Leon Neschle 19 (26. Woche 2007)

Unwort „Humankapital“
„Untat“ nicht nur des Jahres 2004 (I)

The urge to save humanity is almost always a false front for the urge to rule it. (H. L. Mencken)

Eigentlich ist die Wahl von „Humankapital“ zum Unwort des Jahres 2004 bedeutungslos für den Ökonomen. Was stört es die deutsche Eiche … !? Diese Wahl ist jedoch das Musterbeispiel für Dummverstand bei denen, die hierzulande ihr Geistespharisäertum zelebrieren und sich dabei als Bildungselite feiern oder feiern lassen wollen. Neschles Essay zur „Dummheit dieser Gescheiten“ hat daher sogar drei Teile, denn alle[r] bösen Dinge sind drei(st), und fällt entsprechend deftig aus:

A. Ökonomisches Denken macht blind für den Wert des Menschen!

Hätte es eines Beweises bedurft, wie dusselig Philologen in Fragen der Wirtschaft sein können: 2005 nach Christus haben sie den Beweis erbracht: mit der Wahl von Humankapital zum Unwort des Jahres 2004. Bisher hatten sie zu ökonomischen Fachbegriffen geschwiegen, ob aus Weisheit oder Unkenntnis wusste niemand. Jetzt haben sie geredet und sich ins Dasein der Ökonomen genötigt. Zum Vorschein kamen die blanke Ignoranz und die abgrundtiefe „Dummheit der Gescheiten“.

Normalerweise sind Stoßstange, Morgenstund oder Müßiggang aller Laster Anfang. Für die Unwort-Jury ist es „Humankapital“. Dieses Wort mache blind für den Wert des Menschen, sagt die Jury. Ökonomen wissen offenbar nicht, dass man nicht alles zählen kann, was zählt. Und dass nicht alles zählt, was man zählen kann:

Macht aber die Kenntnis des Preises eines Weins die Geschmacksnerven taub für dessen Aromen, die Augen blind für sein Farbspiel, die Nase unsensibel für den Duft, den Geist unempfänglich für dessen Geschichte? Es gibt offenbar Leute, die das denken. Sie sind ausnahmslos keine Ökonomen. Die denken genau umgekehrt: Wer den Preis eines Weines kennt, versucht eher dessen Wert zu ergründen und das zu erkennen, was diesen Wert ausmacht.

Die gute Absicht spricht Neschle der Jury gar nicht ab. Gepaart mit Dummheit gilt aber die Weisheit Dantes: Mit guten Absichten ist der Weg zur Hölle gepflastert. – Frei interpretiert: Ein hartes Herz kann man nicht durch ein weiches Hirn ersetzen! (Neschle sollte anfangen, seine „Sprüche“ zu sammeln!) Auch eine Verdrehung der Tatsachen unterstellt Neschle nicht. Tatsachen muss man kennen, ehe man sie verdrehen kann. Diese Philologen sind ehrliche Mäkler, was sie aber nicht schützt vor dem Makel der Torheit, der sie zu Maklern des Dummverstandes macht.

Solche Leute setzen Fische auf Bäume, um sie vorm Ertrinken zu retten. So trieft die Begründung für das Unwort Humankapital vor Moralin und stockt vor lauterer Dummheit: „Der Gebrauch dieses Wortes … fördert … die primär ökonomische Bewertung aller denkbaren Lebensbezüge, … degradiert nicht nur Arbeitskräfte in Betrieben, sondern Menschen überhaupt zu nur noch ökonomisch interessanten Größen“.

Mit Grauen denkt Neschle an die Mediziner, die von der Leber auf Zimmer 112 oder vom Raucherbein auf Station 3 sprechen. Leber und Raucherbein, das wären grandiose Unwörter, die den Menschen auf einen Teil reduzieren, dazu noch auf einen kranken. Vergessen die Mediziner nicht den Menschen, der daran hängt? Betrachtet der Gynäkologe seine Frau beinahe so, wie der Zuhälter die Prostituierte, nur ein wenig kranker und nicht ganz so geldgeil?

Wie stark muss der Schädelfraß nagen, bevor man so denkt? Wie war das? Der Gebrauch des Wortes Humankapital „fördere die primär ökonomische Bewertung aller denkbaren Lebensbezüge“, degradiere Menschen zu „nur noch ökonomisch interessanten Größen“. Was ist dann erst mit dem Gebrauch der Wörter ‚Leber’ oder ‚Raucherbein’ durch menschenverachtende Mediziner?

