Leon Neschle 20 (27. Woche 2007)

Unwort „Humankapital“
Untat nicht nur des Jahres 2004 (II)

I am, at heart, a tiresome nag complacently positive that there is no human problem which could not be solved if people would simply do as I advice. (Gore Vidal)

Die Realität deutscher Unternehmungen besteht für die Unwort-Jury darin, dass Humankapital dem Shareholder Value untergeordnet ist. Das lässt sich diskutieren, gerade weil es nicht so und so nicht richtig ist. Realität ist nämlich allein das, was bleibt, wenn man aufhört nur zu glauben.

Wie aber sieht die ökonomische Welt jenseits des Glaubens der Jury aus? Dazu muss man deren Gedankenwirrwarr entknäulen.

Begriffe, die man über- oder unterordnet wie Shareholder Value und Humankapital, sollten in einer gedanklichen Kategorie liegen. Verschiedene Kategorien schaffen Absurditäten. Im Ruhrgebiet ist etwa der Steiger Rangmaßstab für alle Berufe auch außerhalb des Bergbaus: „Mein Bruder iss Feldwebel. – Iss dat mehr wie Steiger?“ Die Frage lässt sich nicht beantworten, weil sich zwar Feldwebel und Oberst vergleichen lassen bzw. Steiger und Bergassessor, aber nicht Feldwebel und Steiger Ebenso abwegig ist der Vergleich von Humankapital und Shareholder Value.

A. Der Mensch als Ganzer und seine Leistungen. Oder: Wen (und wer) heiratet schon die Prostituierte?

Shareholder Value ist eine finanzielle Zielgröße, der andere Zielgrößen wie Umsatz oder Gewinn zugeordnet werden können. Humankapital ist Anspruch auf eine Ressource und Schwesterbegriff zu Realkapital und Finanzkapital. Humankapital ist die treudeutsche und treudoofe Übersetzung von Human Capital[1]. Dabei gibt es ein den Unwort-Philologen augenscheinlich unbekanntes Problem mit den Kapitalbegriffen in Volks- und Betriebswirtschaftslehre:

Finanzkapital als Eigen- oder Fremdkapital (und auch Humankapital) bezeichnet in der BWL Anspruchsrechte auf Human-, Finanz- und Sachvermögen und deren Nutzung. Diese Nutzung ist bei allen Vermögensteilen durch unsere Rechtsordnung eingeschränkt. Mit Sachvermögen kann man nicht machen, was man will. Jeder, der betrunken Auto fahren will, weiß das. Und Finanzvermögen für Bestechung eingesetzt? Doch die schärfsten Einschränkungen finden sich bei der Nutzung von „Humanvermögen“.

„Humankapital im volkswirtschaftlichen Sprachgebrauch entspricht in der Regel dem betriebswirtschaftlichen Begriff „Humanvermögen, ein Schwesterbegriff zu Sachvermögen und Finanzvermögen. Um es in der Sprache des Rechnungswesens auszudrücken: „Humanvermögen“ gehört zu den Vermögenspositionen auf der Aktivseite einer Bilanz, nicht auf die Passivseite (auch: Kapitalseite) der Bilanz neben das Finanzkapital. Das dies gemeint ist und der Begriff „Humanvermögen“ vielleicht weniger Ressentiments auslöst, wird Neschle nachfolgend die betriebswirtschaftliche Diktion für „Vermögen“ und „Kapital“ verwenden.

„Humanvermögen“ wird auf der Aktivseite einer Bilanz nicht als solches und Ganzes, sondern nur „scheibchenweise“ bilanziert: bei spezifischen Leistungsrechten. Rechte aus einem Arbeitsvertrag als „potentiellen Zugriff auf Humanvermögen“ sucht man in dort vergebens. Erst recht das „Gesamtpotential der Mitarbeiter“. Das Finanzkapital hat nämlich gar keinen Anspruch darauf. Ein Arbeiter gehört der Unternehmung nicht mit Haut und Haar, mit Werk und Denken.

