Leon Neschle 24 (31. Woche 2007)

Die Eruption der Bürokrater!

Man waltet nicht und plant nicht! Man ver-waltet und ver-plant und man wird es! („Aus dem Leben eines Bürokratlings“, von Neschle selbst)

Neschles Vater (89) kam neulich zu ihm und fragte, ob Neschle ihm seinen Rentenbescheid erklären könne. Neschle fühlte sich an Helmut Schmidt erinnert, der vor etlichen Jahren bestritt, seine Stromrechnung verstehen zu können. Denn trotz intensiver Betrachtung des Rentenbescheides wollte Neschle kein Licht aufgehen. Der Bescheid war in der Fremdsprache „Schwelldeutsch mit Bürokratenkryptographie“ abgefasst und das Zustandekommen der Zahlen war für Neschle nicht nachvollziehbar. Nachvollziehbar war aber, dass sein Vater den Bescheid weder verstehen noch auf Richtigkeit prüfen konnte. Das änderte freilich nichts daran, dass nun wiederum sein Vater an Neschles Intelligenz zweifelte. Da nützte Neschle auch nicht seine arrogante Bemerkung, man könne für Eruptionen moderner Bürokrater auch zu intelligent sein. Es lässt sich eben nicht jede Dummheit begreifen.

Neschle zeigte den Rentenbescheid seines Vaters daraufhin mehreren Leuten, die ihm für ihr gut möbliertes Oberstübchen und ein wenig Vertrautheit mit den Hirnen von Bürokratern bekannt waren und noch sind. Doch keinem gelang es, den Bescheid restlos zu entziffern! Wie aber soll man prüfen, was man nicht versteht? Antwort: Man soll es ja gar nicht! Man soll es hinnehmen, zum Ärmelschoner noch mal!

A. Bürokrater, wenn es unklar und wenn es klar ist.

Für den, der prüfen will, gilt: Er muss hinrennen zu den Behörden, Zeit und Arbeit aufwenden, um das zu erledigen, was eigentlich Aufgabe der abgabenfinanzierten Dienstleister wäre: die Dienstleistung „verständlich“ machen! Oder er muss einfach glauben! Dieses treue und einfache „Glauben“ der Bürger scheint für Bürokratlinge selbstverständlich. Ihre Interpretation von „Treu und Glauben“.

Bei technischen Gegenständen fragt man ja auch nicht, warum und wie sie funktionieren. Sie müssen es nur tun: funktionieren! Also warum – um Gottes willen – will jemand die Leistung staatlicher Dienstleister verstehen? Sie müssen funktionieren! Wie der Bürger! Der muss nicht prüfen können! Dann nörgelt er rum, findet Fehler und hat statt Achtung vor der Obrigkeit nur noch Vierung vor ihr, also gerade noch die Hälfte Achtung.

Doch es gibt bedeutende Unterschiede zu technischen Gegenständen! Die Garantiezeit zum Beispiel. Bei technischen Gegenständen kann man sich noch sehr lange beschweren, wenn sie nicht funktionieren, die Einspruchsfrist dagegen …!? Bei Technik gibt es Produkthaftung, bei Bürokratern allenfalls Sesselhaftung!

Unverständliche Bürokraterei nötigt sich auch deshalb immer häufiger auf. Als flächendeckende Idiotie. Dienstleistungsmonopolisten vom Stromanbieter bis zur Rentenversicherung leisten sie sich ungestraft. Vom Finanzamt ganz zu schweigen. Steuerbescheide können nur noch Spezialisten prüfen, obwohl die Finanzämter sie nicht vernünftig ausstellen können. Bei einer Fehlerquote von 25% (!!!) ist der Normalbürger ohne echte Prüfmöglichkeit!!!

Vielleicht ist das auch der Grund dafür, diese Bescheide nicht nachprüfbar abzufassen. Wer nicht prüfen kann, kann keine Fehler finden. So erscheint diese Fehlerquote nur bei einer Untersuchung durch Spezialisten, aber die Masse der Steuerbürger nimmt auch falsche Bescheide hin. Weil sie gar nicht anders kann! Denn sie versteht die nicht! Zum Glück für den Bürokratling! Gefickt eingeschädelt! Das senkt auch die Bürokratiekosten. Wie viel Einsprüche gäbe es sonst wohl, mit wie viel Bürokratie?

