Leon Neschle 17 (24. Woche 2007)

Manche Holländer machen Käse,
manche Österreicher einen Schmarren!

Patriotism is your conviction that this country is superior to all other countries,
because you were born in it. (George Bernard Shaw)

Neschle sagt es vorneweg, weil er es sonst gar nicht sagen kann: „als Deutscher“! Er meint weder die Holländer oder die Österreicher. Er meint sogar auf keinen Fall (!!!) die Holländer und die Österreicher, mit denen er bislang gern Kontakt hatte und hat. Auch die anderen weitaus mehrheitlichen Überhauptallermeisten dieser beiden Spezies sind superenorm nett. Einfach Klasse! Ach, was! Mindestens doppelt Klasse! So, der Deutschenvorspann bei solchen Themen wäre schon mal geschafft. Dann steigen wir mal sprachlich ein:

Deutsche Sprache, schwere Sprache[1]. Ein „Anführer“ kann sein Volk gleich doppelt „anführen“, entweder indem er vor ihm steht oder das Volk durch ihn hinterm Licht. Es kann sogar beides zusammenkommen. Dann wird es schlimm! Von „Selbstgerechtigkeit“ spricht man, wenn jemand sich selbst nicht gerecht wird. Und man „übersieht“ nur dann wirklich alles, wenn man überhaupt nichts übersieht. –

In diesem Essay geht es um lange Schatten, die ein unaussprechlicher „deutscher“(?!) „Anführer“, ein vegetarischer „Anstreicher“ aus B. in A., immer noch auf „die Deutschen“ wirft, und es geht um von „Deutschen“ (hier nicht „die Deutschen“) begangene Untaten! Es geht ums „Übersehen“ und ums Übergehen, um „Selbstgerechtigkeit“, mit der man sich selbst nicht gerecht wird, um pharisäerhafte Fingerzeige auf andere und den narzisstischen Blick in den eigenen Spiegel: „Oh, wie bist Du schön! So was hab’n wir lange nicht geseh’n, so schön, so schön!“

Das ist beinahe(!) das „Lied der Deutschen“, wenn eine ihrer Frauschaften eine sportliche Prüfung erfolgreich bestanden hat. Es kennzeichnet aber auch den selbstgefälligen Blick zweier kleinerer Nachbarn (Die anderen vergessen wir heute!) im Norden und Süden, wenn sie sich mit Moffen (NL) aus Poepenland oder mit Piefkes (A) vergleichen.

Zu besonderen Höhenflügen bringt einige dieser „kleinen Nachbarn“ ihre Selbstgefälligkeit, wenn sie die Zeituhr zurückdrehen und Gedächtnis und Denkfähigkeit bei ihnen zugleich zum Tiefflug ansetzt. Damals als die Deutschen sogar noch brauner und böser waren, gab es bei den Niederländern niemals nie gar keine Kollaborateure. Ganz Österreich gehörte dem Widerstand gegen den urdeutschen[2] Widerling A. H. an. Aus Austria sollte so ein ausgemachter Ausbeuter kommen? Nie! –

A. H.? Alfred Hitchcock?’ – Nee, hat aber auch mit „Psycho“ Geschichte geschrieben! Sogar „in echt“! Nicht bloß „in Film“! – ‚Apropos Film: Arnold Hasenschlecker?’ – Nee, heißt anders, kommt später, aber auch aus A.! –

Neschle erlebt ganz andere A.H.-Effekte zum Teil noch heute im Umgang mit diesen Nachbarn. Fangen wir unten an: bei den Niederländern, weil sie auf der Landkarte oben stehen!

A. „Ik ben woedend!“ Oder: Wie gemein kann Unterstützung sein?

Der Niederländer ist für den Engländer – der hier und heute „Ruhetag“ hat – „the Dutch“, die Niederländer sind „the Dutch people“[3], was etwa „die Deutschländer“ heißt und hierzulande nach „Bockwürstchen“ klingt. Dieser Name macht den Niederländer für den Engländer zum eigentlichen „Deutschen“ gegenüber dem „German“ (Fast zu verwechseln mit „germ“, dem Krankheitskeim!).