Rechte am Humankapital hat allein und unstreitig nur der einzelne Mensch. Jeder an seinem eigenen. Humankapital in diesem Sinne liegt außerhalb der Verfügung einer Unternehmung. Ein Teil (!) des Humanvermögens dagegen nicht, sofern ein Mensch es abgrenzbar, freiwillig und gegen Entgelt der Unternehmung zur Nutzung überließ:

Anspruchsrechte auf die Nutzung von Humanvermögen sind in Arbeits- oder Dienstleistungsverträgen eingegrenzt. Sie betreffen nie den gesamten Menschen, sondern einen vorgegebenen Leistungsrahmen (Arbeitsverträge) oder nur eine spezifische Leistung (bei Dienstleistungen), bei Patenten abgesonderte, manchmal absonderliche Teile geistigen Humanvermögens. Wie sollen hiermit die Menschen insgesamt zu nur noch ökonomisch interessanten Größen werden – so befürchtet das die Unwort-Jury –, wie das „Humankapital“ als Ganzes dem Shareholder Value untergeordnet werden? Der Mensch als Ganzer ist hier an keiner Stelle im Spiel und damit auch kein Objekt irgendeiner bilanziellen Rechenhaftigkeit.

Sagen wir es statt im Indikativ mal im Provokativ, also definitiv: Wer sich von einer Prostituierten professionell bedienen lässt, erwirbt nicht das Recht, sie zu heiraten!!! Meist will er das auch gar nicht, von ehemaligen Mitgliedern des VW-Betriebsrats abgesehen. Das gilt ebenso für die Gegenseite, wie man aus deren aufreizenden und weitverteilten Angeboten an eine androgene Allgemeinheit erkennt. An Heirat denkt die Prostituierte da nicht, jedenfalls nicht bei jedem armen Teufel, an dem sie ihre Dienstleistung verrichtet. Pretty Woman-Märchen erzählt die Realität nur selten. Sicher kann man „als Mann“ sogar eine besondere Beziehung zu seinem Mietwagen aufbauen. Doch wer kauft ihn dann schon?

Nicht anders ist das beim Finanzkapital und dessen Streben nach Shareholder Value. Shareholder sind interessiert an Vorteilen einer spezifischen Nutzung menschlicher Fähigkeiten, nicht an der Heirat mit dem Humanvermögen. Vorteile der Humanvermögensnutzung sind direkt greifbar im Werkvertrag, der sich auf ein festgelegtes Ergebnis richtet. Beim Arbeitsvertrag ist das heikler, weil die Definition des Leistungsanspruchs offener ist und für beide(!) Seiten flexibler. Der Arbeitsvertrag richtet sich nicht auf eine konkrete Leistung, sondern auf ein Leistungspotential, auf allgemeine, nicht näher bezeichnete Leistungsversprechen.

Beim Arbeitsvertrag geht daher auch die Verpflichtung des Finanzkapitals weiter als beim Dienstleistungsvertrag. Der Geld- und Arbeitsplatzgeber muss sich auch mit Leistungsstörungen bis zu einem gewissen Grade abfinden, seien sie krankheits- oder faulheitsbedingt. Das Finanzkapital haftet letztlich auch für Unvermögen und ethisches Fehlverhalten der Mitarbeiter.

Das zeigte sich bei den Unternehmungszusammenbrüchen von Enron und Worldcom. War hier etwas „untergeordnet“ – hier folgt Neschle mal dem anfechtbaren Sprachgebrauch der Jury –, dann der Shareholder Value dem Humanvermögen moralisch hasardierender Leitender Angestellter. Darunter litten sogar die Verwertung des Humanvermögens der anderen Mitarbeiter und deren Finanzkapital, das zur Sicherung ihrer Rente dienen sollte. Das aber ist eine andere Realität als die von der Jury erfühlte generelle Unterordnung des „Humankapitals“ unter den Shareholder Value.

