Na, wie stehen die Akazien?
Übles gegen Übelkeit
Die Guten gegen die Bösen: Das ist das Schema eines jeden Westerns, eines jeden Krimis, das Motto von Holly- und Bollywood. Jetzt auch an der Börse!
Bisher werden etwa 130 „Ethikfonds“ im deutschsprachigen Raum gehandelt. Im Anlageverhalten gebärden sie sich „nachhaltig“, ökologisch, sozial oder religiös motiviert. Eine Auswahl von Anlagetabus gefällig? Gen- und Biotechnologie, Kernkraft, Produktionen mit Tierversuchen oder Rüstungsgütern.
Mittlerweile wird auch religiöser Purismus bedient. In den USA haben Anleger beim AVE-MARIA-CATHOLIC-VALUES-FOND die Möglichkeit, nur in Anteilen zu investieren, die strikteren katholischen Moralvorstellungen entsprechen. Da scheiden auch noch Erotikanbieter und Produzenten von Anti-Babypillen aus. Und Spiel-Höllen sowieso! Dieser Fonds erzielte mit 7,63 Prozent im Vergleichszeitraum etwa zwei Prozent weniger als der Vergleichsindex Standard & Poors 500.
Es ist sicher ein schönes Gefühl für die so motivierten Anleger, dass sie ihr selbstgefühltes Gutmenschentum, ihre autosensitive Bonhomie, ausleben und es sich etwas kosten lassen „dürfen“. Das gute Seelengefühl macht diesen „Verlust“ locker wett. Und zum Glück ist es ja kein richtiger Verlust, sondern nur ein Gewinnentgang! Man hätte halt etwas mehr bekommen, hätte man in „weniger moralische Aktivitäten“ investiert. Man stelle sich jedoch vor, dieser Ethik-Fond würde auch noch höhere Gewinne erzielen! Da wäre wohl keiner glücklich. Auch die Anleger nicht.
DWS, die Tochter der deutschen Bank, tritt jetzt voll in oder an die Seite dieser „Guten“. Sie bietet Anlegern in den Arabischen Emiraten nun mit Unterstützung von Islam-Gelehrten Scharia-konforme „Noor Islamic Funds“ an. Da sind etwa Unternehmungen ausgeschlossen, die Glückspiele anbieten, Alkohol herstellen oder Schweinefleisch verarbeiten. Da ist Lucy, meine kluge Hündin, froh: In Hundefutter ist ja nie Alkohol oder Schweinefleisch. Und von Glücksspielen versteht sie auch nicht viel.
Bei all diesen Anlagemöglichkeiten für unsere selbstgefühlten Gutmenschen naht nun die Rettung für jene Bitterbösen, ohne die sich die Guten niemals so gut fühlen könnten. Messen heißt eben vergleichen! Und wenn man bei sich selbst das „Gute“ misst, braucht man dazu das „Schlechte“ als Maßstab. Je schlechter das „Schlechte“ umso besser das „Gute“, vor allem wenn der „Gute“ es selbst misst.
Jetzt ist das „richtig Schlechte“ da! Auch an der Börse! Der „Vice-Fund“ ist geboren. In den USA natürlich, dem Land des öffentlichen Biertrinkens aus tütenverhüllten Bierflaschen. Wo sonst? Als Kontrapunkt zu all den pharisäischen Ethikfonds. Er gibt nun den Lastern eine Anlage-Chance, nicht nur im Menschen, sondern auch an der Börse. Alkohol, Glücksspiel, Zigaretten: alles kein Problem.
Und die Performance? Na, ratet mal! Um mehr als 50 Prozent über dem Vergleichsindex Standard & Poors 500. Das Schlechte performt fast doppelt so „gut“ wie die guten Ethik-Fonds.
Das ist aber auch gut für die Ethik-Fans. Das hebt ihre Moralität geradezu in den Himmel. Pervers, aber wirksam genug, um nun alle Moralischen noch ein wenig moralischer erscheinen zu lassen. Denn nun können sie quantitativ ausdrücken, wie viel ihnen ihre Moralität wert ist. Und das umso besser, je mehr die Bösen mit dem Laster-Fond verdienen.
Schlimm genug, und doch gut, dass es ihn gibt den „Laster-Fond“. Sonst würde einem bei der Scheinheiligkeit mancher Ethikfonds noch übel! Neschle hält es da ein wenig mit Bertrand Russell: “I can only say that, while my own opinions as to ethics do not satisfy me, other people’s satisfy me still less.”
Vielleicht läuft das Ganze auch nach dem Prinzip von These, Antithese und Synthese. Dann sind wir am Ende vielleicht wieder normal! Und wir tragen dann nicht mehr unsere Tugendhaftigkeit sogar an der Börse vor uns her. Vielleicht sind wir dann auch irgendwann wieder gut genug, um bescheiden zu sein. –
Na, was ist nun? Wie stehen die Akazien? Zum Heulen? Also alles in feuchten Lappen? Na, dann brennt wenigstens nichts an!
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In einem Film, wo der ewige Kampf zwischen den “Guten” und den “Bösen” stattfand, sagte ein kleiner Junge: “Die Guten sind genau so wie die Bösen, sie lügen nur mehr…”