Man stelle sich diese Fehlerquote bei privaten Dienstleistungen vor oder in der industriellen Produktion! Den Unternehmungen würde von den Kunden längst die Gefolgschaft verweigert. Doch bei der Finanzverwaltung kann man nicht kündigen, so gern man das auch täte. Man ist der Steuer ja nicht beigetreten, sie kam über einen.

Wo wir schon bei der Steuer sind: Manchmal gibt es sogar Bürokratieprobleme mit dem Finanzamt, wenn alles klar scheint. Da bekommt Neschle einen Bescheid über eine Steuernachzahlung und als ob das nicht schon Belastung genug ist, wird ihm ein tolles Bürokratiestück beschert. Anfangs war das freilich nicht einmal zu erkennen: „Bitte überweisen Sie … !“ stand da schlicht auf dem Nachforderungsbescheid. Das scheint deutlich, wenn dann auch noch Betrag und Frist angegeben sind.

Nun ist für Neschle die deutsche Sprache mächtig und er ihr nur bedingt. Aber was „überweisen“ heißt, glaubte er zu wissen. Also verlangt, getan! Das Geld war sogar einen Tag vor dem kritischen Termin beim Finanzamt. Also besser als gefordert? – Offenbar nicht! Denn das Finanzamt buchte denselben Betrag zwei Tage später noch einmal ab, also einen Tag nach dem kritischen Termin.

Nun könnte man denken, das Finanzamt hätte den Fehler bemerkt und zügig zurücküberwiesen. Falsch! Das Finanzamt hat natürlich keinen Fehler gemacht, sondern Neschle. Der hatte dem Finanzamt vor Jahren die Abbuchung seiner gewöhnlichen Steuerschulden erlaubt. Ohne diese Erlaubnis wäre es nie so gekommen.

Trotzdem wirft sich Neschle mutig in den Bürokrater. Er fragt nach beim Finanzamt: Warum das Formular mit dem klaren Hinweis „überweisen Sie!“, wenn das Finanzamt abbuchen will? – Antwort des FA: Weil das ein Standardformular ist, das man nicht so ernst nehmen soll! (Da machen die ihr Formular-Späßchen mit einem! Feixen herum!) – Aber warum verfeinert man den Standard nicht und lässt bei Abbuchungserlaubnis den Hinweis „überweisen Sie!“ weg? – Antwort FA: Man muss doch wissen, ob man die Abbuchung erlaubt hat! (Gedacht: Ich kann nicht das Formular ändern oder mich um eine Änderung kümmern!) – Aber nur für normale Steuerschulden! Woher soll ich wissen, dass das Finanzamt das bei Nachzahlungen nicht anders macht? Und warum wurde zwei Tage nach Eingang des Geldes noch abgebucht? – Antwort FA: Das liegt am System! Das gibt die Information über die Überweisung erst 5 (in Worten „fünf“!?) Tage später an uns (die Abbuchungsstelle im Finanzamt) weiter. Da war die Abbuchung schon automatisch ausgeführt. Wäre das Geld schon fünf Tage vor Ende der Frist eingegangen, wäre das nicht passiert. – Aber warum dann diese Frist? Und Zinsen, Überweisungskosten? – Antwort FA: Keine Erstattung! Denn es liegt kein Fehler des Finanzamts vor! Beim nächsten Mal eben nicht überweisen, auch wenn das Formular dazu auffordert!???! – Was geschieht, wenn Neschle künftig einen Überweisungshinweis missachtet, der ernst gemeint ist? – Antwort FA: Dann muss er Verzugszinsen zahlen! – Ja, herzlichen Dank!

Vor Zorn wollte Neschle dem Finanzamt die Abbuchungserlaubnis entziehen. Aber die ist in der Hand Kundiger sogar ein Beitrag zum Abbau von Bürokratie. Da soll man die Hoffnung nicht aufgeben, dass auch mal das Finanzamt kundig wird. Zudem kann man der Unfähigkeit etwas Positives abgewinnen: Gegen unentwegten, ungehemmten und ubiquitären Bürokratismus schützen am Ende nur noch Unfähigkeit und Ineffizienz der Bürokratlinge und der Bürokratie selbst.

Und Neschle muss gestehen, auch er versteht noch immer nicht: Für ihn heißt „überweisen“ schlicht „überweisen“! Kann man da nicht für ihn und ähnlich dämliche Finanzknechte die Formulare verfeinern und das draufschreiben, was man haben oder machen will, überweisen oder abbuchen? Offenbar nicht, weil sich keiner um die Servicequalität kümmert. Der Bürger dient dem Staat, doch umgekehrt?

