Leon Neschle 62 (1. Woche 2010)

Personallehre ist doch sooo einfach!?

Ich kann überall auf der Welt leben – wenn das Personal stimmt! (Eine Frau des Hauses, keine „Hausfrau“)

Aller guten Dinge sind drei: In der Finanzwirtschaft sind es Rentabilität, Liquidität und Risiko; in der Personalwirtschaft „vermutlich“ Intelligenz, Loyalität und Fleiß [1]. Diese drei Faktoren prägen in unterschiedlicher Kombination die Qualität von Mitarbeitern und Vorgesetzten. Durch Kombination dieser Faktoren schafft es Neschle ganz unabhängig von der wissenschaftlichen Personalwirtschaftslehre, sich durch schieres Handwerk seine eigene Typologie der Mitarbeiter zurechtzuzimmern.

Neschle hofft dabei zumindest auf die Bewunderung der Engländer. Die haben immer einen Faible für Amateure gehabt: “The English instinctively admire any man who has no talent and is modest about it” (James Agate). Daher erhebt Neschles Typologie keinen wissenschaftlichen Anspruch. Neschle ist gut genug, um bescheiden zu sein. 😉 Denn in aller (ihm gerade noch möglichen) Bescheidenheit behauptet er stets: Kein Mensch ist unfehlbar, nicht einmal ich! 😉

Obwohl?! Neschles Typologie ist ein Kompass durch die Welt und vielleicht besser als das Meiste, mit dem uns das personalwirtschaftliche Schrifttum erquickt oder erstickt. Fangen wir einfach an mit den drei Faktoren: Loyalität, Intelligenz und Fleiß.

A. Die drei Schlüsselfaktoren Loyalität, Intelligenz und Fleiß

Loyalität hat beim Faktor Mensch dieselbe Funktion wie Liquidität in der Finanzwirtschaft. Da gilt: Liquidität ist nicht alles, aber ohne Liquidität ist alles nichts. Ohne Liquidität geht letztlich gar nichts. Oder alles … vor die Hunde. Eine Unternehmung muss Insolvenz anmelden.

In der Personalwirtschaft gilt: Loyalität ist nicht alles, aber ohne Loyalität ist alles nichts. Ohne Loyalität muss jede menschliche Beziehung Insolvenz anmelden. Loyalität hat (wie Liquidität) den Charakter einer „notwendigen“ Bedingung. Allein hinreichend ist Loyalität nicht, doch ohne sie geht gar nichts, schon gar nichts gut.

Loyalität hat nichts, aber auch gar nichts gemein mit interner Kritiklosigkeit oder gar mit Kadavergehorsam. Im Gegenteil: Selbst Gleichgültigkeit, die alles gleich gültig werden lässt, ist eine Form der Illoyalität. Denn vor (nicht unbedingt auch in!) heiklen Situationen fordert Loyalität Kritik und die Haltung des Advocatus Diaboli. Nur so lässt sich vermeiden, dass man dem Gruppendenken erliegt und gemeinsam in die Irre geht, weil das kollektive Handeln von Irrmeinungen geprägt ist.

Wozu das führen kann, hat der Sozialpsychologe Janis in seinem Buch „Victims of Groupthink“ anhand des Beraterstabes des amerikanischen Präsidenten Kennedy und der Invasion in der Schweinebucht auf Kuba gezeigt. Eine Gruppe, die interne Kritik ächtet, löst sich von der Realität und trifft riskante und unverantwortliche Entscheidungen. Und es scheint Neschle so, als habe sich die Geschichte in den USA wiederholt beim Irakeinsatz und der Entscheidung der Bush-Administration.

Der Spion und der Intrigant sind zwei Ausprägungen der Illoyalität. Auch jene Kanaillen, die Teamarbeit sabotieren; die hinterrücks an Stühlen sägen und Mobbing in die Welt setzen, gehören zu den Illoyalen: Für Mobbing und Denunziantentum braucht es aber weder Intelligenz noch Fleiß, nur genügend andere Illoyale (Mitmacher). –

Intelligenz ist eine wichtige Voraussetzung für gute Methoden und gute Lösungen. Die Basis dafür sind Problemanalysen, die den Punkt treffen, und Therapie- oder Entwicklungsvorschläge, die den gewünschten Erfolg herbeiführen. Offen bleibt dabei allerdings die Frage, was der gewünschte Erfolg ist und wie er vor dem Hintergrund ethischer Prinzipien zu werten ist. Daher ist die Intelligenz bei Illoyalen sogar kontraproduktiv und gefährlich.

Dummheit als ihre Kehrseite macht Menschen vergleichsweise harmlos. Aber nicht, wenn sie im Kollektiv auftreten oder Macht ausüben. Dann verfolgen die Dummen die Intelligenten und hindern sie schon im Ansatz daran, irgendeinen Einfluss auszuüben. So ist es für eine Unternehmung gefährlich, einen dummen Vorgesetzten darüber entscheiden zu lassen, ob eine intelligente Nachwuchskraft eingestellt wird. Er wird sie für eine Bedrohung seiner eigenen Position halten und gezielt auf ihre Nichteinstellung hinarbeiten. Um intelligente Leute einzustellen, empfiehlt sich bei der Einstellung genügend hierarchischer Abstand zur Position des Einstellenden, wenn Anlass zu der Vermutung besteht, der könne seine Stellung als gefährdet ansehen.

