Pauschale abschaffen,
Pendler zusätzlich besteuern?
Ein „Experte“ ist längst kein Fachmann!
Jetzt muss Neschle zur Krähe werden, die sonst keiner anderen ein Auge aushackt und kräftig zupicken auf einen Kollegen, der von der Presse „Experte“ genannt wird: Prof. Dr. Thomas Straubhaar, Direktor und Sprecher der Geschäftsführung des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) und Universitätsprofessor für Volkswirtschaftslehre, insbesondere internationale Wirtschaftsbeziehungen.
Nun mag der Kollege „Experte“ für „internationale Wirtschaftsbeziehungen“ sein und beim üblichen Fachidiotismus auch bleiben. Aber „Experte“ für „nationale Steuer- und Verkehrspolitik“ ist er nicht und wird es nie werden, sofern man „Experte“ nicht als Schimpfwort benutzt. Dennoch hat er sich in der Presse dazu geäußert: „Abgas, Verkehrslärm, Stau oder Parkplatzmangel können gute Gründe sein, die Pendlerpauschale abzuschaffen und sie durch eine Pendlersteuer zu ersetzen.“
Guten Morgen, Herr Professor! Müsste es nicht heißen: „Abgas, Verkehrslärm, Stau oder Parkplatzmangel können gute Gründe sein, das Auto abzuschaffen und eine zusätzliche Autosteuer einzuführen“? Die ganze Scheune abbrennen ist nämlich das Einzige, was auf Dauer gegen Mäuse hilft. Warum aber die Pendler bestrafen und allein die Pendler? Mit Verlaub, Herr Straubhaar, da sträubt sich mein Körperhaar.
Der erste Einwand ist also: Warum greift sich der verwirrte Herr Professor Straubhaar bei den genannten Problemen willkürlich einen Teil der Autofahrer. Wie würde er es finden, wenn nur er von der Polizei aus einem Pulk von zehn Radfahrern herausgefischt würde, die über eine rote Ampel gefahren sind? Zählen denn Gleichbehandlung durch den Staat und steuerliche Gerechtigkeit nichts mehr?
Der zweite Einwand: Aus denselben Gründen, die der „Experte“ nennt, gibt es schon eine Reihe von Steuern auf den Autoverkehr. Bei den Pendlern ist das zusätzlich zu allen anderen bereits eine viel zu niedrige Pendlerpauschale. Soll nun die Reihe dieser Steuern weiter verlängert werden, dann doch wohl nicht nur für Pendler!?
Von grüner Seite werden allein die negativen externen Effekte des Verkehrs genannt, die positiven verschwiegen. Beachtet man aber nur diese negativen Effekte, so wird die grüne Position insgesamt zur Farce: Jeder zusätzliche Mensch ist für die Erde ökologisch von Nachteil. Ein „echter“ Grüner, der Kinder zeugt , einen Hund hält oder dieser Erde über 30 Jahre zur Last fallen will, ist daher ein Widerspruch in sich. Grüne Eltern, Hundehalter oder Überlebenskünstler mit einem Diätplan für ein 100-jähriges Leben müssen sich bei solchen Argumenten in ihrer Lebenslüge einrichten.
Nimmt aber nun die positiven externen Effekte des Verkehrs hinzu, die nicht nur den Verkehrsteilnehmern selbst, sondern auch anderen und der Allgemeinheit nutzen, dann ist der Verkehr nicht mehr allein schädlich, sondern auch nützlich. Erst wenn wir diesen Netto-Effekt betrachten, sind uns nicht die Sinne vernebelt.
Der dritte Einwand: Gleichbehandlung und steuerliche Gerechtigkeit. Von dieser Materie versteht oder hält Herr Straubhaar nichts oder er weiß es nicht besser.
Sehen wir uns dazu mal einen Freiberufler und einen Arbeitnehmer an, die eine geraume Zeit für dieselbe Unternehmung arbeiten! Offenbar findet der Professor nichts dabei, wenn der Freiberufler die gesamten Autokosten für seinen S-Klasse Mercedes absetzen, der Arbeitnehmer aber mit der Pendlerpauschale mittlerweile nicht einmal die Hälfte der Kosten seines Opels geltend machen kann.
Im Gegenteil: Während der Freiberufler auch weiter die Kosten für seinen PKW steuerlich abrechnet, bekommt der bislang schon benachteiligte Pendler noch eine Zusatzsteuer aufgebrummt, offenbar weil nur sein(!!!) Auto „Abgas, Verkehrslärm, Stau oder Parkplatzmangel“ verursacht, aber nicht das Auto des Freiberuflers, LKW oder Lieferfahrzeuge. Und weil die das nicht tun, ist allein eine Zusatzbelastung der Pendler richtig. Herzlichen Glückwunsch, Herr Experte, für diesen Dummfick des Jahres!
Der vierte Einwand: Man mag es nicht mehr hören, das berüchtigte „Werktorprinzip“, wodurch der Mensch selbst zum Werks-Tor gemacht wird. Von abhängig Beschäftigten(!) verlangt es, seiner Arbeit immer ans jeweilige Werkstor hinterherzuziehen. Und weil erst an diesem Werkstor die Arbeit beginnt, sind alle Kosten, um dorthin zu gelangen, vom Arbeitnehmer selbst zu tragen. Sie sind „sein eigenes Vergnügen“, Konsumausgaben und keine Investition in seine Arbeit.
