Ihr seid mich doch am Herz gewachsen!
At a dinner party one should eat wisely but not too well, and talk well but not too wisely. (W. Somerset Maugham)
Gezz hamm mich gleich mehrere von Euch schon ein paa Wochen, ma sagen, „bewünscht“ für ein’n (Man beachte das abgetauchte „e“!) weiteren Beitrach inne Reviersprache (Depeschle 12). Meintswegen, happich gesacht. Ich machet! Pech gehappt! Denn wennich et gezz nich mach, wo wäa da die Sinngebung, meint auch die Knebels sein’n Hebbert!
Eintlich machichet abba nich tun! Doch ichtuet gezz ’türlich machen. Weil Ihr et wollt un’ ichet gesacht happ – un’wegende Sinngebung!
Und was ist der Sinn, dass dies keine Depeschle ist. Kein großer! Nur dass ich mir vorstellen kann, bei entsprechender Materialsammlung noch einmal auf dieses „dialektische“ Thema zurückzukommen:
Der Ruhrgebietler spricht eigentlich immer, wie man auf der „Dinner Party“ sprechen sollte. Er spricht „gut“(Na ja!), doch nie zu naseweis. Dann wäre er nämlich „Experte“ (Du biss mich v’leicht ein’n Experte!) oder gar Weltmeister, was zu den schärfsten Verunglimpfungen zählt, die der Pottie kennt. Sons is den Pottie abba ein’n lieben Menschen. Er verglimpft lieba, als wieher verunglimpft[1]. Und er fasst schnell Vertrauen. Ein „Sie“ geht ihn schwer „übahde Lippen“. Deshalb, „lieben Leser, biss Du mich ja auch schonn am Herz gewachsen“.
Die Sache mit dem „Zieldativ“ hat Neschle am Beispiel von „Komm Du im Bett“ schon erklärt! Und auch den im Hochdeutschen viel weitergehenden Inhalt dieser Aufforderung! Es kommt dadurch aber manchmal zu gravierenden Missverständnissen, wenn der Ruhrgebietler sich etwa die Bibel erklärt; frei nach Tegtmeiers Motto: „Was man nich selber weiß, datt muss man sich erklären!“
A. Oh Herr, ich bin nicht würdig!
Neschle hat einmal Mäuschen gespielt, als zwei (andere) Ruhrgebietler sich unterhielten. „Du biss ja kindisch!“, krittelt der eine. „Ja und“, „wechselt“ der andere (Der gemeine Pottie „is schonn mitti Schnauze gut zu Fuß“!) „inne Bibel steht: Wennze nich wirß wiede Kinders, wirße aunich im Himmelreich eingehen!“
Warum sollte man aber im Himmelreich eingehen, wird sich der Hochdeutsche fragen, wo doch gerade dort das ewige Leben wartet? Das „Eingehen“ wäre allenfalls verständlich, wenn den frommen und arglosen Mann oben im Himmel mehr als ein Dutzend Jungfrauen erwarten. Dann könnte er auch hochdeutsch leicht „im Himmelreich eingehen“.
In der Reviersprache ist das nur ein schlichter Anwendungsfall des Zieldativs. Der führt aber hier zu einem schönen Missverständnis bei den Hochnasendeutschen.
Als Neschle diese Geschichte einem Bekannten erzählte, setze der noch einen drauf. Er zitierte aus der Bibel: „Oh Herr, ich bin nicht würdig, dass Du eingehst unter mein Dach!“ Er verstand als Kind immer, „dass Du eingehs unter meim Dach!“. Zu hochdeutsch dachte er, es hieße: „dass Du eingehst unter meinem Dach!“[2]
Bei seiner Mutter aber gingen zum Beispiel die Blumen ein, hauchten dabei ihr feuchtes Leben aus? Das beschäftigte den kleinen Pottie sehr, bis er später die Wahrheit erkannte. Wäre er allerdings damals sicher gewesen mit dem ruhrgebietssprachlichen Zieldativ, so wäre „meim Dach“ entgegen seiner Vermutung die richtige Formulierung für das „Gehen unters Dach“ gewesen und das mit dem Sterben „unterm Dach“ hätte man nur verstehen können, wenn vom Eingehen unter „mein Dach“ die Rede wäre, so wie es im Original tatsächlich heißt. In der Ruhrgebietssprache würde „Eingehen unter mein Dach“ also tatsächlich vom Sterben handeln.