Seit Jahren wird nun angeblich der Kampf gegen diese Bürokratie geführt. Moralisch! Seit Jahren behält die Bürokratie faktisch die Oberhand. Denn bislang gibt es weder eine Kontrolle, um festzustellen, ob und wann die Bürokraterei nachlässt, noch irgendeine brauchbare Idee, wie man ihr Nachwachsen schon im Keim ersticken kann. Es fehlt ein Bürokratie-Controlling verbunden mit einer politischen Bewegung, das Ende der Bürokraterei einzuläuten.

B. Erster grober Vorschlag: Der „Nettoregulierungs-Index“.

Jährlich überfallen vor allem EG und Bundesregierung die Bürger mit neuen Gesetzen und Verordnungen. Bei genauem Hinsehen sind es allerdings meist Änderungen bereits existierender Regelungen oder Änderungen von Änderungen von Änderungen, die in immer größerer Zahl bei Bürger und Bürokraten einschlagen und immer größere Bürokrater hinterlassen. Patchwork Law Construction nach der Devise: Wir ändern selbst die Änderungen! Viele davon sind Zeugnisse einer immer schlampigeren Regulierungsarbeit, die zwangsläufige Folge vorhergehender Schlampigkeiten ist. Denn eine steigende Undurchsichtigkeit der Gesamtgesetzgebung macht weitere Gesetzespannen wahrscheinlicher und manchmal sogar unvermeidlich.

Wenn und weil es in diesem Lande kaum mehr möglich ist, eine Unternehmung zu gründen, ohne gegen geltendes Recht zu verstoßen, dann ist von gesetzgeberischer Seite bald das erreicht, was eingefleischte Sozialisten schon immer wussten: Jeder Unternehmer ist ein Verbrecher! Und wenn er es nicht ist, wird er dazu gemacht. Man braucht eben nur die (un)passenden Gesetze.

Es geht weniger schlimm und dennoch mit gravierenden Folgen wie bei folgendem Beispiel: Ein Unternehmer wurde aus ästhetischen Gründen von seiner Gemeinde verpflichtet, seine angeblich „hässliche“, doch mit Baugenehmigung und ohne weitere Auflage erstellte Lagerhalle nachträglich mit einer dichten Baumreihe zu verkleiden, sie faktisch dahinter zu verstecken. Er tat es widerwillig, doch große Bäume sind sehr, sehr teuer! Nach der Baumdekoration meldete sich ein Landwirt, dessen angrenzender Acker nun von den von der Gemeinde erzwungenen Bäumen beschattet wurde und klagte auf Entschädigung gegen den Unternehmer. Als dieser zahlen musste und die Gemeinde sich den Schuh nicht anzog, verließ er dieses Land mitsamt seiner Unternehmung.

Jahrelang verlangten Hygienevorschriften in Restaurantküchen auch glatte Fliesen, Sicherheitsvorschriften dagegen angeraute. Was die eine Behörde verbot, verlangte die andere. Um so etwas künftig zu vermeiden, hat Neschle zwei Vorschläge:

1. Widersprechen sich Regulierungen im Ergebnis, ist keine davon anzuwenden, bis eine eindeutige Lösung gefunden ist. Eine widerspruchsfreie Lösung muss der Gesetzgeber innerhalb eines halben Jahres nach Entdeckung der Widersprüche anbieten. Ansonsten erklärt sich der Staat bereit, sämtliche Folgekosten zu übernehmen. (Un)Verantwortliche Politiker und (un)beteiligte, untätige Beamte haften im Rahmen gegebener Verantwortlichkeiten.

2. Zur Mengenbegrenzung der Regulierungen verpflichten sich Bundesregierung und Landesregierungen, neue Regulierungen erst dann zu erlassen, wenn zuvor 2% mehr (!) alte Gesetze und Verordnungen beseitigt wurden. Zur Kontrolle könnte man einen „Nettoregulierungs-Index“ einführen. Der würde derzeit „Inflation“ messen. Doch „Deflation“ wäre das Ziel und der Weg! Und man würde sie messen!

