Take OPM, Use OPI, and Make IPO!
Neschle-Depeschle-Neschle-Depeschle-Neschle-Depeschle-Neschle-Depeschle
Für den kleinen Hunger zwischendurch: Der schnelle Einwurf in den Strafraum
Money never starts an idea; it is the idea that starts the money. (William John Cameron)
Nimm anderer Leute Geld (OPM = Other People’s Money), nutze anderer Leute Ideen (OPI = Other People’s Ideas) und mach’ den Börsengang (IPO = Initial Public Offering)! Darüber geht es hier darunter.
Dass Ideen Geld machen und nicht umgekehrt, ist richtig. Aber es sind nicht einfach Ideen, sondern Meta-Ideen: Die Ideen zur wirtschaftlichen Verwertung von Ideen. Nicht die Idee wird belohnt, sondern ihre Umsetzung! Ihre pekuniäre Verflüssigung.
Ideen gibt es genug! Alles war schon einmal da, aber vielleicht nicht in dieser Kombination! Also geht es mit OPI. Auch Geld ist genug da. Der Markt der Venture Capital-Gesellschaften ist davon überschwemmt. Also bekommt man OPM. Was also fehlt? Es fehlen Leute mit Wissen, wie vorhandenes Wissen (OPI) vermarktet wird, die zugleich das Vertrauen derjenigen haben, die das OPM liefern. Die sind zwar im Besitz von Geld, denen fehlen aber zwei Ideen: Produktideen und Vermarktungsideen. Und es fehlt Ihnen das Vertrauen, dass jeder mit ihrem Geld verantwortlich umgeht. Bei der Knappheit der Leute, die OPM erhalten, um dann mit OPI den IPO zu machen, kann es kaum verwundern, dass diese damit gut verdienen. Manchmal werden für ihren Kapitaleinsatz exorbitante Renditen errechnet. Doch ist das richtig?
A. Wahnsinnsrenditen bei innovativen Firmen?
Taucht man in die Welt der Start-ups ein, sind 300%, 500% ja sogar 1000% Rendite keine Seltenheit. Jedenfalls wenn man darauf schaut, was und womit diese angeben. Das relativiert sich freilich im Portfolio des Business Angels oder der Venture Capital-Gesellschaft, in dem es häufig auch Komplettversager gibt.
Jeder aber, der den Kapitalmarkt nur für halbwegs effizient hält, kann solche Renditen wie die obigen nicht verstehen. Und er hat Recht damit, denn sie lassen sich nicht erklären! Auf einem effizienten Markt lassen sich keine Überrenditen erzielen. Verdient wird dort immer nur der risikofreie Grundzinssatz zuzüglich eines Risikozuschlags, der hier immer ein „korrekter Preis“ für das tatsächliche Risiko ist. Insoweit gibt es auf einem solchen Markt keinerlei Überbezahlung für übernommene Risiken.
Diese Risikozuschläge im Zinssatz sind bei Start-ups sehr hoch. Aber bei halbwegs effizientem Kapitalmarkt sind Zuschläge von mehreren hundert Prozent selbst dort sehr unwahrscheinlich. Das bedeutet entweder,
– dass es ein extrem ineffizienter, intransparenter und eben kein effizienter Kapitalmarkt ist, auf dem diese Renditen erzielt werden und /oder
– dass ein Denkfehler bei der Berechnung dieser Renditen gemacht wurde.
Es stimmt beides. Die Intransparenz des Marktes erlaubt in Ausnahmefällen sicher auch extrem hohe Renditen. Mag sein, dass auf diese Weise Überrenditen von 20, 50, ja 100 Prozent erklärbar werden. Aber damit mit sind wir noch nicht beim Kern. Selbst dann bleibt nämlich eine Erklärungslücke zu einigen exorbitant hohen Renditen. Wie diese geschlossen werden kann, zeigt der abstruse Nachweis, dass gerade Arbeitnehmer extrem hohe „Kapitalrenditen“ erzielen.
B. Extremrenditen bei Arbeitnehmern!? Was zählt der Zähler, was nennt der Nenner?
Ist der Zähler groß, der Nenner klein, gibt es hohe Quotienten. Auch ein hoher Zins ist ein solch hoher Quotient und im obigen Fall heißt er nicht zu Unrecht „großer Bruch“. Das erklärt sich, wenn man einen Arbeitnehmer betrachtet und für seine Tätigkeit eine Rendite errechnet:
Nehmen wir einen Arbeitnehmer, der 32.000 €/Jahr verdient. Dabei investiert er nur Fahrtkosten von 2.000 € jährlich in seine Tätigkeit. Wie hoch ist die Rendite seiner Investition?
