From a TOP- to a POT-Model oder:
Germany’s Next Topfmodel
Endlich ist sie da: die Alternative zum schwuchtelnden Kleiderständer!
Ich schreibe an einem Lehrbuch über Finanzmanagement. Es ist spät und wie im Finanzbereich üblich habe ich eine Krise. Müde bin ich und will mich entspannen. Da komme ich ins Wohnzimmer. Meine Frau schaut fern: Heidi Klum (35, 1,76 m, angeblich: 91–69–94): „Germany’s Next Topmodel“. Ich setze mich dazu. Schöne Mädels? Die muss ich sehen! Das ist Entspannung! Normalerweise!
45 von 1.100 Mädels haben sich in Düsseldorf versammelt. Die schönsten ihrer Spezies?! Von denen werden 25 ausgewählt in halbnackigem Laufwettbewerb, den man bei Männern „Eierlauf“ nennen würde. Nach ein paar belanglosen Photos von überforderten Kandidatinnen wird deren Zahl auf 15 reduziert. Die Kriterien der Jury bleiben ein Geheimnis, auch für die jubelnden oder heulenden Kandidatinnen.
Die Jury besteht aus einer Frau (Heidi Klum) und zwei Männern (?), mindestens einer davon stockschwul (!). Der ist – anders als viele Schwule – nicht gerade eine Mode-Ikone mit seinem beigefarbenen Rautenpulli. Ihm traue ich allenfalls zu, schwule Männer leidlich zu beurteilen. Vielleicht auch das, was ein gutes Model nach dem Geschmack schwuler Modeschöpfer ist. Dafür sitzt er wohl in der Jury! Aber wie soll er darüber urteilen können, was mir als bekennendem Lesben gefällt???
„Schöne Frau“ ist relativ: Wir lieben nicht, was schön ist, sondern wir finden schön, was wir lieben. Das unterscheidet sich bei mir und diesem Juror beträchtlich. Eigentlich würde der lieber einen hüftschwingenden, schlacksigen Jüngling mit schwuchtelnd schlendernden Schwabbelgang auf dem Tomcatwalk begaffen als eine fehlerlose Frau auf dem Catwalk. Der imaginäre Jüngling bestimmt sein Schönheitsideal. Und er hat das Sagen, ich das Nachsehen. Gesucht Model: Geschlecht weiblich, Aussehen unsäglich knäblich! Dieses knabenhaft, nimmt mich hier in Knabenhaft.
Da wundert es mich nicht, dass ich morgens zuvor noch Vernichtendes von Modeschöpfern über Heidi Klum selbst lesen musste: Heidi Klum ist nicht direkt mein Typ oder gar Beuteschema, doch ich müsste lügen, sie richtig unvorteilhaft zu finden.
Auf die Frage der Bild-Zeitung, ob Heidi Klum in ihrer eigenen Show gewinnen würde, polterte Wolfgang Joop: ”Nein, auf keinen Fall! Sie ist kein Laufsteg-Model! Heidi Klum ist einfach zu schwer, hat vielleicht sogar zu viel Oberweite. Und sie grinst geradezu dümmlich[1]. Das ist nicht Avantgarde – das ist Werbung!”
Louisa von Minckwitz (45, „Louisa Models“) erklärt: “Heidi ist leicht hüftig, mit sinnlichen Rundungen. Die optimalen Catwalk-Maße sind jedoch 87–58–88. Mit 1,76 Meter fehlen ihr noch knapp fünf Zentimeter“. Heidis Maße, nach Dabbelju Joop wohl besser: Heidis Masse: 91–69–94.
Zu klein, zu fett, zu „hüftig“ für den Katzenstrich??? Da fragt man sich allen Ernstes, wie viel Größe und Verstand den Leuten aus der Modebranche fehlt, die stattdessen diese gehbaren Kleiderständer ausmodeln. Und ehe Wolfgang und Louisa fragen, was Heidi in der Jury zu suchen hat, sollten sie eher an die beiden „männlichen“ Mitjuroren denken. Gegen die war Bruce Darnell ein echter Heuler! –
Mein erster Kontakt mit Heidis Sendung war Stress und Zickerei. Von wegen Entspannung! Da beschwert sich ein Großkind von Kandidatin namens Tessa weinerlich darüber, eine Konkurrentin versuche ständig sie nachzuahmen. Sie lässt und lässt nicht locker. Doch sie kommt eine Runde weiter. Der Spannung zuliebe immer kurz nach ihrer Lieblingsfeindin. Bis dahin muss sie schlucken und schluchzen. Doch Tessa kann am Ende grinsen, obwohl sie erklärt, sie würde sogar unlautere Mittel verwenden, um das Topmodeln hier zu gewinnen. Com-Tessa; geh’ Tessa!
