Neschle-Depeschle 4

Ob sie es wohl tun? Wohltun!
Das wär’ fein! Doch eher: Nein!

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Für den kleinen Hunger zwischendurch: Der schnelle Einwurf in den Strafraum

Auch das Gute hat zwei Seiten. Eine gute und eine böse. (Jerzy Lew)

Entgegen dem, was manche meinen: Unternehmen sind keine Wohlfahrtsinstitute. Das können sie im harten internationalen Wettbewerb auch gar nicht sein. Ja, aber warum nur tun dann einige so?

Neschle hat dafür einen neuen Begriff geprägt: Übers-Ohr-Heucheln. Wie das geht, das zeigt er hier an drei Beispielen. Zwei hatte er schon parat, da kam einer wie ein teuflisches Engelein mit Datum 7. März 2007 hereingeflattert. Und in allen Fällen zeigt sich Perfidie wie noch nie.

A. Vodafone kommt mal wieder so davon. Oder?

Da bekommt Neschle Post am 7. März 2007. Von Vodafone! Darin steht wörtlich (Klammerzusatz von Neschle!):

„Helfen Sie uns die Umwelt zu schützen: Nutzen Sie die Vodafone-Online Rechnung

Sehr geehrter Herr Prof. Prof. (tatsächlich doppelt, beim Dr. ginge es ja noch!) Dr. Neschle (Name wegen der Reaktion geändert!),

um natürliche Ressourcen zu schonen, möchten wir unseren (Kommt Neschle noch drauf!) Papierverbrauch drastisch senken. Denn für jede Million Kunden werden jährlich 1.000 Bäume verbraucht (Kommt auch!) – und das nur für die monatliche Rechnung. Helfen Sie uns aktiv (Kommt erst recht!), zum Umweltschutz beizutragen: Nutzen Sie künftig nur noch die papierlose Online-Rechnung im Internet. …

Ab der übernächsten Rechnung erhalten Sie ihre Rechnung ausschließlich in elektronischer Form … . Falls Sie trotzdem weiterhin Ihre Papier-Rechnung bekommen möchten, informieren Sie uns bitte innerhalb von 6 Wochen. … „

Ist doch schön, wenn sich wenigstens hier einer um den Umweltschutz kümmert: Oder? Aber ausgerechnet Vodafone!? Dann fangen wir mal an:

  1. Vodafone senkt seinen eigenen Papierverbrauch drastisch. Wunderbar! Und ich drucke an meinem PC mit meinem Papier und meiner Tinte die Rechnung aus. Oder ruft jemand mein Finanzamt an und fragt, ob die künftig auf Papierbelege verzichten? Die werden doch eher schlimmer und fordern für jedes Gespräch einen Einzelnachweis mit deutlich mehr Papier! So sind die drauf! Also wer und wie spart man da überhaupt(???) außer Vodafone selbst?Aha! Da steht ja auch nur „wir“(!) senken „unseren“(!) Papierverbrauch um „1.000 Bäume“. Das heißt im Klartext Kostensenkung bei Vodafone. Und was hat der Kunde davon? Gar nichts! Er hat es dann angeblich „praktisch und bequem“(Was soll da praktischer und bequemer sein als jetzt?). Mehr nicht! Der Rest geht an Vodafone!
  2. 1.000 Bäume = 1.000 gute Taten? Neschle würde sich freuen, wenn die weit mehr als 1.000 Bäume, die seit Kyrill im Umkreis von nur 2 Kilometern um Neschles Haus immer noch in den Wäldern liegen, mal auf Rechnung oder auch auf Rechnungen von Vodafone entsorgt würden.
  3. Neschle soll „aktiv“ helfen, sagt das Schreiben!? Seltsam! Da hat er etwas falsch verstanden: Muss er jetzt anrufen, wenn es dafür ist, dass Vodafone die 1.000 Bäume spart. Das wäre „aktiv“! Aber es war doch anders: Er muss anrufen, wenn alles bleiben soll wie bisher, wenn er verhindern will, dass Vodafone die Umwelt schützen darf und nicht er selbst, weil er die Rechnung nicht mehr ausdrucken muss! Warum schreiben die „aktiv“, wenn es ihnen viel lieber ist, dass Neschle passiv bleibt, seine Klappe hält und keine Papierrechnung mehr verlangt.
  4. Was ist das überhaupt für ein Stil? Da ändert Vodafone einfach und einseitig den Vertrag und wenn Neschle nicht widerspricht, hat er angeblich zugestimmt? Achtet mal drauf, liebe Gemeinde, das wird immer mehr Stilelement unserer Unternehmungen! Der Verbraucher wird mit einseitigen Änderungen konfrontiert, die im Vorhinein bereits als abgenickt gelten, falls er nicht widerspricht. Da ist Vodafone überhaupt kein Einzelfall und sie sind nicht die ersten! Hier ist der Gesetzgeber aufgerufen diese invasive Form des „stillen Vertragsbruchs“ zu verhindern. Vor allem wenn derjenige, der den Vertrag bricht, der einzige ist, der von diesem Vertragsbruch profitiert.
  5. Und jetzt kommt die eigentliche Nummer, die in dem scheinheiligen Schreiben gar nicht erwähnt wird: das Porto! Die Zustellkosten! Warum werden die nicht genannt? Und das obwohl Vodafone bei der Zustellung für Neschle – wie umweltfreundlich – einen privaten Zustelldienst benutzt und nicht die Post, die sowieso jeden Tag kommt. Dieser Zustelldienst bläst daher zusätzlich Abgas in die Luft. Warum hat Vodafone da nicht an die Umwelt gedacht?! So plötzlich fällt sie Vodafone ein! Warum erwähnt Vodafone die Portoersparnis nicht? Und die Abgasersparnis bei fehlender Zustellung? Diese Ersparnis dürfte wichtiger sein für die Umweltbilanz als die 1.000 oder x-mal Tausend Bäume, die ohnehin daliegen.Neschle weiß es: Weil hier das wirkliche Sparpotential liegt! Man möchte ab er nicht, dass der dummdreiste Kunde es merkt. Man will offenbar auch nicht, dass der Kunde etwas vom Kuchen haben möchte und so wird wie Vodafone selbst: Gierig!