Neschle wartet nun darauf, dass ‚Erbgutträger’ oder ‚Deckhengst’ zum Unwort des Jahres wird. Damit fühlt er sich auf Fortpflanzung reduziert. Das arme Pferd könnte aber nichts dafür, dass die Jury das Denken nicht seiner Spezies überließ. Pferde sind nämlich nicht doof. Sie wetten jedenfalls nicht auf Menschen, schon gar nicht auf Philologen. – Bei ‚Gebärmaschine’ hört freilich bei Neschle der Spaß auf. Doch was verunglimpft, kann auf einen Miss-Stand hinweisen. Das hat auch etwas Gutes, weil es den Keim der Veränderung nährt.

Unsere liberale Gesellschaft erlaubt jedem, so ignorant und dösig zu sein, wie er will und kann. Doch wer seine demonstrative Abscheu über die Sprachverkommenheit seiner Landsleute ausgießt, sollte so viel echtes Humankapital haben, um darüber urteilen zu können. Gefühltes Gutmenschentum reicht nicht, wenn Oberlehrer der Sprachkultur mit herrischem Zeigefinger auf die dekadente Sprachverwahrlosung deuten. Das kennen wir von Pharisäern: Wie gut, dass ich nicht bin wie jene Sünder dort! Gut, dass ich bin wie jene Menschenverwerter, die im Menschen nur das Nutzvieh der Wirtschaft sehen und Unwörter propagieren, bei denen ihre Mitmenschen gar nicht anders können als andere auch nur noch auf diese Weise wahrzunehmen!

Hat das Wort „Humankapital“ wirklich diese magische Kraft? Neschle glaubt da eher an die Kraft der Worte als an die der Wörter.

B. Personalkosten, Ehrenmord, Heuschrecken: gescheiterte Unwörter.

Man kann den gutmenschlichen Philologen gar nicht böse sein, dass sie nichts von Humankapital verstehen und in der Ökonomie nur eine Anleitung zum Geldverdienen auf Kosten anderer sehen. Das ist die allgemeine ökonomische Ignoranz in diesem. Lande. Die der Philologen an erster Stelle. In weiten Bereichen ist unser Dasein und Denken ent-ökonomisiert. Am stärksten offenbar dort, wo sicherheitsversorgte Beamte in wirtschaftsfernen Arbeitskoppeln blutleere Steckenpferde aufzäumen, über Unworte nach- oder Rechtschreibreformen verdenken. Doch können wir uns das Leben noch leisten, wenn wir es weiter entökonomisieren? Was wird, wenn wir die Philologisierung vorantreiben? Können wir Philo- oder Anthropologen noch bezahlen, falls wir sie dann noch brauchen wollen?

In der Denkwüste der Philologen erfüllt zudem auch das Wort ‚Personalkosten’ alle Kriterien, die zum Unwort ‚Humankapital’ führten. Darüber hinaus wird der Mensch darin allein negativ gesehen. Als Kostenfaktor(!) oder wie die Jury sagen würde: nur noch als Kostenfaktor“. Das ist schlechter als ein ökonomisch positiver Faktor wie Humankapital. Trotzdem kürte die Jury ‚Humankapital’. Was ließ sie den Bann gegen ‚Humankapital’ richten noch vor (!!!) ‚Begrüßungszentrum’ für ein Auffanglager afrikanischer Flüchtlinge?

Das entartete Schmeicheletikett ‚Begrüßungszentrum’ reiht sich zweifel- und nahtlos ein in die Reihe schönfärbender Schmuckwörter für unmenschliche Abscheulichkeiten, die wie ‚ethnische Säuberung’ mit Recht auf den Index sprachlicher Abartigkeiten gesetzt wurden. Hier hat die Jury sinnvoll gehandelt und Vernünftiges bewirkt. Warum aber rangiert ‚Humankapital’ ranggleich mit solch brutalen Beschönigungen wie ‚ethnische Säuberung’ oder höher im Unwertrang? Warum nicht eher ‚Personalkosten’? Es muss an der Verknüpfung des menschlichen ‚Human’ mit dem Reizwort ‚Kapital’ liegen, das in den Ohren der Jury inhumaner klingt als belastende Kosten.