Zunächst einmal müssen wir den Überschuss errechnen, also die Tilgungssumme von 2.000 € für den Kapitaleinsatz vom Bruttoertrag abziehen. Macht 30.000 €. Dieser Nettoüberschuss ist auf den Kapitaleinsatz von 2.000 € zu beziehen. Ergebnis: (30.000 / 2.000) = 1.500 Prozent. Eine wahrhaft königliche Rendite. Ein Wucherzins! Warum da noch Leute ihr Kapital woanders anlegen?
Moment mal, sagt hier der Neschle-Leser! Der Arbeiter setzt ja hauptsächlich seine Arbeitkraft ein. Macht es da Sinn, eine solche Kennzahl zu bilden und den Kapitaleinsatz in den Nenner zu setzen? Oben stehen doch faktisch nur Erträge seiner Arbeitskraft. Dann kommen natürlich solch absurd hohen Renditen zustande.
Aber wer sagt, dass nicht dieselbe Absurdität der Berechnung von Extremrenditen bei Start-ups zugrunde liegt? Niemand! Und doch tut alle Welt so, als seien hier alle Erträge im Zähler allein dem Einsatz des Kapitals zu verdanken. Als seien es echte Kapitalrenditen.
Das wäre sicher der Fall bei „stupid money“, wenn (beinahe) bloßes Geld investiert wird und wenig Arbeitskraft eingesetzt wird. Beim klassischen Bankkredit ist das der Fall, obgleich selbst der nicht völlig „stupid“ ist, sondern auch Einsatz von Arbeitskraft verlangt, von der Vertragsgestaltung bis zur Überwachung der Zinszahlungs- und Tilgungsaktivitäten. Manchmal wird dafür ein separater „Arbeitspreis“ als Gebühr erhoben, häufig ist aber auch das Arbeitsentgelt Teil der Zinszahlungen.
In deutlich extremerer Weise ist Arbeitsentgelt Ertragsbestandteil beim „Smart Capital“. Hier verbindet sich die Kapitalhergabe mit der Einbindung in Netzwerke, der Beschaffung von Erstaufträgen und unternehmerischer Beratung. Genau diese Art von Kapital erhalten die Start-ups. Trennt man hier nicht zwischen den Erträgen der Faktoren Arbeit und Kapital, geschieht dasselbe wie bei der Berechnung der Rendite für den Arbeitnehmer. Auch hier fällt die Rendite extrem hoch aus, weil zusätzlich Arbeitserträge in den Zähler eingingen, der Arbeitseinsatz im Nenner jedoch unberücksichtigt bleibt. – Was wäre zu tun, um ein realistischeres Bild zu erhalten?
C. Kann man trennen, was untrennbar ist? Vom Aberwitz der Kennzahlitis.
Sinnvolle Kennzahlen verlangen, dass Zähler und Nenner nicht nur in einer formalen mathematischen Beziehung zu einander stehen. Gefordert wird zusätzlich „ökonomischer Sinn“. Daher sollte hier eine Inputgröße im Nenner stehen und ein Brutto- oder Nettooutput im Zähler. Output und Input sollten sich dabei entsprechen:
Betrifft der Output im Zähler Erträge eines Faktors, der sich nicht als Input im Nenner wiederfindet, verliert die Kennzahl ihren Sinn, soweit man beim Renditevergleich nicht von der Konstanz der ungenannten Inputgrößen ausgehen kann.
Beim Vergleich von „stupid money“ und „smart capital“ ist aber gerade der Einsatz des Faktors Arbeit sehr unterschiedlich. Im Nenner würden also völlig unterschiedliche Kombinationen der Einsatzfaktoren Kapital und Arbeit stehen. Das gilt auch für die Erträge im Zähler, die beim „smart capital“ zum großen, meist sogar zum größten Teil dem Faktor Arbeit zugerechnet werden müssen. Ein Renditevergleich mit „stupid money“ wäre daher nur sinnvoll, würde der Nenner auch den Arbeitsinput enthalten oder könnte man den Arbeitsertrag im Zähler herausrechnen. Beides ist nicht ohne Tücken:
- Die Hinzufügung des Arbeitseinsatzes im Nenner erfordert dessen Bewertung. Das Ergebnis wäre eine Kennzahl, welche nach Abzug des Arbeitseinsatzes im Zähler[1] die Nettoerträge beider Produktionsfaktoren ins Verhältnis zum gesamten Faktorinput beider Faktoren setzt. Eine Verzinsung im klassischen Sinn ist das nicht mehr. Die setzt nämlich voraus, dass das eingesetzte Geld „vollkommen stupid“ ist oder beim Zinsvergleich zumindest „überall gleich stupid“. Es ist eine kombinierte Faktorproduktivität von Arbeit und Kapital.