Damit kein Missverständnis entsteht: Gewinnstreben begrüßt Neschle ausdrücklich und es ist wichtig, dass immer mehr Menschen verstehen, dass es wichtig ist und bei entsprechenden Rahmenbedingungen auch sozialer als die allermeisten Projekte selbstgefühlter Gutmenschen! Doch der Wolf erscheine als Wolf! Und der Haifisch trage die Zähne im Gesicht. Schafspelze sind Heuchelei; das Messer, das man nicht sieht, ist Scheinheiligkeit. Das Gute hat eben wirklich zwei Seiten: Und hier ist das eindeutig die böse!

B. Luftfahrt hält die Luft rein. Ein Widerspruch?

CO2-Belastung und Kerosingeflimmer, das bringt man mit der Luftfahrt in Verbindung. Aber Luftreinhaltung?

Moment! Da war doch was! Als die meisten Regierungen noch über Rauchverbote nachdachten, da waren die meisten Fluggesellschaften längst so weit: Rauchverbote! Zuerst allein auf Inlandsflügen, dann auch darüber hinaus.

Wie hat man das verkauft? Natürlich als Ausdruck eines natürlichen Helfersyndroms, als Schutz der ansonsten restlos und rechtlos eingenebelten Nichtraucher. Und was war wirklich dahinter? Was meint ihr, liebe Gemeinde?

Mamas gelbe Gardinen weisen uns den Weg: Es sind die Reinigungskosten und die Zeit, welche die Reinigung von Raucherkabinen und –kabinetten zusätzlich verschlingt. Die Flieger sollen immer schneller für Folge- und Anschlussflüge bereitet werden. Und der Rauch versaut auf Dauer auch das beste Lüftungs- und Luftfiltersystem mit seiner schmierigen Teerdecke. Das kostet!!!

Vorher sind die Raucher also sogar doppelt auf Kosten der Nichtraucher geflogen:

  1. auf Kosten von deren Gesundheit und
  2. auf Kosten von deren Kosten. Denn die Nichtraucher haben aber die raucherbedingten Reinigungskosten mitgetragen!

Diese Reinigungskosten fallen jetzt weg und dieser Wegfall kommt der Fluggesellschaft zugute. Das aber will man eben nicht sagen, um die Begehrlichkeit der dummen und frechen Kunden nicht anzuheizen. Darum fährt man die Masche: Edel sei der Mensch, hilfreich und gut. Doch wieder ist es nur die böse Seite des Guten.

C. Alle Jahre wieder. Perfidie zur Weihnachtsmelodie!

Seit Jahren schon in Mode: „Werter Kunde, Lieferant, …. . Wir haben uns [in unserer unendlichen Güte] entschlossen, dieses Jahr zu Weihnachten keine [ohnehin völlig nutzlosen] Geschenke zu machen. Stattdessen spenden wir für einen sozialen Zweck [den wir uns natürlich aussuchen!].“

Was soll nun daran perfide sein? Verehrte Gemeinde, das ist doch klar! Hat den schon einmal jemand nachgehalten, wie viel für Weihnachtsgeschenke ausgegeben wird oder worden wäre und wie viel dann tatsächlich gespendet wird. Neschle hat das früher einige Male gesehen. Die höchste Spendensumme betrug 50 Prozent der Kosten für Weihnachtsgeschenke, die niedrigste nicht einmal 10 Prozent.