Da hört Neschle schon den antikapitalistischen Chor nostalgischer Alt-68er Beifall klatschen. Doch die Jury will ausdrücklich „nicht in die marxistische Ecke“ gestellt werden, nur weil ihre Kritik am ‚Humankapital’ gerade aus dieser Ecke mit klammheimlicher Freude begrüßt wird. Die Jury ist allerdings stolz auf den Unisono-Aufschrei der ökonomischen Experten. Ihr stelle sich nämlich die Frage, „ob wir mit der Wortkritik nicht einen Nerv sogar der „Humankapital“-Theorie und ihrer gesellschaftlichen Relevanz getroffen haben“[1]? – Wie sagt man heute: „Na toll!“

Da hat man es nun sogar den Experten der Ökonomie gezeigt, Köpfe mit Nägeln gemacht. „Den Nerv getroffen“ lobt sich die Jury selbst wie ein kommunistischer Funktionär, der die eigene Rede beklatscht. Allerdings ist der Mensch das einzige Wesen, das sich selbst loben kann. Sollte man ihn dafür tadeln? Doch schmunzeln wird man dürfen!

Weil die Unwortjury die Ökonomen hart am Kopf traf, schreien die Getroffenen auf. Da das so gut geklappt hatte, versuchte es die Jury 2005 wieder mit einem Begriff aus der Wirtschaft. ‚Entlassungsproduktivität’ wurde mit Recht gescholten. Wohl wegen des Aufsehens des Unworts ‚Humankapital’ wurden viele solcher Begriffe der Wahl ausgeliefert. ‚Entlassungsproduktivität’ jedoch vor(!!!) ‚Ehrenmord’ zu platzieren, zeugt von einer Verschiebung der Werte oder von Effekthascherei mit einem grobgalaktischen Rundumschlag gegen alles „Wirtschaftliche“. Insofern spricht hieraus die unterschwellige Wirtschaftsfeindlichkeit dieser Jury, die in der Wahl von ‚Humankapital’ bislang ihren ungeistigen Tiefpunkt fand.

So kann es nicht verwundern, dass Münteferings ‚Heuschrecken’ ungekrönt blieben. Diese Bezeichnung für als Ungeziefer-Plage betrachtete Geld-Menschen hatte zwar 2005 das meiste Aufsehen erregt, sie klingt jedoch genügend antikapitalistisch und wirtschaftsverachtend, um offenbar dadurch für die Jury wieder „menschlich“ zu wirken. Aber man muss schon ganz „schön braun“ sein, um sich zu erinnern, wann man zuletzt Menschen als „Ungeziefer“ hinstellte!

Eine vormals gewerkschaftseigene Bank nahm solche Heuschrecken später dennoch gern zur Rettung der Arbeitsplätze in Anspruch. Eine Rettung, die die Gewerkschaft nicht mehr leisten konnte oder wollte. Wofür Heuschrecken plötzlich auch gut sind!?

Das mit den Heuschrecken passt offenbar ins Weltbild der Jury!? Weil sie selbst so wenig Schlimmes an diesem tierischen Vergleich findet, nutzt Neschle das, um die Jury mit einem Ochsen zu vergleichen. Dem ist beim althergebrachten Lateiner allerdings nicht erlaubt, was dem Jupiter erlaubt ist[2].

C. Furz des Ochsen trifft den Nerv, dicker Hund kommt von der Kette.

Bei der Wahl zum Unwort hatte der Sprecher der Jury noch betont, das Wort ‚Humankapital’ habe in der Fachsprache durchaus seinen Platz. Das Problem sei nur, dass sich der Gebrauch in „nichtfachlichen Bereichen“ ausbreite. Er hatte bekräftigt: „Ich will den Wissenschaftlern den Begriff nicht nehmen!“ Da hatte man das Dorf noch in der Kirche gelassen und die Kirche im Dorf!

Doch nachdem sich die Wirtschaftswissenschaftler gewehrt hatten gegen diese Wahl und die rätselhafte Pöbelei schulmeisternder Philologen gegen ihre Kollegen vom anderen Ufer, änderte sich das. Die Jury selbst wählte nun entgegen ihrer Ankündigung die Flucht nach vorn zum Angriff in die Reihen der Wirtschaftswissenschaft. Diese Reihen hatte sie anfangs umsichtig gemieden. Jetzt entblödete sie sich aber nicht mehr, die Wirtschaftswissenschaftler wegen dieses Unworts zu schmähen und ihnen neunmalkluge Ratschläge zu erteilen.

Der geistige Kohl, den der gemeine Philologe täglich verdauen muss, führte zu mentalen Blähungen, gegen die sich die Wahl von ‚Humankapital’ zum Unwort beinahe als Fürzchen ausnahm. Schon das stank den Ökonomen kräftig, doch im Hochnäschen der anti-ökonomischen Einbildungselite wurde es nur allzu gern gewittert, was bei den Ökonomen wiederum als Miefmultiplikator wirkte. Insoweit ist „ein Nerv“ der Wirtschaftswissenschaftler getroffen. Doch nicht jeder Furz eines Ochsen ist ein verheerender Luftangriff. Aber er belästigt, wenn der Ochse jäh einen Raum betritt und dabei auf die Witterung von Leuten trifft, die diese Spezies sonst selten schnuppern.