Dumme Menschen können umso leichter Vorgesetzte werden, je mehr Leute darüber entscheiden und je mehr diese befürchten, kluge Leute machten ihnen ihren eigenen Rang streitig. Herrschaft der Mittelmäßigen und Dummen kann aber auch dadurch entstehen, dass zu viele Klügere zum Nachgeben neigen. –

Fleiß ist immer schon des Deutschen liebste Eigenschaft gewesen, Faulheit ist ihm suspekt. Da ist es durchaus kein gutes Gefühl, dass gerade der staatstragenden Kohorte der Beamten der Ruf anhaftet, faul zu sein. Aber ganz scheint der Deutsche das doch nicht zu glauben. Denn diese Beamten werden von vielen Deutschen immer herbeigerufen, wenn es in der Wirtschaft nicht so läuft. Dann soll der Staat mit seinen faulen und unfähigen Beamten den Karren aus dem Dreck ziehen. Wie aber soll das gehen?

Dabei können deutsche Beamte durchaus fleißig sein. Doch das ist nicht unbedingt besser, wenn es sich mit Dummheit paart. Fleiß geht nur mit Intelligenz und Loyalität eine heilige Allianz ein. Zusammen mit Dummheit wird Fleiß schnell unheilig.

Neschle hat es dem Fleiß deutscher Beamter zu verdanken, dass er das Interesse am Steuerrecht verlor. Wenn beim „Jahressteuergesetz“, das alle Steuergesetze eines Jahres kompiliert, der Abstand zwischen den Buchdeckeln größer wird, wurde in der Menge zwar mehr geleistet und der Forderung nach mehr Beamtenfleiß scheint genüge getan, in der Qualität hat man sich aber eher etwas geleistet. Hektische Betriebsamkeit ersetzte geistige Windstille. Für einen Menschen, der noch ein wenig auf geistige Hygiene hält, ist die Beschäftigung mit dem deutschen Steuerrecht daher nicht ratsam, zumal der Umgang mit Zwergen das eigene Rückgrat krümmt.

Bei der Produktion von Unsinn, und das ist dort leider das meiste, ist Fleiß eben nicht zu begrüßen, sondern ein Hoch auf die Faulheit zu singen. Nur ausreichende Faulheit kann verhindern, dass die dümmsten Ideen realisiert und schon im nächsten Jahr geändert werden müssen, um sie dann halbjährlich zu erneuern und damit Bürokratiesand ins Getriebe der Wirtschaft zu streuen.

Fleiß gepaart mit abgrundtiefer Dummheit war auch eine bedeutende Triebfeder der Nazis. Aus deren Sicht konnten sich die Deutschen gar nicht genug ihrer Dummheit befleißigen. Deshalb war Fließ auch eine ihrer liebsten Tugenden.

B. Die Mitarbeiter

Der einzelne Mensch kombiniert natürlich verschiedene Eigenschaften in sich selbst. Erst in der Kombination beweisen die Eigenschaften ihren Wert. Dieselbe Eigenschaft Fleiß, Faulheit, Intelligenz oder Dummheit kann in unterschiedlicher Kombination und vor allem in Kombination mit Loyalität oder Illoyalität zu ganz verschiedenen Beurteilungen führen:

1. Loyal, fleißig, intelligent: Das ist das Idealbild eines Mitarbeiters. Doch ein solcher Mitarbeiter wird selten Vorgesetzter. Zu hoher eigener Fleiß hindert nicht selten daran, Tätigkeiten an andere zu delegieren. So erwächst die Neigung zum Alleintäter ohne Netzwerk. Der Ausweg dieses Mitarbeiters ist, mehr Fleiß auf die Pflege seines Netzwerks zu verwenden. Alle Arbeiten erledigt dieser Mitarbeiter umfassend, hervorragend und termingerecht. Er liest die Wünsche seines Vorgesetzten von dessen Augen ab und sucht häufig und präzise den Kontakt mit ihm.

2. Loyal, faul, intelligent: Das ist ein inspirierter, kreativer Mitarbeiter, der immer Arbeitserleichterungen findet. Wird leichter Chef als 1, weil er besser delegieren kann und sich darüber auch ein Netzwerk schafft. Trotz weniger Kontakte zum Chef wird die Arbeit für ihn immer bestens erledigt, wenn auch ab und zu im Minimalstil und tendenziell mit Terminproblemen.

3. Loyal, faul, dumm: „Täuschen, Tarnen und Verpissen“ nennt man dessen Motto bei der Bundeswehr. Dennoch ist er (oder sie) kein Intrigant. Er macht nichts kaputt! Ist nicht nur zu faul zum Mobben, er hat auch gar keinen Bock darauf! Er ist mitgeführter Ballast, ohne Sand im Getriebe zu sein. Ein liebenswürdiger Sitzsack, der niemandem im Wege sitzt!