Die niederländische Nationalhymne behauptet: Wilhelm von Oranien, der sein damals noch „niederdeutsches(!) Vaterland“ mit zwiespältigen Gefühlen gegen Spanien und den deutschen Kaiser anführte, ist „von deutschem Blut“. Der alte Nassauer kam aus Siegen und siegte dann mit den und für die Niederländer. Dennoch ist der Festkörper des Niederländers von heute– vom Blut einmal abgesehen – dem ureigenen Selbstverständnis nach völlig undeutsch statt urdeutsch. Manchem „Dutchen“ ist es sogar peinlich, die erste Strophe der eigenen Nationalhymne zu singen. –

Solingen 1993. Ein schlimmer, ja schlimmster Übergriff von Rechtsradikalen auf eine türkische Familie mit fünf Todesopfern. Jeder vernünftige Deutsche – das sind sicher mehr als 95 Prozent – ist betroffen, die Mehrheit sogar innerlich verwundet. Neschle ist schockiert und schrecklich böse (Also so wie immer!). Er ist wütend oder von Ohnmachtsgefühlen heimgesucht[4]. Dann kommen sie hereingeflattert in dieses angeschlagene Deutschland: 1,2 Millionen Postkarten aus den Niederlanden mit einem einzigen Satz: „Ik ben woedend!“ geschrieben an Helmut Kohl.

Wütend über den perfiden Anschlag ist auch Neschle, noch heute und ganz kräftig. Doch dazu brauchte er nicht diese Hecken-Schützenhilfe. Ein wenig meta-wütend ist er daher auch über die niederländische Kampagne „Ik ben woedend!“. – Warum eigentlich? Sie hat doch Neschles eigenes Gefühl zum Ausdruck gebracht! –

Ja, das ist richtig! Aber bei den meisten der 1,2 Millionen Kartenschreiber reichte die eigene Moralität zwar für Karte und Briefmarke: Also für einen Gulden, um sich einen flotten Gewissensabort mit spontanem Geistesdurchfall zu beschaffen. Aber sie reichte nicht, um sich in die Seele der gequälten Nachbarn zu versetzen oder auch nur den eigenen Garten mal ein wenig ordentlicher zu jäten.

Proteste von Deutschen in Deutschland gegen diese Vorfälle beachtete die niederländische Presse kaum, schwieg sie tot. So boykottierte die niederländische Presse den Moralitätsanspruch der Mehrheits-Deutschen! Durch diesen „Presseboykott“ entstand beim Niederländer ein gewissensgefühlter Moralitätskrater im ausländerfeindlichen Deutschland, in den er nur eines hineinwerfen musste: „Ik ben woedend!“ „Natuurlijk net opgeheven vingertje“! Und schon war es wieder gut! Ihm jedenfalls!

So half man presse-mäßig der Wut der Niederländer nach. Dann stellte der moralisch überhöhte, niederträchtige Niederländer ganz Rest-Deutschland, in der Größe also Niederlande mal x minus vier (Attentäter), in den moralischen Schatten, um sich selbst im Glanz seiner orangefarbenen Moral zu sonnen. –

Eine solche Unterstützung mit „falschen Motiven“ ist für Neschle störend, nicht hilfreich. Lob von den Falschen wirkt bei ihm nicht als Lob, sondern als Tadel oder Beleidigung. Daher war er entsetzt über die moralische Hybris und Selbstgerechtigkeit dieser Niederländer. Die Interviews des holländischen Fernsehens erstrahlten in der tugendhaften Erleuchtung von „Bessergewissern“, die ihre pharisäerhafte „Wut“ über die(!) ausländerfeindlichen Deutschen deklarierten oder deklamierten. Es triefte nur so von selbstgefühltem Gutmenschentum. Für Neschle immer ein Zeichen, dass etwas faul ist!

Denn mit dieser Entrüstung über deutsche Ausländerfeindlichkeit ging ganz arglos die eigene Deutschfeindlichkeit einher[5]. Man regte sich mit Recht über die Untat auf, die begangen wurde „alleen maar omdat ze buitenlander zijn“. Das hinderte aber keineswegs daran, die Deutschen zurechtzuweisen, nur weil sie Deutsche waren und die moralische Qualität der Proteste von Deutschen zu missachten.