Man wird in beiden Fällen eine Menge Einwendungen finden, z.B. weil letztlich nur der Inhalt der Regulierungen über ein mehr oder weniger an Bürokratie entscheidet. Aber eines unterscheidet diese Ansätze von dem, was man derzeit mit Blick auf den Bürokratieabbau sieht: Es würde nicht nur geschwätzt, sondern gehandelt.

Neschle könnte nämlich mehrere Beispiele bringen, bei denen heute von Bürokratieabbau geredet und zugleich Bürokratie aufgebaut wird. Hinzu kommen neue Bürokrater, in denen Geld und Arbeitszeit verschwinden, vom Geldwäsche- bis zum Anti-Diskriminierungsgesetz, von dem gerade diejenigen bürokratisch diskriminiert werden, die dieses Gesetz zur Anwendung bringen sollen.

Um die Sache mit der Bürokratie aber wirklich in den Griff zu bekommen, müsste man tiefer ansetzen. Bei der Entstehung der Gesetze und Verordnungen und der Berücksichtigung ihrer bürokratischen Folgen im Gesetzgebungsprozess.

C. Das Übel an der Wurzel: der Gesetzgebungsprozess!

Als erstmals ein Jahressteuergesetz alle Steuerrechtsänderungen eines Jahres unthematisch zusammenfasste, war es um Vernunft im Steuerwesen und der Steuerwesen deutscher Genese geschehen. Von nun an ließ sich der Fleiß des Gesetzgebers dadurch messen, wie viele Textseiten zwischen zwei Buchdeckeln lagen. Diesen Fleiß mussten die Ministerialbeamten durch immer fettere Jahressteuergesetze unter Beweis stellen. Denn Beamte stehen in Deutschland immer unter Druck, Fleiß zu zeigen, um das Klischee vom faulen Staatsdiener zu widerlegen. Gerade darin liegt jedoch das Problem!

Fleiß ist eine Eigenschaft, deren Gefährlichkeit meist unterschätzt wird. Gepaart mit Intelligenz ist Fleiß ein Segen, mit Dummheit ein Fluch. Wer dumm ist, sollte faul sein dürfen, ja man müsste ihn sogar dazu zwingen. Dann macht er nichts kaputt. Das Schlimmste ist, wenn er etwas besonders fleißig und genau macht, was man gar nicht hätte machen sollen.

Intelligente Gesetzgebung fordert nämlich, im Zweifel auf Neuregelungen zu verzichten und nicht Mengengesetze im Hoppla-Stil mit steigenden Bürokratiekosten für die Bürger. Bei Bürokratiekosten ist es wie bei der Kost: Wir müssen ohnehin zu viel davon verdauen.

Doch wie soll jemand kalorienarm kochen, wenn er gar nichts von den Kalorien weiß und auch nichts darüber erfährt, bevor er seine Zutaten den Leuten ins Gericht mischt? Abgeordnete entscheiden heute noch immer über Gesetze ohne Information darüber, wie hoch die staatlich erzwungenen Bürokratiekosten beim Bürger sind. Bei solchen gesetzlich bedingten Belastungen ist es für den Bürger aber egal, ob Geld an den Staat wandert, an seine Bürokraft oder an den Steuerberater. Er hat das Geld nicht mehr, weil sein Staat bürokratische Aktivitäten von ihm verlangt. Staatlich erzwungene Bürokratie hat daher den Charakter einer Zusatzsteuer.

Die Gesamtbelastung für den Bürger ergibt sich daher erst durch die Zusammenfassung aller staatlichen Ansprüche, also solche auf Steuern, auf bürokratische Hilfsarbeiten und weitere Hand- und Spanndienste wie die Wehrpflicht (Neschle 15). Und da Bürokratiekosten alle Bürger fast gleich treffen, wirken sie wie Kopfsteuern. Ob jemand etwa bei seiner Steuererklärung Umsätze oder Aufwendungen von 5.000 oder 50.000.000 Euro nachweist, macht für seine Bürokratiekosten im Erhebungs- oder Prüfungsverfahren keinen Unterschied.

Von solchen Hilfsarbeiten sind folglich kleine Unternehmen stärker betroffen als große. Man könnte die Bürokratiebelastung daher sogar als versteckte „Armensteuer“ bezeichnen. Sicher aber ist es eine Wachstumsbremse für den Mittelstand verbunden mit dem Anreiz für Wachstum, weil die Bürokratiekosten dann weniger drücken.