Die Jury stellt zwar nur die Frage: „ob wir nicht einen Nerv sogar der „Humankapital“-Theorie … getroffen haben?“ Suggestiv wird sie dabei aber „die Humankapital-Theorie“ der Ökonomen direkt getroffen:. – Was aber meint die Jury mit „der Humankapital-Theorie“? Es gibt doch allenfalls Ansätze zu einer solchen Theorie. Wenn man so angreift, sollte man doch ein wenig mehr wissen!

Man könnte nun die strunzdummen Selbstüberheblichkeiten der Jury völlig unbeachtet lassen. Doch deeskalierendes Herunterschlucken jeder sozial verbrämten Absurdität führt dazu, dass die Klugen am Ende von den Dummen regiert werden. Die werden bekanntlich nicht alle. Mit ihnen die Dummheit. Denn die Türsteher unserer Sprachkultur lassen einen noch viel dickeren Hund von der Kette:

„… mit welcher Sicherheit soll denn der … menschliche Anteil an der Leistungskraft von Unternehmen wie der ganzen Gesellschaft berechnet werden, wenn im wirtschaftspolitischen und –praktischen Handeln das sog. „Humankapital“ von inzwischen mehr als fünf Millionen und mit jeder weiteren Massenentlassung auf den Müll geworfen wird. Was hat die Theorie da noch mit der Realität zu tun? Realität ist doch wohl, dass das „Humankapital“ grundsätzlich dem „shareholder value“ untergeordnet wird. … Auch sollten sich die Experten einmal einer Debatte über etwas weiter gefasste anthropologische Fragestellungen nach dem Wert von Menschen öffnen, der nicht nur in Euro oder Cent berechnet werden kann.“

Beim letzten Punkt kann Neschle beruhigen: Nicht alles, was uns außer Geld bereichert, wird von Ökonomen als unökonomisch abgetan. Auf der Suche nach Bestimmungsfaktoren des Humankapitals haben ökonomische Jäger und Sammler so ziemlich jede fette Weide in den Niederungen von Psychologie, Soziologie und Anthropologie abgegrast und eher leichtsinnig selbst kaum brauchbare nebulöse Erkenntnisse vereinnahmt. Von solchen Bemühungen scheint die Jury nichts zu wissen oder wissen zu wollen.

Doch auch bornierte Ökonomen müssen nicht jeden kümmerlichen Erguss blutleerer Gehirnwindungen aufnehmen, der mit schwülstigen Worthülsen in karge Einöden geistigen Stillstands ver-führt. Vernebelnde Wortschleier phänomenalen Geschwätzes am lallenden Bande, mit Heideggerschen Unschärfen mystifizierte Sätze, die auf vielen Wegen vom Nirgends zum Nichts führen, mögen Philologen begeistern. Ökonomen nicht! Denn die müssen sich an und in der Praxis beweisen, nicht allein bei Mitbewohnern elfenbeinerner Türme eines vergeistigten Wolkenkuckucksheims.

Wenn die Jury schon apodiktische Hinweise für Ökonomen gibt, könnten ihre Mitglieder auch selbst die Theorieentwicklung zum „Humankapital“ vorantreiben. Das armselige Ergebnis solcher Bemühungen lässt aus obiger Argumentation erahnen und ebenso sein Untergang im Wettbewerb der Ideen. Denn in der Argumentation der Jury gehen unvermengbare Gedankenbrösel einen ungenießbaren Argumentationsbrei ein. Da geht es um Berechnung oder besser: ‚Messung’ von Humankapital. Im selben Satz ohne Verbindung um etwas ganz anderes: den realen Verlust von Humankapital durch Massenentlassungen[3].

Warum soll der reale Verlust von Humankapital die Sicherheit seiner Messung behindern? Zum Meßergebnis muss man doch dann nur den Zeitpunkt der Messung hinzufügen: Sind in einer Badewanne hundert Liter und ich lasse zehn Liter ab, habe ich vorher hundert und hinterher neunzig. Warum behindert das Ablassen des Wassers die Sicherheit der Berechnung? Es relativiert sie in der Zeit. Eine zeitunabhängige Messung des Humankapitals ist jedoch selbst beim einzelnen Menschen nur möglich beim völligen geistigen Stillstand, jenem krankhaften Stumpfsinn, den Mediziner Stupor nennen. Warum kommt der Jury ausgerechnet der in den Sinn?