Über so viel Widersprüchlichkeit konnte Neschle nur staunen. Er saß vor der Glotze und er war sich nicht sicher, ob er nicht schon selbst „die Glotze“ war, so glotzte er. Vor lauter Unglauben über das Unglaubliche, das er sah und hörte! Ebenso wie bei Neschles früheren und späteren schlechten Erfahrungen (die guten überwogen zum Glück bei weitem) mit unseren goudan Nachbarn, von denen einige nachfolgend erzählt werden (Neschle wohnt ja beinahe fast direkt an der Grenze):

  • Es war 1969 in Earls Court (London). Da saß Neschle mit einem jungen Niederländer an einem Tisch. Der ließ sich durch kein Argument von der Ansicht abbringen: „Die Deutschen sind ‚von Natur aus’(!) das aggressivste Volk der Welt.“ Dass Holländer (nicht „die Holländer“!) in ihren Kolonien eher stärker gewütet hatten als Deutsche, die „Buren“ Südafrika noch im eisernen Griff hatten, machte ihn nicht verlegen. Neschle sollte sich schämen, Deutscher zu sein. Er sollte allein die ganze Last der Verantwortung für alle deutschen Untaten der Ära von A.H. übernehmen, die er niemals selbst miterlebte.Das war sogar einem Polen zu viel, dessen Eltern vor A.H. in die USA geflüchtet waren und er ergriff Neschles Partei. In den Augen des jungen Niederländers half das nichts. Er hatte mit den Deutschen abgeschlossen, obwohl er gerade zwanzig war. Neschle kann sich gut vorstellen, dass dieser Niederländer mehr als zwanzig Jahre später „Kartenaktivist“ war: „Ik ben woedend!“ Ja, Neschle aber auch!
  • In den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts war Neschle zu einer Klausurtagung mit Doktoranden in Schloss Marienthal bei Kleve. Er machte einen Ausflug nach Nijmegen (Nimwegen). Obwohl sich seine Doktoranden dezent verhielten, wurden sie vor dem Rathaus mehrfach angepöbelt und als „Nazis“ beschimpft. Alle Beschimpften außer Neschle waren nach 1960 geboren, die Pöbler waren aus allen Alterstufen, älter und jünger. Blank entsetztes Staunen bei den Angepöbelten! Sie gaben uns nicht einmal die Chance, die möglicherweise noch „verständlichen“ Motive der Älteren zu hinterfragen.
  • Das neue Jahrtausend ist bereits in die Jahre gekommen, da ist Neschle mit einer Gruppe Studenten Gast an einer niederländischen Hochschule. Am ersten Abend steht der Besuch eines Museums an. Als Neschle mit seinen Studenten zum Bus zurückkehrt, erzählt der Fahrer: Jugendliche hätten seinen Bus mit rohen Eiern beworfen. Er habe den Bus reinigen wollen und ihn erleuchtet. Damit die Batterie nicht zu Schaden komme, habe er den Motor angeworfen. Eine durch das Motorgeräusch des „deutschen Busses“ belästigte Anwohnerin alarmierte die Polizei. Die raste mit zwei Motorrädern heran. Der Busfahrer versuchte, die „freundlichen“ Polizisten mit Hinweis auf die Eierwürfe zu beschwichtigen. Mit Mühe konnte er ein Bußgeld abwenden. Als er sich erneut beschwerte, sagte einer der Polizisten: „Wenn Sie nicht mit Eiern beworfen werden wollen, müssen Sie zuhause bleiben!“ – Da lag das Jahr 2000 schon einige Zeit hinter uns, die Zeit von A.H. war fast 60 Jahre vorbei.Am nächsten Morgen gab es zwar Entsetzen bei unseren Gastgebern, verwundert war aber niemand. Weder dort noch bei der Polizei wurde die Sache weiterverfolgt. Der Vorfall war zwar „ein wenig peinlich“, aber „normal“.Neschle sieht das freilich anders, besonders wenn sich ein niederländischer Polizist so äußert: Also Super ist super und normal ist Normal auch normal, aber das darf im 21. Jahrhundert nicht mehr „normal“ sein!

Neschle könnte mehr solche Episoden erzählen. Alle mit dem Inhalt: Angriffe von Leuten, die er nicht einmal kannte und für die es nur einen einzigen Grund gab: Neschle firmierte als Deutscher. So wie der einstmals gefeierte Wilhelm von Oranien in der ersten Strophe der niederländischen Nationalhymne. Das Verbot Menschen geringer zu achten, „alleen maar omdat ze buitenlander zijn“, gilt aber wohl nur für Deutsche, nicht für den Umgang von Niederländern mit ihnen.