Von den derartigen Haftungsverpflichtungen für Leistungsstörungen und Leistungsverfehlungen kann sich das Finanzkapital allerdings befreien: Beim Outsourcing werden Arbeitsverträge durch Dienstleistungsverträge ersetzt. Im Extremfall entwickelt sich dadurch die Agentur-Unternehmung. Der Transportunternehmer mutiert zum Frachtenkontor, seine Arbeitnehmer zu „selbständigen“ Fracht-Unternehmern. Sie stellen jetzt Dienst-Leistungen auf eigenes Risiko bereit und befreien das Finanzkapital von seiner Risiko-Abhängigkeit bei Leistungsstörungen und Verfehlungen aus dem früheren Arbeitsvertrag. Die Ergebnisrisiken verschieben sich zu dem nun „selbständigen Arbeitnehmer“, der statt (Teile seines gesamten) Leistungspotential(s) zur betrieblichen Nutzung vorzuhalten nun vorbestimmte Leistungen liefern muss.

„Scheinselbständigkeit“ hat man diesen Status genannt und kuriert mit dessen rechtlicher Sanktionierung am Symptom, ohne die Ursache dafür verstehen zu müssen. Franchise-Systeme machen dasselbe, nur geschickter, im rechtlich zulässigen Rahmen. Von Franchise-Nehmern wird wie von Scheinselbständigen nur der Einschuss eigenen Risiko-Kapitals erwartet. Unternehmerisch gedacht wird fast allein bei den Franchise-Gebern, wie bei der Agentur-Unternehmung mit Scheinselbständigen. –

Arbeitsverträge gewähren also zwar umfangreichere und flexiblere Rechte des Finanzkapitals am Humanvermögen als Dienstleistungsverträge, sind aber mit erweiterten Pflichten verbunden. Sind die Nachteile aus den arbeitsvertragsbestimmten Pflichten für die Unternehmung größer als die Vorteile aus den entsprechenden Rechten, sind dem Finanzkapital Dienstleistungsverträge mit selbständigen Unternehmern lieber. Dann wird lieber die einzelne Taxifahrt gebucht als der Fahrer eingestellt.

Viele „Scheinunternehmer“ sehnen sich nun heute ausgerechnet und in genau den Arbeitnehmerstatus zurück, der sich nach der Jury dem Shareholder Value unterordnen muss. Für die Jury ist also exakt dasselbe das „sozial unerwünscht“, was für diese Humanvermögensträger „erwünscht sozial“ wäre.

Wollen hier philologische Gutmenschen wieder mal helfersyndromatisch für andere denken und ihnen andienen, was die gar nicht wollen? Wieder mal eine gute Tat vollbringen, die keiner will? Das war schon die 68er-Masche, die schon damals schlecht gestrickt war. Intellektuelle denken für die Arbeiter! Klasse!

B. Beuten Vereine die Fußballer aus oder Fußballer die Vereine?

Falls sich ein Student entschließt, sein Humanvermögen durch Besuch einer Vorlesung zu erhöhen, tut er das nicht, um den Shareholder Value irgendeiner Unternehmung zu erhöhen. Er ordnet sich dem auch nicht unter, wie die Jury meint. Selbst Weiterbildung eines Arbeitnehmers dient aus dessen Sicht nicht zwingend dazu, den Shareholder Value der Unternehmung zu erhöhen, selbst wenn die Unternehmung und nicht der Arbeitnehmer diese veranlasst hat.

Führen Weiterbildungsaktivitäten zu überproportionalen Gehaltserhöhungen für den Arbeitnehmer, sinkt sogar der Shareholder Value. Die Unternehmung zahlt dann mehr als diese zusätzliche Aktivität für sie wert ist. Ob einer Erhöhung des Humanvermögens eine Erhöhung des Shareholder Value folgt oder nicht, hängt also davon ab, auf welche Bezahlung sich Unternehmung und Arbeitnehmer danach einigen.