Da zeigt sich eben die andere Verwendung von Akkusativ und Dativ im Revier. Welch eine Vorstellung wird hier dem Pottie in der Bibel gegeben! Unvorstellbar! Da beklagt sich jemand, nicht würdig zu sein, weil ein anderer unter seinem Dach stirbt. „Nie im Lehm (Leben) kanndat richtich sein! Da vahliaht man ja den Glaum (Glauben!“
Eine christliche Vorstellung schwingt auch mit bei der in Wut gesprochenen Aussage: „Ich nagel Dich gleich anner Wand!“. Was im Hochdeutschen sogar ein abenteuerliches sexuelles Versprechen sein könnte, ist im Ruhrgebiet nur eine heftige Drohung. Aus „an die Wand“ wird eben dort im Zieldativ „an der Wand“ oder „anner Wand“. Daher ist es dem Pottie bei beengtesten Verhältnissen möglich, „inner (in der) Dusche“ zu gehen, sogar „inner Badewanne“. „Et kann sogaa watt im Auge geh’n!“
Doch wo hört der Zieldativ auf? „Datt habbich doch grad den Ömer gesacht!“ könnte man ja auch als zielgerichtete Handlung ansehen. Schließlich ist der Ömer das Ziel einer Sprechhandlung. Hier aber wird im Gegensatz zum Hochdeutschen sogar der Akkusativ verwendet. Das liegt nicht daran, dass der Pottie davon ausgeht, seine Botschaft werde das Ziel nie erreichen. Oder bei Ömer zu einem Ohr hinein- und aus dem anderen wieder hinausgehen, weil nichts zwischen seinen Ohren ist, was die Botschaft aufhalten könnte.
Der Zieldativ verlangt vielmehr ein Verweilen am Ziel. So wie bei dem Satz „Bei diese Fragen solltesse Dich besser anner (an der) Anne halten!“ Hier wird Anne nicht etwa als Haltegriff disfunktionalisiert, sondern zum „Kompetenzcenter“ in diesen Fragen ernannt, wie man heute auf Schwelldeutsch sagt. Wegen dieser „Verweilprämisse“ gibt es auch Grenzfälle. Die Sätze „Gestern habbichen (habe ich ihn) doch gefraacht!“ und „Gestern habbich ihm doch (meist besonders betont!) gefraacht!“ sind beide „richtich“. Im ersten Fall war es eine kurze Frage, im zweiten dagegen eine längere Befragung oder ein Ausfragen von längerer Dauer. Der sprachsensitive Pottie erkennt das an der kleinen Differenz in der Formulierung (Akkusativ oder Dativ).
„Ich stell’ Dich imma noch im Schatten. Datte klah siehs un nich frieahs!“ Da ist jemand dauerhaft in den Schatten gestellt und er sollte fürchten, deshalb frieren zu müssen. Aber wenn die erste Botschaft bei ihm ankommt, kann er sich ja schon mal „waam anziehen, datter dann donnich friaht“.
Oder „Stell Dich domma voah, Du komms anner Macht un’ wirs unser’n Präsedenten vom Taumverein!“. Wer schnell abgelöst wird, der kommt nur „anne Macht“, dauerhaft ist eben nur, wenn er „anner Macht kommt“. Dann „isser abba anne Macht“ und eben nicht quasi-hochdeutsch „anner (an der) Macht“! Also: Man geht oder kommt „im Teich“; ist man aber drin, findet man „hier in Teich datt Wassa bomforzionös“.
Das ist absolut die höhere Sprachweihe. Die meisten Sprachforscher kommen nicht so weit und tief. Die sind ja auch „Outsider“ und ihnen mangelt es an originären Sprachbeispielen, die Neschle als Insider natürlich zur Verfügung stehen.
B. Wie allet in’n Sand am verlaufen is.
Auch bei der Verlaufsform haben einige Gespräche nach der Depeschle 12 zu Neschles Bewusstseinserweiterung beigetragen. Da „wurde er ganz schön imponiert“! Denn die in die Zukunft hineingetragene Verlaufsform hatte sein Bewusstsein bei der letzten Depeschle noch nicht durchdrungen. Ein Musterbeispiel dafür erlebte er erst danach, auf Mallorca. Also auf „Malle“, wie der Pottie sagt. Dort, wo die „Malle-Diven“ anzutreffen sind, eine fast immer in der Mehrzahl hufklappernd auftretende Malle-Diva als gewollte, doch nie gekonnte, verschmückte „Dame“.
