Gerecht ist, alle gleichzubehandeln und alle gleich zu behandeln.
Oder: Doof sein bis der Arzt kommt!
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Für den kleinen Hunger zwischendurch: Der schnelle Einwurf in den Strafraum
Was immer Du anderen tust, denke zuerst ruhig darüber nach, ob du es ertragen könntest, wenn man Dir Gleiches täte. (Dai Dschen)
Gleichbehandlung ist für den Menschen in diesem Lande wichtig! So wichtig, dass er sich meist sogar dafür ausspricht, auch Ungleiches mit aller sozial(istisch)en Macht gleichzubehandeln. Alles muss über den einen großen Kamm. Das Schlimmste ist Diskriminierung, also jene Fähigkeit, Neigung und Handlung, die Unterschiede machen kann und macht.
Das Ergebnis deutscher Gleichbehandlung ist der Einheitsbrei, in den man alles einrührt und selbst Schlechtes nicht wieder herausbekommt. Ist am Ende alles gleich, dann wird auch allen alles egal. Das schafft den hochgradigen Lebensverdruss, für den wir weltweit so bekannt sind, wie für die Handtuchreservierung von Liegestühlen. Außer vielleicht die Rheinländer, die mit ihrem Klüngel das alles unterlaufen. Doch die für die gilt letztlich „Mitgehangen, mitgefangen!“, womit aber die Bayern meist mehr Probleme haben.
Jetzt sind mal wieder die Ärzte dran, die bös diskriminieren. Dabei werden die Ärzte selbst seit Jahren diskriminiert. Gerade von denen, die ihnen nun Diskriminierung vorwerfen: den Vertretern der AOK und anderer Kassen. Oder welcher andere Berufsstand muss ab einer gewissen Zeit im Quartal bei vielen „Kunden“ nicht nur kostenlos arbeiten, sondern noch drauflegen.
Die AOK hat in einer eigenen „wissenschaftlichen Studie“ festgestellt, dass Ärzte Kassen- und Privatpatienten nicht gleichbehandeln, weil sie zwar Letztere gleich behandeln, Erstere aber nicht. In einem Diskussionsforum bei t-online sind Ärzte in dieser Woche offensiv mit diesem Vorwurf umgegangen. Sie zeigen dabei, dass sie ökonomischer denken können als die AOK und angesichts der Lage vieler Praxen auch ökonomischer denken müssen. Die AOK beschäftigt sich immer noch lieber mit anderen als mit sich selbst und glaubt offenbar, sich das leisten zu können.
A. Die AOK macht Wissenschaft, auch ohne dass es Wissen schafft.
Als Neschle jung war, da war Arzt in Deutschland in jeder Hinsicht ein Traumberuf, auch in ökonomischer. Jetzt haben wir durch die Alterung der Bevölkerung immer mehr Patienten, doch die Ärzte stehen sich immer schlechter.
Junge Ärzte kehren diesem Land der kaum begrenzten Unmöglichkeiten den Rücken und gehen ins klassische Land der unbegrenzten Möglichkeiten, vor allem wenn sie an eine Uni-Klinik wollen. Oder sie machen Arbeitsurlaub in England, dessen Gesundheitssystem noch arg gescholten wurde, als sie ihre Berufswahl trafen. Dort verdienen einen Halbjahresertrag in einem Monat, für den sie zu Hause nicht nur ihre Arbeitskraft einsetzen, sondern ihre gesamte Praxis müssten.
Nun hat eine Studie des Wissenschaftsinstituts der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) – Dass die so etwas überhaupt haben und mit Versichertengeld finanzieren!? – eine „bahnbrechende“ Entdeckung gemacht: „Kassenpatienten müssen oft länger warten.“ Dieses Ergebnis ist so „überraschend“, dass alle Ärzte, die das auf t-online kommentiert haben, einmütig gesagt haben: „Ja, datt is so!“
Jetzt wissen wir es nicht nur so wie früher schon: Wir wissen es mit einer Stelle hinter dem Komma. Bei „akuten Beschwerden“ wartete jeder vierte gesetzlich Versicherte mehr als zwei Wochen (25,3%), während es nur 7,8% der Privatpatienten waren. Woanders ist der Unterschied etwas geringer: Knapp ein Viertel (23,4%) der gesetzlich Versicherten bekam sofort einen Termin zur akuten Versorgung, bei privat Versicherten waren das 31,6%. Ein Drittel (33,5%) der Kassenpatienten war unzufrieden mit der Wartezeit, bei Privatpatienten war das nur gut ein Siebtel (14,7%). Alles fein nach dieser Studie!