- Den auf den Faktor Arbeit entfallenden Ertrag im Zähler herauszurechnen, ist ebenso problematisch. Unterstellt wird (wie unter 1.), dass sich die Erträge beider Produktionsfaktoren additiv verhalten. Sind die Beziehungen zwischen den Faktoren jedoch synergetisch, wäre eine solche Annahme nicht zulässig, unabhängig von den Bewertungsschwierigkeiten im Einzelnen.
Bleibt festzuhalten: Es ist eigentlich unmöglich, Arbeits- oder Kapitalerträge zu isolieren. Tut man das aber nicht, arbeitet man mit unbrauchbaren Kennzahlen. Wie das gängige Schrifttum. Es vergleicht nämlich Renditen von „stupid money“ mit denen von „smart capital“ und berechnet für Letzteres Renditen wie Neschle weiter oben für den Arbeitnehmer. Das ergibt dann völlig abstruse Folgerungen über riesige Kapitalrenditen für „smart capital“, die es auf einigermaßen funktionsfähigen Kapitalmärkten gar nicht geben kann.
Bei der relativen Transparenz der Kapitalmärkte ist es also unmöglich, solch exorbitante Renditen allein dem Faktor Kapital zuzuordnen. Der intransparentere Markt für Know-what und Know-how, dessen Erträge aber dem Faktor Arbeit zugerechnet werden, bietet viel mehr Möglichkeiten für solche Königs-Erträge. Die führen dann unter dem falschen Etikett „Kapital-Erträge“ zu Kaiser-Renditen.
Angesichts dessen ist die alleinige steuerliche Zuordnung der Erträge von „smart capital“ zu den Kapitaleinkünften verfehlt, wenn auch vorteilhaft für den Investor. Denn die Steuerlast bei Arbeitserträgen fiele höher aus. Doch wie will man die Erträge trennen bei kombiniertem und synergetischem Einsatz beider Faktoren. Das Problem löst sich derzeit mit bloßer Willkür und reiner Konvention. Tradition ist aber eben oft nur Schlamperei. Mit dieser Schlamperei leben wir jeden Tag. Denn das gesamte Schrifttum schläft in dieser Frage. Na dann: Gute Nacht!
OPM und OPI,
die sind meistens mit dabei,
wenn Leute große Chancen sehen
und deshalb an die Börse gehen.
Dann werden sie auch richtig froh,
gelingt Ihnen der IPO
(Fortsetzung:)
Falls jetzt noch hunderte Prozent
der Financier sein eigen nennt,
dann geht fast niemals diese Zahl
zurück auf pures Kapital.
Denn nimmt man’s hier einmal genau,
liegt’s meist am Einsatz von Know-how.
[1] Der Zins ist eine Größe folgender Art: [Output – Input] / Input. Also 100 Euro eingelegt, nach einem Jahr 103 Euro erhalten bedeutet: [103 -100] / 100 = 3 Prozent. Beim Fußball wäre das die Kombination von Tordifferenz und Torverhältnis, also von Torüberschuss zu „Toreinsatz“ (Input), was hier die gegenerischen Tore sind, die man quasi als Input für die eigene Torschießerei (Output) betrachtet. Daher ist der Arbeitsinput im Zähler zu tilgen, wenn er in den Nenner aufgenommen wird. Im Zähler steht dann allein der „Überschuss“, beim Faktor Arbeit eine merkwürdige Idee.
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Ich finde diesen Beitrag sehr gelungen, denn er zeigt wie vermeindlich offensichtlich richtiges bei genauerer Betrachtung “falsch” sein kann.
Aber tun das nicht alle Beiträge?
😉
Diogenes hat Recht! Der ganze Neschle will im Grunde zeigen: Worauf alle Fliegen sitzen oder fliegen, da liegt vermutlich Sch…! –
Man stelle sich hier nur einmal die Konsequenzen vor, könnte man die Erträge den Produktionsfaktoren exakt zuordnen. Die gesamte Besteuerung würde revolutioniert. Zur Zeit lässt sich aber Arbeit sehr gut hinter niedriger besteuerten Kapitalerträgen verbergen. Man muss nur das Richtige tun, was für den Staat nicht nach Arbeit aussieht: Know-how und Netzwerk einbringen! 😉