Auf diesem Malle kam jemand verspätet in Neschles Männer-Runde, die sich gerade hingesetzt hatte, um sich mannhaft anzuschweigen. Da rief dem Verspäteten jemand zu: „Hömma, Du störs! Wir sind nämlich so gut wie am meditieren.“[3]
Da hatte die Gruppe noch nicht mit dem Meditieren begonnen, aber sie war kurz davor, sich auf eine lange Meditationsreise zu begeben. „So gut wie“ wird in diesem Zusammenhang eben auch für „fast“ oder „beinahe“ benutzt: „Jau, gezz kommße an mitti Sachens, wo ich so gut wie am gehen bin!“
Ansonsten regiert „wie“ auch den Vergleich. „Ich bin größer wie Du“ oder Neschles Macho-Lieblingssatz „Du darfs Dich nie mehr Gaaten anschaffen, wie Deine Frau umgraben kann!“ Nur der hochsprachlich verunsicherte Pottie verwendet auch „als“, meist aber in Kombination mit „wie“: „Ich verdien’ sowieso mehr alswie Du!
Auch in anderen Verwendungen verdrängt das „wie“ das „als“: „Wie ich um die Ecke biech, watt seh’ ich? Den Eggon!“ Noch mehr Erstaunen drückt diese Kombination aus: „Wie ich um die Ecke biech, watt seh’ ich? Der Eggon!“
Dabei wird meist der Präsenz verwendet, selbst wenn die Handlung in der Vergangenheit stattfand. So werden die Dinge im Gespräch der Potties immer lebendig, unterstützt noch durch spannende Fragen. Wie fad dagegen der Satz in der hochdeutschen Konversation: „Als ich um die Ecke bog, sah ich plötzlich den Egon.“
„Als“ taucht fast nur noch in solchen Wendungen auf „Ich als unser’n Präsidenten daafdama watt sagen!“ Aber auch für das „gut“ (aus „so gut wie am“) gibt es andere Verwendungen: „Hier is abba gut waam inne Bude!“, wobei „gut“ auch gerne durch „lecker“ ersetzt wird. „In die Schwitzhütte (Sauna) war’t abba lecker waam. ’n geschmeidiget Lüftken! Und lecker Dierken (nette Mädchen bei einem älteren nur Schaulustigen)!“.
Gibt es einen besonderen Anlass, braucht man besondere Kleidung. Da heißt es etwa bei Claus Sprick in „Hömma!“: „Die Jacke mitti ausgebuffte Tasch links kannzaber nich nehm für gut, ährlich, siehsse mit aus wien Dräßmänn beide Kleidersammlung.“
Ja und überhaupt sind es die kleinen Wörter, die in der Ruhrgebietssprache ihren besonderen Charme entwickeln. Nehmen wir noch einmal das Verhältniswort „für“ aus „für gut“. Das kann toll kombiniert werden. „Hammse watt fürgegenen Durst und ’n Bissken für aufett Brot?“ Man sagt etwas „für den Ährwin“ und nicht „zum Erwin“. Und wer von uns weiß es nicht: „Et geht auch nix für ein liebett Woat von ein’n lieben Menschen!“ Es geht wirklich nichts darüber oder „kaum watt, sach ich ma“.
Zum Schluss greife ich hier mal das „auf“ auf oder gehe auf das „auf“ ein. Das ersetzt manchmal die Ortangaben „zu“, „nach“, „in“ oder „bei“. Bei „auf Schalke“ ist das mittlerweile Allgemeingut. Aber man geht auch „auf Maloche“, wenn man zur Arbeit geht. Und man wohnt nicht „in“ einer Straße, sondern „auf (der) Straße“, auch wenn man kein Penner ist, etwa „Ich wohn’ auf Walpurgis(straße) 27“. Zu Missverständnissen kann es führen, wenn man hört: „Unsa Vatta is auf (Zeche) Ernestine“. Gemeint ist jedenfalls keine Stellung aus dem Kamasutra, sondern der immer seltenere Fall, dass jemand auf einer Zeche arbeitet, heiße sie nun Ernestine oder anders.
C. Frau Steiner bringt den Stein im Rollen
Sprechen wir nun von Frau Steiner. Die hieß in Wirklichkeit „Frau Felser“, wird aber „wegen den Personenschutz und de Anonymität“ hier nur „Frau Steiner“ genannt. „Sie lernte(!) den klein’n Neschle ein’n großen Teil vonne (von die) Sprache in Revier.“ Frau Steiner wohnte in „Gelsenkirchener Barock“, jener eichenen Vermöbelung, in der man im Wohnzimmer schon zu Lebzeiten versargt ist. Sie war eine Person, die vorzugsweise Fremdwörter, ein wenig anders aussprach als der Stino („Stinknormalo“). Sie dachte nicht im Traum daran, sich von einmal erlernten Sprachfiguren zu trennen.