Da soll es zudem in Vorständen großer AGs Leute geben, die sich ihr Humanvermögen viel zu hoch entgelten lassen. Humankapitale Vorstände beuten hier das Finanzkapital aus. Der Shareholder Value verfällt ihrem und unter ihrem „Humankapital“. Auf Hauptversammlungen kann man diesen Vorwurf häufig genug vernehmen, kontrovers und lautstark.

Humankapital hat hier den Shareholder Value im Würgegriff. Beutet da nicht sogar eine Arbeit die andere aus und zusätzlich das Finanzkapital? Dieses Argument gegen unersättlich „humankapitale“ Vorstände müsste für die wirtschaftskritischen Unwort-Philologen zwar ein gefundenes Fressen sein, widerspricht aber den eigenen Ausführungen über die Unterordnung des „Humankapitals“ unter den Shareholder Value.

Nach populärer Ansicht verarmen auch Bundesliga-Vereine derzeit an der Ausbeutung des Finanzkapitals durch das „Humankapital“ ihrer beratergesteuerten Balltreter. Mancher Star hat sein Geld zwar wie erwartet kassiert, aber die Leistungserwartungen nicht erfüllt. Das Finanzkapital lässt sich vom „Humankapital“ ausbeuten, weil bei ihm mehr Herzblut und Vereinstreue im Spiel ist als bei den trickreichen Fußballsöldnern. Da kann der ökonomische Unverstand der Unwort-Philologen tausendmal betonen, Realität sei, dass „Humankapital grundsätzlich dem Shareholder Value untergeordnet wird“. Richtig wird das nicht, auch nicht grundsätzlich. –

Argumente solcher Gutmenschen sind gefährlich, weil sie einen moralischen Anspruch erheben und die meisten Menschen ihnen arglos gegenüberstehen, ehe sie die Gefahr erkennen. Die gefährlichsten Unwahrheiten sind eben Wahrheiten, mäßig entstellt. Doch selbst bei international vagabundierendem Gesellschafterkapital, also Münteferings Heuschrecken, findet die Priorität des Shareholder Value ihre Grenzen in Entscheidungen der Humankapitalträger. Noch kann keine Unternehmung ihre Arbeitnehmer zwingen, für ein bestimmtes Entgelt zu arbeiten.

Die Marktlage ist freilich derzeit für die Anbieter von Arbeit (also Arbeitplatznehmer[2]) immer noch schlechter und besser für die Nachfrager nach Arbeit (also Arbeitplatzgeber). Doch sind wir in diese Lage gekommen, weil wir alles so fein ökonomisiert haben? Oder war es die Tatsache, dass wir nicht früh und nicht ökonomisch genug über unsere Entwicklung nachgedacht haben? Dass etwa bei der deutschen Vereinigung ökonomische Überlegungen hintan standen und politische Argumente absoluten Vorrang hatten.

Ist der Preis, den wir in der Bundesrepublik Deutschland dafür (hoffentlich gerne!) zahlen, der Osten natürlich mit, nicht der Preis für die Missachtung von ökonomischen Folgen, also für mangelnden Ökonomismus? So wie der Preis des teuren Champagners, den ich mir leiste, um eine Freundin zu beeindrucken, obwohl ich es mir gar nicht leisten kann. Haben die Glut des Herzens und der Drang der Lenden[3] Vorrang, steht die Ökonomie ebenso hintan wie bei politischen Grundsatzentscheidungen. Nicht das ökonomische Denken, das nichtökonomische Denken kostet den Mehr-Preis, den man freilich auch bewusst und mit Freuden zahlen kann. Über die ökonomischen Folgen klagen dann allerdings meist diejenigen am lautesten, die das politische Denken vorher besonders vehement eingefordert haben.

