als Hans-Werner Sinn. Der heißt wirklich so und da machte es denselben, weil er professoralen Ernst und –ionelle Würde immer beibehält.
Als Sinn schrieb „Ist Deutschland noch zu retten?“, haben sich einige gefragt: Ist der Sinn noch zu retten? Hans-Werner, dessen Haarausstattung den eingravierten Linien des Tennisballs folgt, hat mit Ernst versucht, den Sinn in der deutschen Wirtschaft zu retten. Er wählte das Vorgehen der ökonomischen Schulmedizin: Mit tierischem Ernst gegen ökonomischen Unsinn. Statt mit Humor und Ironie, also dem, was uns von Tieren am meisten unterscheidet[2]. Von solcher Literatur gibt es viel. Zu viel!? Immer, wenn es zu viel gibt, fehlt etwas. Etwas, das verstanden wird: „Did y’ever think, Ken, that making a speech on ee-conomics is a lot like pissing down your leg? It seems hot to you, but it never does to anyone else”, sagte der amerikanische Präsident Lyndon B. Johnson zum Ökonomen Kenneth J. Galbraith.
Der Weg der Homöopathie ist ein anderer. Hier lautet die Botschaft: „Simila similibus curentur!“ Also: „Ähnliches soll mit Ähnlichem geheilt werden!“ So gesehen wird dies ein homöopathisches Buch. Es versucht dem Unsinn, den deutsche Wirtschaftsvertreter und Wir-machen-da-was-Politiker mit heiligem Ernst und ebensolcher Einfalt zelebrieren, ein wenig Lockerheit, Heiterkeit, Satire und Sarkasmus entgegenzusetzen. Das ist der Weg der Naturmedizin: „Willst Du Fug schaffen, setze Unfug gegen Unfug.“ Aktiviere damit das Selbstdenken und die Selbstheilungskräfte des Verstandes! Das hilft geistiger Gesundheit mehr als die karge Kost freudloser Fachliteratur und gibt dem Gehirn mehr Frische.
Wirtschaft ist Teil des Lebens. Und die wichtigsten Dinge des Lebens sind keine Dinge. Sie sind Erfahrungen, Emotionen, Vertrauen und Ideen. Will man da etwas ändern, muss man bei den kleinsten Zellen anfangen. Diese Zellen sind grau. Sie schaffen das Morgen-Grauen der wachsenden Wirtschaft und das nackte Grauen der zusammenbrechenden. Es sind die Gehirnzellen der handelnden Menschen. Darauf zielt dieses Buch. Es will Denken-machen, aber mit Spaahaaß. In Deutschland konnte man allerdings bislang nur wenige dazu motivieren, sich lustvoll in die ökonomische Gedankenwelt zu stürzen. „Doch stell Dir vor, es geht, aber keiner kriegt’s hin!“, sagte einmal Wolfgang Neus.
Wer hier einen Fachtext erwartet, brüte weiter über seinem Lehrbuch. Hier findet er nur wenige Sätze, auf denen noch das Blei alter Druckstöcke liegt. Doch der Anspruch wird nicht zu niedrig, die Gedanken nicht zu flach. Ich habe Monate ohne Gehalt daran gearbeitet. Ganz nebenbei. Dabei habe mich um Gehalt bemüht, der den Selbstdenker fordert. …
Denken-machen kann jedoch Feinde schaffen. Wir freuen uns immer über den, der uns denken macht, wir denken. Doch wir mögen den nicht, der uns wirklich denken macht. Bequeme Unwahrheiten klingen für uns besser als unbequeme Wahrheiten, die uns zwingen, den eigenen Standpunkt zu überdenken. Wir lassen uns lieber durch hudelndes Lob ruinieren als durch klares Denken eine Chance auf Rettung schenken.“
Und jetzt nur noch zwei Bemerkungen: Das Buch, das Neschles Erfahrungen im Osten betrifft, wird er bald als PDF einstellen, weil er nach drei Versuchen seine Bemühungen eingestellt hat, einen deutschen Verlag davon zu überzeugen. Jetzt muss ein Verlag schon zu mir kommen! Odda, wie man im Ruhrgebiet sacht: „Datt happ ich donnich notwendig!“ – Neschles Freund hat so ein ganzes Firmenimperium nur mit Eigenkapital hochgezogen unter dem Motto: „Ich mach’ mir doch nicht die Arbeit, Banken mein Geschäft zu erklären!“
Neschle wird seinen Stil bestimmt nicht in Richtung „deutscher Sachlichkeit“ ändern. Dann ist er nämlich kein Neschle mehr. Stile ändern sich, Stil nicht!