Ist das echt mit dem Gezicke oder wieder mal ein Fake, für die Story? Ein Mitglied der Jury spricht von Paranoia. Offenbar finden das einige spannend oder lustig, wie die Beatles in einer Jamsession: „Los Paranoias, come on enjoy us!“
Heidi Klum macht es spannend mit der Verkündung der Model-Auswahl oder zieht es in die Länge, so oder so empfunden, ganz nach Interesse für die Sache. Zum Schluss aber behauptet sie ganz fest und sicher: „Ich hab’ nur noch einen Namen!“
Das verblüfft mich schon sehr und sie lässt mir viel Zeit nachzudenken: „Heißt sie jetzt nur noch Heidi? Oder nur noch Klum? Oder gar Seeaal?“ Dann aber klärt sie auf: Sie meint nur den Namen der letzten Kandidatin auf ihrer Liste. Die hat dann noch eine Chance den Titel zu erringen und Germany’s Next Topmodel zu werden. –
Doch wer will in der gegenwärtigen Wirtschaftskrise überhaupt solch nichtsnutzige Laufkleiderständer, die wegen der merkwürdigen Auswahlkriterien dieser Jury nicht einmal als „Herrendiener“ taugen?
In dieser Krise brauchen Männer etwas Nützliches und Handfestes wie das „Bratkartoffelliebchen“ nach dem Krieg. Dafür aber muss es eine neue Show geben! Ich schlage vor: „Germany’s Next Topfmodel“. Für die Frauen gibt es ja schon ähnlich Nahrhaftes: „Bauer sucht Frau“! Warum dann nicht „Mann sucht Topfmodel“?
Das wichtigste Kriterium steht fest: Die Kandidatinnen müssen so wenig verbissen und verbiestert sein und mindestens so selbstbewusst, dass sie sogar über sich selbst lachen können. Alles andere wäre zum Heulen. Wie bei Heidis Kandidatinnen!
Herr Joop! Selbst wenn Heidi ihren eigenen Wettbewerb nicht gewinnen könnte: Bei „Germany’s Next Topfmodel“ hätte sie eine Chance. Falls sie nicht TOP-Model werden kann, hat sie beim POT-Model noch alle Chancen. Klingt ja auch ähnlich: Man muss ja nur die beiden Buchstaben um die Null herum austauschen. Für Legastheniker (Bechstabenverwuchsler) ist das sogar dasselbe.
Der Sieg könnte ihr sogar gewiss sein, vorausgesetzt Heidi könnte außer als Kleiderständer über den Katzenstrich zu schwuchteln und über sich selbst zu lachen ein wenig kochen (Ich kann das sehr gut!) oder sich sonst nützlich machen (Das kann ich leidlich!). Könnte sie sich außer über Mode auch über Fußball und Rockmusik unterhalten (Nicht über nur über Seeaal!) wäre sie unschlagbar. Ich habe da keine Zweifel: „1derful Heidi is ‚Germany’s Next Potmodel’! W8 4 the Klum 2 cum! She’s got a lot 4 the pot!“
[1] Heute sagte mir eine superblonde Studentin, die früher ganz schwarze Haare hatte, sie habe gerade einen Unfall unbeschadet überstanden. Ich schaute auf ihre blonden Haare und zwinkerte ihr zu: „Hat nicht doch ihr Gehirn Schaden genommen?“ – Unberechtigt, wie ich bei der nachfolgenden Prüfung feststellen konnte. Herr W. Joop: Heidi ist blond, aber nicht blöd! Also Wolfgang, Du fällst immer noch auf die alten Blondinenwitze rein.
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