Mag ja sein, dass sich heute alles geändert hat. Neschles Informationen stammen noch aus der DM-Zeit aus dem vorigen Jahrhundert. Heute legen die Firmen wahrscheinlich noch etwas drauf, zahlen also 150 Prozent.

Doch warum berichten sie dann so gut wie nie darüber? Es heißt doch: „Tue Gutes und rede darüber!“ Oder heißt es tatsächlich: „Tue Dir was Gutes und rede nicht darüber!“?

So bekommen wir hier wieder nur die böse Seite des Guten zu sehen. Und die versteckt sich allzu gern. Auch hinter sozialem Weihnachtsschmuck! –

Da fällt Neschle zum Schluss nur der Lichtenberg ein (und natürlich danach wie immer der scharfe Sexzeiler): Es ist eine alte Regel: „Ein Unverschämter kann bescheiden aussehen, wenn er will, aber kein Bescheidener unverschämt.“ Da lobt sich Neschle die „Verschämten“!

Können wir mal Kosten sparen,

darf kein Kunde es erfahren.

Und dies ist kein schlechter Rat:

Verkaufen wir’s als gute Tat!

Der Kunde denkt, wir sind sozial,

ja das ist wirklich ideal.

(Die echte Alternative:

Der Kunde weiß, wir tun „sozial“,

für unser Image ist’s fatal!

Merke: Kunden sind auch schlau!)

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2 Antworten auf „Neschle-Depeschle 4“

  1. Hallo Herr Neschle,

    vorab ein großes Lob für diese Seite. Ich lese die Essays aus Essen regelmäßig und mit großem Interesse! Hier mal eine andere Facette!!

    Das einseitig Gute ist der Altruismus, der in Wahrheit ein verkappter Egoismus ist. Den vielgepriesenen Altruismus gibt es nämlich nicht. Denn diejenigen die gutes tun tun dies nicht aus reiner Nächstenliebe, sondern weil sie selber sich danach besser (gut) fühlen, warum sollten sie es auch sonst tun?? “Altruismus” setzt somit Egoismus voraus, weil es anders keinen Sinn machen würde.

    Wenn Unternehmen “altruistisch” gut (von außen betrachtet) handeln, wird immer zu fragen sein wo der Egoismus (das vermeintlich schlechte) liegt. Wo kein Kläger da kein Richter und Informationsintransparenz sei dank wird dies auch in Zukunft so bleiben. Das Wesen des Guten liegt nun mal in dessen Relativität und das ist absolut gesehen ziemlich ernüchternd.

    Vodafone aber auch die Telekom (eigene Erfahrung) werden immer bestrebt sein durch diverse Maßnahmen Kosten zu senken. Populär ist heute der Umweltschutz, morgen vielleicht ein anderes trojanisches Pferd als Vehikel der Durchsetzung. Kohl sprach auch von blühenden Landschaften und meinte eigentlich potomkinsche Dörfer, nur das der Adressat in diesem Fall keine Zerbst sondern ein ganzes Volk war.

    Die Durchsetzung von Veränderungen ist mit dem populären Thema Umweltschutz leichter als mit der plumpen Begründung: “Wir wollen die Kosten um 10 % senken”. Fragt sich ob es irgendwen interessiert die Kosten des Unternehmens sinken zu sehen. Denn wir Menschen sind ja keine Altruisten!! Das Kostensenkung Effizienzsteigerungen bedeutet, und diese mittel bis langfristig der gesamten Wirtschaft zugute kommen, interessiert den kurzsichtigen Verbraucher nicht. Andererseits würde er vielleicht auf das Angebot der Telekommunikationsunternehmen eingehen.

    Eine Frau wird auch schöner wenn sie sich schminkt, aber noch schöner wenn der Verehrer ein par Bier zu sich genommen hat. Am besten ist immer die Kombination beider Tätigkeiten, wodurch dann die gemeinsame Nächtigung letztlich zustande kommt. Solange beide davon profitieren frage ich mich wieso nicht? Der benommene Verbraucher nimmt das Angebot des reichlich aufgetakelten Unternehmens war, und beide meinen etwas gutes zu tun. Die einen für die Shareholder und damit für sich selbst, die Anderen für ihr Gewissen und damit ebenfalls für sich selbst.

    “Jeder ist sich selbst am Nächsten und jeder Nächste ist wie man selbst”

  2. Guten Tag Herr Neschle!

    Schreiben Sie doch mal etwas zu den ‘Wohltaten der Reichen’! Ein Mexikaner, der jetzt Nummer 2 nach Bill Gates ist, hat die Stiftung des Herrn Gates kritisiert und Unternehmertum eingefordert. Das würde mehr für das Soziale bringen als die Stiftungstätigkeit! Etwas Ähnliches meint wohl auch der erste Kommentator “Diogenes”. Also machen Sie dieses Fass mal auf!

    Beste Grüße
    Ihr Erpelkönig

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