Neschle hat das ausgehalten. Er hat sich an Earls Court und seine ‚in der Natur’ liegende Aggressivität erinnert, die Niederländer gar nicht an sich haben. Er schaut nicht hin, wenn holländische Fans Frankreichs Stadien sauber zerlegen. Wenn Holländer das tun, tun sie es entweder nicht oder sie sind keine Holländer.

Er könnte erzählen, wie seine Töchter von unbelehrbaren jungen(!) Leuten in Holland behandelt wurden. Oder wie friedlich diese „Flachlandtiroler“ auf den alpinen Skipisten unterwegs sind[6]. Aber er will das nicht! Er hat genug mit sich selbst zu tun und den Dumm-Deutschen. Umso mehr seit der Anti-Faschistische-Schutzwall geöffnet ist, der entgegen der Propaganda offenbar die Faschisten in der DDR geschützt hat.

Daher bleibt diese Klage eine Ausnahme, schon weil Neschle mit jeder Menge Niederländern hervorragend zusammenarbeitet. Er mag sie sehr, unsere „platten Nachbarn“! Gerade deshalb tun ihm die von einigen Niederlandsleuten verursachten Seelenschrammen weh! Wären ihm seine Niederländer egal, wäre es ihm egal und er würde keinen Neschle darüber schreiben!

Der gemeine Niederländer ist tolerant gegen Ausländer, wenn es nicht gerade Deutsche sind. Zu tolerant gegen deren Extremisten meinen heute plötzlich manche dort und sagen es sogar laut seit der Ermordung von Pim Fortuyn. Hätten sie ein wenig weniger narzisstisch, weniger selbstgefällig in den eigenen Spiegel geschaut und böse Dinge nicht nur bei den noch böseren Deutschen entdeckt, wären sie schon früher dort angekommen. Sie könnten dann auch dem Ziel unserer Kultur, das den Eingang zur Akropolis markiert, ein wenig näher sein: „Gnóthi seautón!“

Doch statt mit dem „Erkenne Dich selbst!“ im eigenen Garten zu jäten, waren 1,2 Millionen Holländer wütend. Wütend über Deutschland und die Deutschen! Das ist eine „Selbstgerechtigkeit“, bei der sie sich selbst nicht gerecht wurden. Diese Selbstgerechtigkeit glaubt zwar, alles zu „übersehen“, aber sie „übersieht“ doch gern einiges, vor allem bei sich selbst.

Die kritische Nabelschau der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg hat dagegen nichts Vergleichbares in dieser Welt. Das sagt der Neschle jetzt mal deutlich! Er wünschte sich, die Niederländer hätten ein wenig mehr davon, ja und die Österreicher, die Amerikaner, die Türken, die Briten, … . Auch wenn Deutschland nirgendwo ein Vorbild wäre: Hier ist es eins! Sicher!

P.S.: Neschle hat ein wenig niederländisches Blut. Was ihn ‚von Natur aus’ aggressiv macht, ist schlicht, dass sein Restblut deutsches ist. Na dann: „Oranje boven!“ Oder: „Oranje buiten!?“ Nee, da fährt Neschle auf der Autobahn lieber etwas langsamer!

B. Einen Herrn – wos sogens? – Hitler? Na, kennmer nett. Is koaner von hier!

Arnold Schwarzenegger regiert Kalifornien. Noch leugnen die Österreicher nicht, dass er einer von ihnen ist. Das haben sie mit dem Herrn Hitler geraume Zeit lang auch nicht getan, obwohl der 1925 selbst diese Staatsbürgerschaft abgelegt hatte und bis 1932 staatenlos war. Stolz waren die allermeisten „Ösis“ damals auf ihren Exportartikel, viel mehr noch als heute auf „Big Arnie in Kakophonien“.

Auch da sind die meisten (noch) stolz. Wie seinerzeit der Adolf beschäftigt sich Arnold, der Unhold (im Film natürlich nur!), derzeit mit der Optimierung des Tötens, damit die Todesurteile „schön human“ vollstreckt werden können.