Der eine Mensch, der sagt nicht viel,
doch er sagt’s mit ernstem Stil.
Der andere lässt es richtig krachen,
doch er sagt’s mit einem Lachen.
Der Stil allein hat hier Gewicht,
Gedankeninhalt zählt da nicht!
(Fortsetzung! Angeregt durch Harry Belafonte:
„It was clear as mud, but it covered the ground,
And the confusion made my brain go round!”)
In England gilt der Mensch als dumm-pf,
der stets Gedanken aus dem Sumpf
schlammtiefen Ernsts hervorgequält.
Der ist’s, der hierzulande zählt,
macht’s aber jemand mit Humor,
ist’s unseriös; er ist ein Tor.
(Zweite Fortsetzung zum dreifach Sexzeiler!)
Hier werden wir noch lange kranken,
am „Stil-Verwechseln-mit-Gedanken“.
Wer ablehnt aus formalen Gründen,
muss sich nicht mit Ideen schinden!
So macht es auch der Richter Schar
und Deutschland bleibt, wie’s immer war.
…
[1] Deutsche Wissenschaftler werden meist erst interessant und witzig, wenn sie aufhören es in den Augen der Kollegen zu sein. Daher mein niedlicher Deckname aus dem Spätzle-Land!
[2] Oder ist es der Tausch? Kein Hund tauscht seinen Knochen mit einem anderen. Oder dass man trinkt, ohne durstig zu sein? Oder dass man jederzeit Sex haben kann oder will? Oder dass wir rot werden, weil wir uns mit Recht über uns schämen müssen? Also doch besser der Humor!?!
PDF-Datei
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Dieses Neschle-Depeschle war es wert im Kommentar zu “Leon Neschle 7″ nicht in einem Nebensatz zu erwähnen, dass ich es für schwierig halte, als Betroffener sachliche Kritik in amüsanter Weise zu formulieren.
Unsachlich finde ich den besagten Beitrag weil zu wenig “zur Sache” – nämlich dem Vorwurf “Professoren sind faul bzw. legen ihre Prioritäten falsch” – gesagt wird. In der vorletzten Aufzählung werden zwar die entscheidenden Punkte angesprochen, das Hauptaugemerk liegt aber auf der fehlenden “Satisfaktionsfähigkeit” der Autoren und deren Vorgehensweise. Allerdings fällt mir gerade auf, dass diese Stoßrichtung viel besser in den Kontext des gesamten Beitrags passt (die Kritik an der Aussagekraft von MeinProf.de funktioniert ja in ähnlicher Weise). Dennoch würde ich mich bei einer – wahrscheinlich aufgrund fehlender Rückmeldungen ausfallenden – Auseinandersetzung mit dem Thema, über eine sachliche, aber hoffentlich nicht bierernste, Argumentation gegen den konkreten Vorwurf freuen.
Dass mein Kommentar als Aufforderung zur fachbuchlichen Ernsthaftigkeit verstanden wurde, zeigt wieder einmal, dass nicht alles so gelesen wird wie man glaubt es geschrieben zu haben.
PS.: Auf das PDF-Buch bin ich sehr gespannt.