Das Messproblem ist klar: Mit jeder Entlassung in Deutschland vermindert sich hier das in Unternehmungen gebundene Humankapital. Bei einer Verlagerung der Arbeitsplätze nach Polen oder China erhöht sich dort das in Unternehmungen gebundene Humankapital. Bei konstantem Beschäftigungsstand bewirken Aus- und Weiterbildung in Unternehmungen eine Erhöhung des Humankapitals. In jedem Land gibt es aber auch Humankapital, das nicht an Unternehmungen gebunden ist, wie das unserer Unwort-Jury. Manchmal fällt das durchaus ins Gewicht.

Das blanke Wort ‚Humankapital’ bewirkt zudem nichts für dessen Verlust durch Entlassungen. Entlassungen gibt es nicht wegen des Unwortes ‚Humankapital’, sondern trotz(!) des Verlustes von realem(!) Humankapital. Oder glaubt die Jury, irgendetwas würde besser, wenn man den Menschen nur als Kostenfaktor betrachtet?

Mit Ignoranz erklärt man Entlassungen nicht, noch schafft sie ein naiver Sozialwunsch aus dem Weg oder macht sie auch nur erträglicher. Unverständnis richtet mehr Schaden an als es hilft bei Problemen, die ihre Ursache in diesem Unverständnis haben. Oder glaubt die Jury, dass eine ‚de-florierende’ Wirtschaft in Deutschland dem herausragenden ökonomischen Verständnis hierzulande geschuldet ist und nicht dem Unverständnis? Gerade Philologen, die unsere Schulausbildung formen, und Regulierungsbeamte, die zwar die Wirtschaft beeinflussen, sich aber nie mit ökonomischem Wissen belasten mussten, spielen dabei eine tragische Rolle.

– Die Fortsetzung verfolgt einen im nächsten Essay –

Der Ökonom, der Bösewicht,

der kennt den Wert des Menschen nicht.

Der wahre Wert ist ihm egal,

ist nur „humanes Kapital“.

Den wahren Wert, den kennt viel näher

der Philologenpharisäer.

Es meldet sich der Ethi-krat,

erteilt so manchen Ethik-rat,

den unmenschlichen Ökonomen

versorgt er stolz mit Sprachkondomen.

Auf diese Weise gut behütet,

wird auch der Böseste „vergütet“.

Ist man im Fach auch Dilettant,

man tut als sei alles bekannt

und scheut sich nicht dem fremden Fache,

keck zu erklären dessen Sache.

Ist dessen Reaktion auch Hohn,

erfühlt man simpel ihn als Lohn.


[1] Man sollte die Sprachkompetenz dieser Sprachbewacher selbst in Frage stellen! Solche Presseverlautbarungen weisen diese ‚verbalen Vorturner’ nicht gerade als Akrobaten ihrer Disziplin aus. Wer der gute Hirte der Sprachdisziplin sein will, sollte sich ihr selbst unterwerfen und nicht in relevanztriefendes Soziologendeutsch der Alt-68er abrutschen. Selbst die meisten 68er sind da heute „ein Stück weit“ weiter. Ja, aber hallo!!!

[2] Quod licet Jovi non licet bovi! Frei übersetzt: Was dem Jupiter erlaubt ist, ist noch lange nicht jedem Ochsen erlaubt!

[3] Warum nur eine Massenentlassung“ zum Verlust von Humankapital führt ist ohnehin unklar. Es deckt in Freudscher Weise auf, welche Geisteshaltung dahinter steht: Es geht nicht gegen den kleinen Handwerker – dazu sind die verbalen Saubermänner zu sozial -, sondern gegen die großen Konzerne. Aber muss ein Handwerker einen Mitarbeiter entlassen, ist das meist relativ mehr Brain-Drain als bei der Entlassung von Tausenden durch einen Konzern. Wenn das viele Handwerker tun, summiert sich das auch absolut schnell auf das Volumen mehrerer Massenentlassungen von Großunternehmungen.

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Eine Antwort auf „Leon Neschle 19 (26. Woche 2007)“

  1. Die Dummheit der Jury ist schon daran zu erkennen das sie das Unwort des Jahres 2004 „Humankapital“ schon 1998 auf ihrer Liste hatten und es auf Platz 3 der Rangliste setzten. Jedoch „Oh wie schön ist es dumm zu sein“ hierfür eine ganz andere Begriffsbestimmung sowie Begründung genommen haben. Naja morgen ist dann Ökonom nicht mehr Ökonom und Auto nicht mehr Auto. In 2 Jahren wird dann der Duden wieder geändert.
    Nachzulesen ist dies ab 1991 auf http://www.unwortdesjahres.org

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