Immerhin gab es vor kurzem pikanterweise parallel zu Italiens Aufruf einer internationalen Ächtung der Todesstrafe 300 Lebenslängliche dort, welche zeitgleich die Wiedereinführung der humaneren Todesstrafe forderten. Da kriegt der Arnold authentischen Rückenwind für den Neubau seiner Todeszelle: Morituri te salutant, Arno! Schließlich war die alte Zelle, peinlich genug für ihn als Österreicher, eine umgebaute Gaskammer. Aber was wäre das alles ohne eine hundertseitige Anweisung über „richtiges Töten“ für seine Scharf-Richter, die sich vorher leider zu häufig als Stumpf-Richter entlarvten. Da war es dann halt zu qualvoll!

Noch kennen die Österreicher den Arnold. Anfangs kannten sie ja auch den Adolf. Doch dann änderte sich das. Es ist erstaunlich wie die Österreicher sich selbst und der Welt klarmachten, kein Österreicher hätte A.H. je als „verlorenen Sohn“ in die Arme geschlossen. Dabei war er damals nur ins deutsche Eichenfass abgefüllt und schmeckte dort vielen sogar besser mit diesem „typischen Unterton“. Heute mag keiner diesen „Ausbau“ mehr. Deshalb gab es in A. eine Blitzumschaltung von „Fast alle denken hier großdeutsch!“ auf „Niemand denkt hier groß deutsch!“

Machte man heute eine Welt-Umfrage zum Geburtsland von Hitler, verlegten nach Neschles Erfahrungen die meisten diesen Ort nach Deutschland. Glückwunsch, liebe Österreicher! Das ist eine ausgezeichnete PR-Leistung! Davon können sich die Deutschen eine Scheibe abschneiden! Die haben so viel auf sich selbst geschaut, dass sie es auch nicht mehr wissen, wo der A.H. herkommt.

Die Deutschen haben die Österreicher mit ihrem eigenen (Mit wessen denn nun?) Hitler böse hereingelegt! In Österreich gab es damals (wie heute natürlich) keinerlei Nährboden für Judenhass. Neee! Das musste der Herr Hitler von den Deutschen haben. Dann hat A.H. Österreich unterworfen und alle Österreicher außer ihm selbst sind in den Widerstand gegangen. Den inneren meist, nur deshalb konnte man nicht viel davon merken! So war das! Damals! Und heute?

Selbst wenn Neschle Österreichern einen gehörigen Haider-Rabatt einräumt: Bedenkt man, was in Österreich als „liberal“ durchgeht, macht man sich so seine Gedanken. In Deutschland wäre das jedenfalls rechtsradikal! Würden die Österreicher bei sich so rechnen wie bei den Deutschen, kämen wir dort auf erschreckende Zahlen für ausländerfeindliche Tendenzen. Rechne bitte nach „tu felix Austria“! Bei Dir selbst! Aber lerne erst einmal zu unterscheiden!

Oder schauen wir auf die heutigen Wahlmeldungen aus Belgien! Da erringt eine offen ausländerfeindliche Partei 20 Prozent aller Stimmen und jeder kommentiert das gelassen. Dasselbe in Deutschland? Die Welt würde aufschreien. Dazu reichte schon ein Anteil von Rechtsradikalen wie in Frankreich.

Du siehst eher den Splitter im Auge des anderen als den Balken vor Deinem eigenen, heißt es sinngemäß bei Lukas 6. Mag sein, dass Neschle in diesem Essay nicht nur ein Brett vor dem Kopf hat, sondern einen solchen Balken. Vielleicht verbergen sich ja in Deutschland die Rechten hinter den Linken! So falsch ist das nicht, denkt man an die ausländerfeindlichen Eskapaden von Oskar Lafontaine im Wahlkampf zurück! Und die Linke hat schon zehn Prozent in den Umfragen!

Neschle will sich sofort darum kümmern! Denn es gibt weiter genügend Gründe dafür! (Meldung von heute: Rechtsradikale haben in Halberstadt vierzehn Mitglieder der Theatertruppe Rocky Horror Picture Show nach der Premiere zusammengeschlagen! Der Grund: Wahrscheinlich das Aussehen!) Doch dazu braucht Neschle weder ein „Ik ben woedend“ von den Niederländern noch österreichische „Selbstvergessenheit“ und schon gar keine „Bessergewissenheit“ autosensitiver Bonhommes („selbstgefühlter Guttrottel“, für diejenigen die sprachliche Kleinodien nicht mehr kennen).