Die Lebensphilosophie dahinter kann lebensfeindlicher und unmenschlicher kaum sein. Sie ist Relikt einer Gesellschaft mit Sklavenarbeit. Das wird am deutlichsten, wenn wir eine Familie betrachten:
Eine fünfköpfige Familie wohne seit Jahren in X. Dort und in zwei Nachbarorten besuchen die drei Kinder Grund- und weiterführende Schulen. Beide Eltern arbeiten bedingt durch Insolvenzen ihrer früheren Arbeitgeber an zwei verschiedenen Orten.
Das Werkstorprinzip setzt nun voraus, dass Ehemann und Ehefrau ihrer jeweiligen Arbeit nachziehen und das Schicksal ihrer Kinder unbeachtet lassen. Das ist beim Werkstorprinzip ein hinzunehmender „Kollateralschaden“ für die betroffenen Arbeitnehmern und deren Kinder.
Dieses Werktorprinzip verlangt vom Menschen, nur um seiner Arbeit willen und allein für seine Arbeit zu leben. Er ist Sklave seiner Arbeit oder wird durch dieses Prinzip dazu gemacht. Daher zwingt ihn seine Arbeit, ihr stets zu folgen. Sein privates Interesse muss dahinter strikt zurückstehen.
Denken wir aber versuchsweise einmal mit der umgekehrten Lebensphilosophie: „Der Mensch arbeitet, um zu leben.“ Dann ist der Zweck menschlichen Daseins nicht die Arbeit, sondern sein „selbstbestimmtes Leben“. Darf der Mensch in diesem Sinne zunächst seinen oder den Lebensmittelpunkt seiner Familie (mit-)wählen, ist der Weg von dort zum Werkstor eine Investition in seine Arbeit und kein Konsumvergnügen mehr, das aus versteuertem Einkommen zu leisten ist oder sogar zusätzlicher Besteuerung bedarf. Genau diese und nur diese Sicht entspricht der Lebenswirklichkeit: Denn fragt man Pendler, wird man kaum einen finden, dem das Pendeln Konsum-Spaß bereitet und der es daher nicht als Investition in seinen Job sieht.
Was aber bedeutet das für die Pendlerkosten: Sie müssten wie die Fahrtkosten des oben genannten Freiberuflers steuerlich vollständig(!!!) geltend gemacht werden können. Die Pendlerpauschale kommt allein als Vereinfachung des Steuererhebungsverfahrens in Betracht. Eine Pendlerpauschale, die weniger als der Hälfte der tatsächlichen Pendlerkosten entspricht, bedeutet die steuerliche Benachteiligung aller abhängigen Beschäftigten und derjenigen, der Fahrkostenentschädigung man nach dieser Pauschale bemisst. Denn diese müssen jede Entschädigung darüber hinaus versteuern. Das ist aber keine Besteuerung des Einkommens, sondern eine Besteuerung des Aufwands. Pauschalen, die sich dermaßen weit von der Realität entfernen, verdienen nicht einmal mehr den Namen „Pauschale“. –
Professor Straubhaar will einen Steuerstaat, der Steuern nicht nur zur gerechten und gleichmäßigen Besteuerung einsetzt, sondern einen, der Steuern vor allem zum Steuern nutzt, um seine Bürger zu bevormunden und zu lenken. Dabei schreckt er vor ungleichmäßiger und willkürlicher Behandlung und vor ungleichmäßiger Aufwandsbesteuerung (statt Einkommensbesteuerung) allein bei abhängig beschäftigten Pendlern nicht zurück. Andere sollen mit Autos und LKWs ohne zusätzliche Steuerstrafe weiter für Lärm und Stau sorgen dürfen, die Pendler nicht. Und positive externe Effekte des Verkehrs gibt es nicht, meint dieser „Verkehrs- und Steuerexperte“.
Das Konferenz-Glossar des berühmten Nationalökonomen George J. Stigler kann Herrn Straubhaar vielleicht ein wenig Demut vermitteln: „ Es ist gut, dass sich auch einmal ein Nichtspezialist mit unserem Problem befasst. Da kann immer ein neuer Gesichtspunkt auftauchen. Aber im Allgemeinen – und so auch hier – zeigen sich wieder mal einmal die Vorzüge der Arbeitsteilung“.
Sehr geehrter Herr Straubhaar! Kümmern Sie sich doch bitte um Gottes willen weiter um die „internationalen Wirtschaftsbeziehungen“ und lassen Sie Ihre Synapsen nicht an die Themen „Steuern und Verkehr“ heran! Das sind die nicht gewohnt.
Vielleicht haben Sie auch nicht lange und nicht konsequent genug darüber nachgedacht. Denn denkt ein „Experte“ lange und tief über Probleme nach und redet darüber dann mit vielen Kennern, könnte man ihn vielleicht bald sogar „Fachmann“ nennen. Ansonsten bleibt „Experte“ nur ein Schimpftitel, den Sie, Herr Professor Dr. Straubhaar, in Bezug auf „Steuern und Verkehr“ mit gutem Recht tragen dürfen.
PDF-Datei
This post was downloaded by 876 people until now.