4. Loyal, fleißig, dumm: So sieht ein eifriger Gutmensch aus. Bei ihm ist „gut gemeint“ das Gegenteil von gut! Er sucht häufig und lange den Kontakt zu seinem Chef und neigt zur Selbstüberschätzung. Als Gesprächspartner ist er (oder sie) eine Katastrophe, weil er nichts versteht und sich immer im Recht fühlt! Er ist sich zudem immer bewusst, dass er ja alles nur zu gut meint. So macht er häufig mehr Arbeit, als er trotz guten Willens zu bewältigen imstande ist. Das macht ihn im Ergebnis schlechter als 3. Seine Wirkung nähert sich im Effekt der Wirkung eines Illoyalen, unbeabsichtigt und gut gemeint natürlich.

5. Illoyal, fleißig, intelligent: Ein solcher Mensch ist der Albtraum! Er ist ein gefährlicher Gegenspieler, der seinen Chef auf Trab hält und nur auf die richtige Minute wartet, ihm den Dolch in den Rücken zu stoßen. Zugleich hindert er seinen Chef gezielt und bewusst (das unterscheidet ihn von 4.) an sinnvoller Tätigkeit, weil er ihn mit einem Dauerhagel an unbedeutenden Problemen befeuert. Illoyalität wird gepaart mit Fleiß oder gar mit Intelligenz und Fleiß zum hohen Gefährdungsfaktor für jedes menschliche Zusammenleben. Geht Illoyalität mit Faulheit und Dummheit einher, ist sie deutlich harmloser.

6. Illoyal, faul, intelligent: Ist weniger gefährlich und weniger illoyal als 5., weil echte Illoyalität auf teuflische Weise fleißig macht. Solche Leute versuchen mit „ausgesuchter“ Faulheit an der Stelle zu sabotieren, an der es am meisten wehtut. Sie sind wegen intelligenter Vorbereitung trotz miserabler Leistungen unkündbar.

7. Illoyal, fleißig, dumm: Das ist der nervige Dauerquerulant, dem nichts recht zu machen ist und der nichts recht macht. Im Vergleich zu 5. Verrichtet er (sie) eher Laubsägearbeit am Stuhl seines (seiner) Vorgesetzten. Die aber ist nach der Devise „Steter Tropfen höhlt den Stein“ durchaus wirksam. Der nervige Dauerquerulant ist aber leichter zu entlassen als 5, weil er für diesen Fall nicht genügend vorsorgt.

8. Illoyal, faul, dumm: Das ist ein blöder Moserkopp, der den Arsch nicht hochkriegt. Er wird daher als Einzelner niemand gefährlich und zieht allenfalls andere blöde Moserköpfe hinter sich her. Als Gruppenphänomen formt er die träge Masse, die leicht formbar ist. Solche Leute haben als ihre „eigene“ Meinung immer die Meinung dessen, mit dem sie zuletzt gesprochen haben.

Neschle erinnert sich, einen Unternehmer vor einem illoyalen Mitarbeiter gewarnt zu haben. Doch der Unternehmer war beeindruckt von dessen Intelligenz und Fleiß. Er stellte ihn ein. Innerhalb eines Jahres richtete dieser Mitarbeiter Millionenschäden an, ohne dass man seiner wirklich habhaft werden konnte.

Loyalität ist daher der Hebel, der alles umlegt. Loyalität und Fleiß entfalten Hebelwirkungen, abhängig davon, ob sie mit Intelligenz oder Dummheit einhergehen. Erst Loyalität macht aus Fleiß und Intelligenz nützliche und nicht zerstörerische Eigenschaften. Schaut man jedoch, nach welchen Kriterien Mitarbeiter und Führungskräfte in Deutschland eingestellt werden, so wird man Loyalität als Einstellungskriterium jedoch meist vermissen.

Abschließend noch ein Gesamtüberblick:

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Das Wichtigste ist ganz banal,

Mitarbeiter seien stets loyal.

Sind sie dann fleißig und auch klug,

gibt es von ihnen nie genug.

Doch sind sie fleißig, aber dumm,

so ist es g‘rade anders rum.

Erst recht aber kann man vermissen,

die illoyal sich stets verpissen,

Doch wieder muss man’s hier verkehren

und sich am meisten der erwehren,

die fleißig, klug und illoyal,

sie sind Negativkapital.

Klug ist gut und fleißig auch,

doch es sollte sein der Brauch

die Frage nach Loyalität,

weil sonst nichts von selber geht.

Denn im Falle eines Falles

gründet auf der Ethik alles.


[1] Früher hieß es in der Werbung „Drei Dinge braucht der Mann: Feuer, Pfeife, Stanwell“, wobei das Letztere ein Tabak ist. In der Hessischen Szene machte man daraus „Drei Dinge braucht der Mann: Sein Ding, ihr Ding, Binding“. Da ist „Binding“ ein Bier und alles Andere der Phantasie der Leser überlassen.

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