Niederländer und Österreicher sollten sich nur mal um ihre kleinen Splitter kümmern! Solche Splitter sind manchmal schwerer zu beseitigen als große Balken. Dann könnten sie sich selbst erkennen: im Spiegel menschlicher Vernunft. So aber versperren ihnen ihre tränenden Augen den Blick auf sich selbst. Die Deutschen haben sich jahrzehntelang selbstbespiegelt – wie denn auch anders mit dem Balken vor dem Kopf – und viele tun das heute noch. Sie haben das meiste an sich selbst auszusetzen. Wäre die Sache mit dem Blick auf sich selbst bei unseren Nachbarn endlich mal geschafft, kann man im Haus Europa ’ne tolle Party feiern und die Deutschen dürften dabei sein. Dann endlich wieder: Mittendrin und auch dabei!

Party feiern können die Deutschen heute wohl am besten mit den Franzosen, mit denen früher fast gar nichts ging. Da haben sich die Zeiten gebessert. In den Niederlanden und vor allem in England ist die Zeit fast stehen geblieben, in Österreich läuft die Uhr von Zeit zu Zeit sogar ein wenig rückwärts, so wie bei Polens Regierung, die sich das polnische Volk zwar in Wahlen selbst erarbeitet, aber nicht verdient hat.

Der deutsche Mensch ist primitiv

und von Natur aus aggressiv.

Der Deutsche wird sich niemals ändern,

denkt mancher in den Nachbarländern.

Bei ihnen selbst ist gar nichts schlecht,

der Deutsche nennt das „selbstgerecht“.

Und nun kommt das Verwunderliche,

das ganz und gar Absunderliche:

Wer so ist, das ist halt sein Stil,

der übersieht bei sich sehr viel,

so kennt er sich dann selbst nur schlecht

und wird sich selbst nicht mehr gerecht.

Und lässt man den Gedanken wandern,

ist er auch ungerecht zu andern!


[1] Deutsche Sprache, schwere Sprache: Es gibt der Regent, die Regent (Dirigent) und das Regent (das oder es regnet): Dieser dumme Spruch begleitet Neschle seit der Schulzeit.

[2] Dabei erhielt A.H. die deutsche Staatsbürgerschaft erst am 25. Februar 1932 in Braunschweig auf kuriose Weise. Er stammt aus Braunau in Österreich und dieses Braune zieht sich bei ihm und Eva Braun sowie in Kad(av)er-Uniformen durch, so wie er andere in und durch das Braune zog.

[3] Die Engländer haben den Niederländern nicht nur das Kuckucksei „the Dutch“ ins Nest gelegt. Sie haben ihnen auch den „Genever“ geklaut und daraus „Gin“ gemacht. Klar, dass sie beim Gin das Ende „ever“ weggelassen haben. Das war doch sowieso klar!

[4] Einige Reaktionen waren damals aberwitzig. So sagte eine englische Schulklasse einen Besuch in Duisburg ab, weil die Eltern glaubten, ihre Kinder seien dort vor ausländerfeindlichen Übergriffen nicht sicher. Die englische Boulevardpresse hatte Hatz-Stimmung verbreitet (vergleiche auch Neschle 3, 10. Woche 2007) und die komplette „Sau Deutschland“ als ein übles „Sau-Deutschland“ durchs englische Unter-Dorf gejagt. – Neschle erinnere Dich!!! England hat heute Ruhetag! –

[5] Eine solche Grundeinstellung mag beigetragen haben zu einer solchen Entgleisung wie der Spuckattacke des Niederländers Frank R. während eines Fußballländerspiels gegen Rudi V.. Rudis Reaktion: Zorniges Dreinblicken. Trotzdem auch für ihn: Platzverweis!

[6] Es gibt im Winter eine feste Flugverbindung zum Rücktransport skiverletzter Niederländer, viele davon vergnügte Wiederholungstäter. Was die wenig beschönigend über ihre Fahrweise erzählen, kann man da auch sehen. Neschle ist im letzten Jahrhundert dem Tod gerade noch von der Schippe gesprungen als sich im steilen Hang der Ski eines Niederländers löste und weniger als einen halben Meter an Neschles Kopf vorbeiflog. (Der Ski hatte, obwohl längst Stand der Technik, keine Skibremse. Ein Fangriemen war vorhanden, aber nicht angelegt!) Der Niederländer lachte nur als der den schreckensbleichen Neschle sah. Er entschuldigte sich nicht! Da dachte Neschle: „Ik ben woedend!“

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