Dafür gibt es nur eine Erklärung: Sie werden am meisten überrascht von den negativen ökonomischen Folgen des Vorrangs nichtökonomischer Handlungsmotive. Zu wenig Ökonomisierung des Denkens ist die Ursache, nicht zu viel. Wünscht also die Jury eine weitere Ent-Ökonomisierung des Denkens, wird das einen Mehr-Mehr-Preis kosten. Streicht man die Stellen der Jury-Mitglieder und schränkt ihre Alterversorgung ein, werden auch sie merken, dass man sich von guten Absichten nicht ernähren kann. Dass man sich Einkommensver(sch)wendung erst leisten kann, wenn man bei der Einkommenserzielung keine Verschwendung zulässt. Das schließt auch und gerade den effektiven und effizienten Einsatz von Arbeitskraft und Kapital ein.

C. Ein weiterer Arbeitnehmer = zwei Porsche weniger: So geht die Rechnung ohne Humankapital!

Sagen wir endlich, was positiv am „Humankapital“ ist oder besser am Humanvermögen: Im klassischen Rechnungswesen taucht der Arbeitnehmer nur als Personalkosten auf. Er erscheint nicht als Vermögen einer Unternehmung. Das mag auf den ersten Blick menschlich und gut sein. Nach allem, was auch den Ökonomen heilig ist, steht der Mensch nicht auf einer Stufe mit Sachen oder Finanzen. Diese Entökonomisierung des Menschen scheint daher auf den ersten Blick angemessen.

Leider gereicht das dem Menschen nicht immer zum Vorteil. Menschen entlässt man nicht leichter, weil man den Wert ihres Humanvermögens kennt. Im Gegenteil: Wird der Mensch allein als Kostenfaktor gesehen, gilt er ausschließlich als finanzielle Belastung. Geht man davon aus, dass die besten Mitarbeiter auch die teuersten sind, würde man diese zuerst entlassen. Wäre das gut? Wie lange würden das der Rest der Firma und die übrigen Arbeitnehmer überstehen?

Was das Unwort „Humankapital“ nützt angesichts der vielen Entlassungen, hat die Jury gefragt. – Sind die Kosten des Personals höher als der Ertrag ihres Humanvermögens, gibt es für eine Unternehmung nur zwei Wege, falls sie auf Märkten nicht höhere Erfolge erzielt: Dahinsiechen bis zur Insolvenz oder Rettung mit einem Teil der Beschäftigten.

Ein Unternehmer behält einen Arbeitnehmer nur oder stellt ihn ein, wenn er von ihm einen höheren Leistungswert erwarten darf als er an Löhnen und Lohnebenkosten an ihn zahlen muss. Das ist für einen gut durchschnittlichen Arbeitnehmer in etwa die Rate, die man für das Leasen zweier gediegener Porsches zahlen muss.

Wer über diesen Vergleich entsetzt ist, dem sei geholfen. Stellt man den Vergleich an „ein Arbeitnehmer mehr = zwei Porsche weniger“, geht man davon aus, dass der Arbeitnehmer nur Geld kostet, aber nichts bringt. Eine solche Rechnung kann nur aufmachen, wer von Humankapital nichts wissen will. Wie die Jury! Perfiderweise!!! Oder derjenige, der glaubt, bei Beamten und Politikern stimme diese Gleichung wirklich. Schließlich zahlen wir Steuern ohne Anspruch auf Gegenleistung!

Wird der Mensch nur als Kostenfaktor betrachtet, ist jede Investition in Personalentwicklung, in Ausbildung und Bildung nutzlos. Genau so werden diese Investitionen im klassischen Rechnungswesen behandelt: Würde man Geld aus dem Fenster werfen, statt in die Ausbildung seiner Mitarbeiter stecken: die bilanziellen Auswirkungen wären dieselben. –

Liebe Jury! Wäre eine Vorstellung von Humanvermögen nicht menschlicher. Ob man dazu wie die Volkswirte „Humankapital“ sagt, macht die Sache nicht anders, latente Anti-Kapitalisten wegen des Wörtleins „Kapital“ aber offensichtlich reizbarer? –