Neschle erstaunt nun nicht, dass es diese Unterschiede gibt, auch nicht die Berechnung auf eine Hinterkommastelle genau, was das statische Material und die Methoden meist gar nicht hergibt. Neschle ist im Unterschied zur AOK verwundert darüber, dass die festgestellten Unterschiede so klein sind. Denn:
- hat die AOK selbst diese Studie gemacht, was sie in Vorgehen und Fragestellung durchaus „verdächtig“ macht (Das macht ein eigenes Forschungsinstitut als „politische Einrichtung“ unter diesem Aspekt fragwürdig!);
- hat die AOK dabei offenbar die typische Problematik missachtet, die Ärzten nur bei Kassenpatienten kassenseitig(!) ökonomische Anreize bietet, Termine am Quartalsende auf das nächste Quartal zu hinauszuschieben.
- haben auch die Patienten der AOK durch die Praxisgebühr einen Anreiz, Arztbesuche aufzuschieben bzw. auf wenige Quartale zu konzentrieren, wie das (von der AOK unabhängige) Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) im Sommer 2006 herausfand.
- hat die AOK die Klientel der Rentner, die nicht nur im Supermarkt dadurch auffällt besonders ungeduldig und unzufrieden zu sein.
Neschle selbst hat es freilich gut! Als kommunikativer Mensch hat er viele Freunde. Darunter auch viele Ärzte. Da kann er meist ganz privat und schnell einen Termin ausmachen. Aber er ist auch kein Hypochonder und nutzt das äußerst selten. Neschle kennt auch Kassenpatienten, die mit den Doktors befreundet sind: Bei denen ist das genauso. Die kommen ohne Diskriminierung gegenüber Neschle auch mal außerhalb der Sprechzeit.
Doch nicht jeder kann sich gleich mehrere Doktores „halten“. Jedenfalls noch nicht! Was ist mit all den anderen?
B. Was hilft Hippokrates, wenn der Arsch auf Grundeis geht?
Was haben denn die Ärzte geantwortet auf das sensationelle und sensationell genaue Forschungsergebnis der AOK. Hier einige Stimmen von Ärzten (Kommentar von Neschle):
„Wer mehr bezahlt, bekommt mehr. Wären Sie einverstanden, wenn Sie einen BMW bezahlt haben und einen Trabant bekommen?“ – Ja, was ist eigentlich mit der Gleichbehandlung bei den Kosten? Warum nur bei Leistungen und Terminen gleich? Das gibt es doch nur bei idealisierter Staatsmedizin. Im real vegetierenden Sozialismus werden dagegen die Funktionäre noch gleicher behandelt als die anderen.
„Zum Ende des Quartals bekomme ich, wenn ich das mir zur Verfügung stehende Budget bei Kassenpatienten verbraucht habe, kein Geld mehr für meine Arbeit. Im Gegenteil: Ich lege noch etwas drauf, indem ich Verbrauchsmaterial und die Gehälter der Mitarbeiter bezahlen muss.“ – Da soll der Einkommenserwerb der Ärzte zum Hobby werden, wofür sie noch Geld mitbringen. Natürlich sollen sie dabei nicht umsonst (also: vergeblich) arbeiten! Den Patienten soll es schon helfen!
Die Ärzte stellten durchweg „die ethisch-medizinischen Belange über betriebswirtschaftliche Erwägungen“. „Hier geht es aber bereits um den Erhalt des Kleinunternehmens Arztpraxis.“ – Die Kassen halten es offenbar für selbstverständlich, dass die Ärzte für Hippokrates sterben. Doch was nützen uns tote Ärzte, Ärzte in England und Ärzte, die es nie mehr werden und werden wollen?
„Kassenpatienten finanzieren keinen einzigen Arbeitsplatz in den Praxen, ja decken nicht einmal die Kosten.“ „Im letzten Monat des Quartals arbeitet der Arzt fast umsonst. Ohne Privatpatienten müsste er seine Praxis schließen.“ – Da will man jetzt diejenigen schlechter behandeln als vorher, denen es zu verdanken ist, dass auch die Kassenpatienten noch eine recht ordentliche Versorgung bekommen. Ökonomische Verhaltenssteuerung geht aber nie vom Status quo aus, sondern von dessen Veränderung(!). Macht man die Zugehörigkeit zur Privatkasse unattraktiver, sieht kein Privatpatient ein, warum er mehr bezahlen soll. Offenbar sucht die AOK neue Mitglieder!