Als alle längst „Jeans“ (außer die Österreicher natürlich, die von der „Jean“ sprechen) sagten, sprach sie immer noch von der Texashose (nicht einmal von „Nietenhose“). Die wurde früher nur in tiefem Indigo-Blau angeboten und färbte nach dem ersten Tragen fürchterlich ab. Der „Stone-Wash“ war noch nicht erfunden. Um dem Farb-Effekt auf der eigenen Haut vorzubeugen und nicht als das Opfer von Missbrauch und „Vermöbelung“ zu gelten, musste man sie selbst ausbleichen. Man setzte sich dazu „mitti Hose(!) in ein heißet Batt“, das man vorher vorzugsweise mit Domestos oder einem anderen Bleichmittel veredelt hatte. Das hatte den Nebeneffekt, dass sich die gebleichte Texashose beim Trocknen am Körper hauteng anschrumpfte. Shrink to fit! Die Hose saß dann „wie von siamesische Zwerge unter Wasser auf’n Leib geklöppelt“. Das gab vor allem dem männlichen Schritt ein imposantes Gepräge und statt des flächigen Indigo-Blaus der ungebleichten Texashose drückten nun die Nieten kleine blaue Bluterguss-Punkte in die Haut. Daran konnte man erkennen, ob die Hose wirklich „saß“.
Frau Steiner war das ein Dorn im Auge und sie wurde nicht müde, warnend auf den möglichen Verlust der Zeugungsfähigkeit der jungen Burschen hinzuweisen. Mit ihrer Warnung, so sagte sie, werde noch mal „im Analen eingehen“. Damit auch einige andere ihrer Verwechsler in die Annalen eingehen, will Neschle sich mal erinnern:
Frau Steiner verzweifelte oft an der modernen Welt und stieß dann aus: „Datt campier ich nich!“ Bis der kleine Neschle kapiert hatte, was sie meinte. Dann grinste der freche Zwerg immer, wenn die alte Frau so sprach. Irgendwie verunsicherte er sie, so dass sie ihren Sprachgebrauch änderte und rief „Ich krepier datt nich!“ Und manchmal „krichte sie dabei Pippi inne Augen“, denn sie war „nah am Wasser gebaut“.
Sie „krepierte“ auch nicht, dass die kleine Bande von Neschle immer „auf’n Geländer von datt Gasswerk“ spielen musste, das direkt neben dem alten „Stadium“ des FC Schalke 04 lag, der „Glüchauf Kampfbahn“. Oder sie „krepierte nich“, dass ihre Nachbarin sich ein „bordellrotet Sofa“ gekauft hatte (Wer kennt schon bordeauxrot uns sagen wir es doch: Das war zumindest damals die beliebteste Bordellfarbe?), was mindestens so verwegen war wie ein „quietschgrünet“.
Wenn sie krank war, musste sie „ein Antibiotika“ nehmen. Da ihr so der Plural zum „Antibiotikum“ ausgegangen war, erfand sie einfach einen neuen. Dann nahm man eben „Antibiotikan“ ein, die viele zu ihrem Leidwesen sogar in die „Kallasination“ schütteten. Das Peinlichste aber war: Beim Präses der Kirche sprach sie vom „Präser“, was viele Jugendliche „für“ Präservativ sagten.
Natürlich vergaß sie öfter ihr „Pottmannäh bei’n Einkaufen“, denn „Schoppen“ war für sie zunächst nur ein kleiner Schnaps. Später, wenn sie modern sein wollte, sagte sie: „Mein Olle is widda bein Schoppen!“ Damit meinte sie aber nicht das Einkaufen, sondern: „Er is inne Kneipe und schüttet sich ma widda zu“.
Sie mochte nur „ein durches Steak“ und beim Braten war die „zue Tür“ wichtig, damit der Qualm nicht „durche auffe Tür im Wohnzimmer zoch“, wo „drinner Qualm“ natürlich „ekelich“ war. Und als ordentliche Hausfrau verwandelte sie „appe“ Knöpfe sofort nähend in „anne Knöpfe“.
Als die ersten Pizzas kamen, nannte sie diese Mafia-Schindeln ganz arglos „Pissda“. Die einfachste davon bezeichneten die Italiener nach ihrer Meinung ähnlich wie wir in Deutschland ein Arme-Leute-Essen: „Armer Ritter“ (In Milch eingelegte mit Ei panierte Weißbrotscheiben mit Vanillesoße). Diese nur mit Tomaten und Käse belegte Pizza war daher die berühmte „Pissda ‚Mag’rer Ritter’“. Wahrscheinlich hießen die dick belegten „Pissdas“ auf Deutsch dann „fetter Vogt“ oder „üppiges Burgfräulein“. Doch sie mochte Mag’rer Ritter besonders gern. Was ist dagegen „Margherita“?