Um durch fehlgeleitete Gewinnanreize Unternehmungen nicht der Kompetenzbasis zu berauben, hat man im amerikanischen Management-Accounting die Ausgaben für die Entwicklung des Personals als Verbesserung des Humanvermögens angesetzt, als damit als Vermögenserhöhung (Gewinn) definiert und so eine neue Berechnungsbasis für die Gewinnbeteiligung entwickelt. Dadurch ist es für gewinnbeteiligte Manager lohnenswerter, in Mitarbeiter zu investieren. Deutsche Wissenschaftler haben dann Varianten dieser Humanvermögensrechnung entwickelt.

Wo liegt hier der menschenverachtende Ansatz, den die Unwort-Jury unterstellt? Personalentwicklung fördert die Persönlichkeitsentwicklung und die Möglichkeit, gestärkt in Gehaltsverhandlungen zu gehen. Erhöht dies – was nicht einmal zwingend ist (s.o.) – zugleich den Shareholder Value, ist das ein fairer Deal, der beide Vertragspartner besser stellt. Was spricht dagegen, wenn „Humankapital“, Gehalt und Shareholder Value steigen? Nur ein anti-kapitalistisches Ressentiment: Das verwegene Vorurteil, ein verbessertes Humanvermögen bringe allein Vorteile für die kapitalistisch beherrschte Unternehmung und ermögliche dem Finanzkapital nur eine bessere Ausbeutung.

Tatsächlich ist aber Bildung von Humanvermögen seit Jahrhunderten der Weg zur Emanzipation von Menschen, selbst wenn es auf diesem Weg auch Holper- und Stolpersteine gibt, wie das Neschle bei der „Ademischen Ludenknechtschaft“ (Leon Neschle 16) gezeigt hat! Denn schließlich macht erhöhtes Humanvermögen auch seine Ausbeutung lohnender. Bei „richtigem“ Einsatz stärkt es allerdings auch die Position des Humanvermögensträgers, manchmal so sehr, dass er nun umgekehrt „das Finanzkapital“ seinen Zielen „unterordnen“ kann.

– Dritter und letzter Teil verfolgt Dich noch! –

Kosten macht er nun einmal

der Mensch als Teil vom Personal.

Doch seine Arbeit hat erst Sinn,

wenn sie betrieben mit Gewinn.

Ist das nicht so, wird er entlassen,

auch wenn das manche gar nicht fassen.

(Kapitale Fortsetzung:)

Es rettet uns vor solcher Qual

hohes humanes Kapital.

Und wie Betriebswirte vorzögen,

nennt man es auch „Humanvermögen“.

Jetzt kann der Mensch auf seinem Posten,

was wert sein, statt nur was zu kosten.


[1] Bei der sklavischen Übernahme von Spracheigenheiten waren wir immer groß. Wo betet man „Vaterunser“, wenn es sprachlich korrekt „Unser Vater“ heißen müsste. In England jedenfalls nicht. Da heißt es „Our Father“. Es ist dort(!) ohne Bedeutung, dass die Reihenfolge bei „Pater noster“ sprachbedingt anders ist.

[2] „Arbeitnehmer“ und „Arbeitgeber“ wären Kandidaten für die Unwortwahl. Sie stellen auf zynische Weise den Sachverhalt auf den Kopf, dass die Arbeitnehmer ihre Arbeit geben und ihre Haut zum Markte tragen. Arbeitgeber stellen zwar Arbeitsplätze bereit, aber sie nehmen Arbeit und Leistung entgegen, sind also Arbeitnehmer. Arbeitgeber müsste also „Arbeitsplatzgeber“ oder „Arbeitnehmer“ heißen, Arbeitnehmer entsprechend „Arbeitsplatznehmer“ oder „Arbeitgeben“. Liebe Unwortjury: Diese Unwörtelei gibt es seit mehr als hundert Jahren.

[3] Oder war es „der Drang des Herzens und die Glut der Lenden“?

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