„Wenn die Geldmenge nicht der Leistungsmenge angepasst wird, muss die Leistungsmenge der Geldmenge angepasst werden. Wenn ein Gutschein wertlos wird muss der Gutscheininhaber sich bei der ausgebenden Behörde beschweren. Oder er stellt sich in die Warteschlange. …. Die längeren Wartezeiten für Kassenpatienten rühren … nicht daher, dass der Arzt von Privatpatienten BESSER bezahlt wird, sondern daher, dass er für zusätzliche Kassenpatienten GAR NICHT bezahlt wird.“ – Das sagt einserseits: Es ist die eigene Nase, an die sich die AOK (und unser Gesundheitssystem insgesamt) fassen sollte. Es bedeutet andererseits: Die Ärzte haben ökonomisch denken lernen müssen angesichts des Zustandes ihrer Praxen. Und das beinhaltet das Denken in Änderungen und die Frage: Was bringt ein zusätzlicher Patient?
Bei echten Notfällen einigt Hippokrates wieder alle Ärzte. Da helfen sie nach eigenen Angaben stets sofort. Doch was hilft Hippokrates im Normalfall, wenn die Kassenpatienten der Praxis am Quartalsende das Wasser abgraben und der Arsch auf Grundeis geht. Leider gehört Hippokrates nicht zu den vierzehn Nothelfern!
Da ich (siehe oben) auch ein wenig Einblick in die wirtschaftliche Lage kleinerer Arztpraxen habe, kann ich die obigen Aussagen nur bestätigen. Einer meiner Freunde betreibt eine Gemeinschaftspraxis und mehrere Monate im Jahr werden gerade einmal die Kosten gedeckt. Gewinn blieb da keiner! Und dieser Gewinn ist nicht ein Gewinn wie bei Kapitalgesellschaften, der nur die Kapitalerträge umfasst. Er umschließt auch das, was man Arbeitslohn nennt. Der Malocher würde sagen: „Der Doktor arbeitet für lau.“ Das ist deutlich weniger als Hartz IV! Und da kann Neschle nur sagen: „Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg’ auch keinem anderen zu!“
Wir haben den fairen Handel mit Entwicklungsländern entdeckt, kaufen Bio-Bananen, die Fair-Nando heißen, aber im Inneren haben wir die Fairness im Handeln miteinander fast im selben Umfang abgebaut.
C. Modell „Busspur“: das Ideal der AOK
Wer kennt sie nicht: die Busspur. Das ist jene Einrichtung, die es Arbeitslosen, Rentnern und Studenten ermöglicht, diejenigen rechts zu überholen, die für das Sozialprodukt sorgen, von dem sie leben. Während also der Vertreter mit seiner Kollektion im Stau steht, fahren sie lächelnd an ihm vorbei.
Ja, ich weiß schon. Der Zweck ist ein anderer: Der Vertreter soll mit seiner Kollektion auf Öffentliche Verkehrsmittel umsteigen. Dann könnte auch er erheblich Zeit sparen. Das müssen Rentner und Arbeitslose zwar nicht so dringend, aber die Busspur ist eine schöne Beigabe.
Den Anreiz zum Umsteigen in die Busspur lässt sich unser Staat Milliarden kosten. Man zähle nur einmal die Wartestunden zusammen, die sich ergeben, weil die leere Busspur nicht benutzt werden darf! Ganz abgesehen vom zusätzlichen CO2–Ausstoß, dessen Senkung das Ganze ja einmal dienen sollte!
Das Modell „Busspur“ scheint nun aber ideal für die AOK. Der Gesetzgeber müsste nur vorschreiben, dass alle AOK-Patienten bei Terminvereinbarungen vorgezogen werden. Da das ja dieselbe Klientel wie bei den Busspurbenutzern ist (Neschle kann auch mal böse sein!), bräuchten die sich erst gar nicht umzugewöhnen. Vielleicht ist das ein Grund dafür, dass AOK-Patienten mit der Terminierung unzufrieden sind. Sie sind es gar nicht mehr gewohnt, mit den anderen zu warten.
Das gäbe übrigens schöne Anreize in die AOK einzutreten. Nur unsere Ärzte und unser Gesundheitswesen würde es ruinieren. Dann würden wir uns alle dort auf dem niedrigen Niveau wiederfinden, auf dem die AOK dieses Problem diskutiert.
Gesundheit, Freunde!
Sei ethisch wie Hippokrates,
bescheiden wie Diogenes,
so einen Arzt, das ist doch klar,
will nicht allein die AOK.
Doch welche Menschen hier auf Erden,
soll’n dann noch deutsche Ärzte werden?
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