Ansonsten hatte Frau Steiner das gesamte Vokabular des Ruhrgebietes verinnerlicht. Beim Ausverkaufsgewühl in der Stadt sprach sie von „Pollacken Flachrennen“, und wenn man ausging, ging man „auf Trallafitti“. Hatte jemand nach langer Zeit wieder einen Partner frotzelte sie: „Na, hasse widda ’ne Wärmflasche mit Ohrn!“.
Diesen bildhaften und ironischen Umgang mit Namen oder Eigenheiten findet man auch heute noch, z.B. bei den „Spitznamen“ der Schalker Fußballspieler. So wird etwa der pechschwarze Gerald Asamoah liebevoll „Blondie“ genannt und auch für den Spieler Carlos Großmüller fand sich schnell der Name „Kleinschmidt“.
D. Frollein von Thorsten – Eine wahre Geschichte
Ein Freund von Neschle hatte es sich am Sonntag mit schwerer Erkältung gerade in der Badewanne bequem gemacht, da klingelte hartnäckig das Telefon. Er machte sich triefend auf zum Hörer und sah dabei aus wie Herr Müller-Lüdenscheid bei Loriot. Er meldete sich: „Prunkwitz.“ Die Stimme am anderen Ende schien verwirrt: „Is da nich datt Frollein von Thorsten?“ „Nein, hier gibt es kein Frollein von Thorsten. Hier ist Prunkwitz!“
Kaum hatte er es sich wieder in seiner Wanne bequem gemacht, klingelte wieder das Telefon. Mit noch größerer Hartnäckigkeit: „Prunkwitz!“ „Is da nich datt Frollein von Thorsten?“ „Ich habe Ihnen doch gerade schon gesagt, hier ist Prunkwitz. Wir sind nicht adelig!“
Wieder in der Badewanne hatte er etwas länger Zeit und dachte schon, der Spuk wäre vorbei. Doch dann erneut die umbarmherzige Klingelei, die er auch durch sein gequältes Warten nicht beenden konnte. Also wieder: „Prunkwitz!“ „Hörnse! Da muss doch datt Frollein von Thorsten sein. Ich happ doch hiah die Numma! Unsa Thorsten hatte die doch in sein Schulheft!“
Erst da fiel es Herrn Prunkwitz auf. Seine Frau war doch Lehrerin an der örtlichen Sonderschule! Und das „Frollein von Thorsten“ war seit Jahren seine Ehefrau. So geläutert fragte er: „Was möchten Sie denn dem Frollein von Thorsten mitteilen?“ „Ja also! Isse da doch! Ich wollt’ nur sagen, unsern Thorsten, der war ja so krank, der kommt morgen widda inne Schule!“ „Hören Sie mal: Das hätte meine Frau auch ohne ihren Anruf gemerkt und dafür haben Sie mich dreimal aus der Badewanne gelockt.“ „Abba wir soll’n doch anrufen, wenn einer krank is! Da muss ich doch auch anrufen, wenner widda gesund is.“ – Ja, wer den Schaden hat, spottet da jeder Beschreibung, Herr Prunkwitz alias Müller-Lüdenscheid. Der Pottie ist halt sehr mitteilsam, auch bei Dingen, die keiner wissen will. Er kehrt eben Persönliches gern nach außen.
Nimmt man das Hochdeutsche zum Maße,
dann ist die Sprache von der Straße
des Ruhrgebiets oft gar nicht „richtich“.
Dem Pottie ist das nicht so „wichtich“;
denn Sie besticht durch Phantasie
und jede Menge Ironie.
[1] Der Begriff „Verunglimpfung“ muss von der Presse erfunden worden sein, weil es schlichtweg keine passende „Verglimpfung“ dazu gibt. Bestenfalls läuft es da mal „glimpflich“ ab.
[2] Das erinnert an die Sammlung von „Verhörern“ bei Axel Hacke „Der weiße Neger Wumbaba“.
[3] Hier weicht Neschle bewusst ab von der Schreibweise bei Bastian Sick (Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod). Der schreibt „am Meditieren“ groß. Doch das „am“ in der Verlaufsform ist eben nicht dasselbe wie „am Baum“. Es beschreibt eine laufende Tätigkeit und ist ein Tätigkeitswort, für das Neschle die Kleinschreibung angemessener scheint.
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