Trotz dieser Wirkungen gibt es wohl keine Frage, mit der die Politik einfallsfreier umgeht als mit der Frage der Senkung der Bürokratiekosten. Wer nicht nachdenkt, dem kann aber nichts einfallen. Neschle hat mal vorgedacht und kam zu diesem Ergebnis: Man sollte mit der Entbürokratisierung nicht erst anfangen, wenn ein Gesetz existiert. Will man Bürokratie ursachengerecht bekämpfen, muss man da ansetzen, wo sie entsteht: direkt im Gesetzgebungsverfahren, das Übel an der Wurzel fassen, beim „Design der Regulierungen“ beginnen. Später kann man nämlich nur noch folgen und Symptome bekämpfen, doch nicht mehr die Ursache:

In der Betriebswirtschaftslehre gibt es seit langem die 80/20-Regel. Danach werden 80 Prozent aller Produktkosten bereits mit dem „Design“ eines Produktes festgelegt. Nur 20 Prozent lassen sich später bei Produktion oder Vertrieb noch beeinflussen. Also geht es darum, beim Entwurf anzusetzen, nicht erst bei der Realisation:

Wer ein Haus baut, entscheidet schon beim Entwurf über 80 Prozent der Kosten:

Wird es freistehend oder ein Reihenhaus,

verwendet man Spezialanfertigungen oder baumarktgängige Fenster,

nimmt einzeln verlegte Natursteine oder blockweise verlegten Beton etc.

Hat man sich für nostalgische Bullaugenfenster entschieden, weil die Vorfahren zur See fuhren, kann man zwar durch Wahl des Herstellers noch 20 Prozent sparen, aber die Kostendimension ist eine ganz andere als bei baumarktgängigen Normfenstern, wo später auch nur noch der 20-prozentige Spielraum besteht.

Übertragen wir das mal auf die Politik im allseits als überbürokratisiert verunglimpften Deutschland: Will man der Bürokraterei erst zu Leibe rücken, nachdem Gesetze und Verordnungen, die Ursache für Papierkrieg und Behördenrennen, schon existieren, dann sind bei den Bürokratiekosten nur noch maximal 20 Prozent Ersparnis drin.

80 Prozent aller mit der Gesetzesdurchführung verbundenen Kosten werden nämlich schon mit dem Gesetz selbst festgelegt. Die Folge kann nur sein: Bei jedem Gesetzentwurf (auch in den Ausschüssen) sollten vor der Gesetzes-Entscheidung folgende Kostenschätzungen allen Abgeordneten bekannt sein und im sogenannten Rubrum der Gesetzesvorlage erwähnt werden:

  1. unmittelbare budgetäre Kosten (Wie bisher!);
  2. administrative Kosten des Staates (Manchmal heute schon zusätzlich!);
  3. Bürokratiekosten der Betroffenen (Zusätzlich!!!! Bislang nie berücksichtigt!!!);
  4. Folgekosten der Regulierung durch Regulierungsvermeidung, Innovationsverzögerung etc. (Zusätzlich! Fast nie berücksichtigt!).

Den Abgeordneten mit ihrer mangelhaften Informationsgrundlage kann man gar keinen Vorwurf machen, dass sie die Bürokratiebelastung des Bürgers erhöhen. Man kann ihnen jedoch sehr wohl vorwerfen, sich bislang nicht um diese Informationen gekümmert zu haben. Und nur darin liegt der Ansatz, Bürokratiekosten einzuschätzen und zu vermindern. Denn nicht weiß, wo er hingeht, kommt möglicherweise woanders an. – Na ja, ein kleiner Scherz! – Wie soll jemand Bürokratiekosten senken, wenn er nichts über den Einfluss seiner Entscheidungen auf diese Kosten weiß.

Die Bürokratie, die entsteht, weil für dieses Verfahren Schätzungen notwendig sind, steht in keinem Verhältnis zu dem, was dadurch vermieden werden kann. Vor allem wird der Bürger von dieser neuen Bürokratie nicht belastet. Im Gegenteil! Doch schon im Gesetzgebungsverfahren in Berlin lässt sich nur noch wenig machen, wenn bürokratische Vorgaben angebrüsselt kommen. Daher muss man bereits im autistischen Brüssel ansetzen. Da ist aber heute schon das morgen, wovor wir gestern noch gewarnt haben! Bürokratisch gesehen!

Die Rechtstraditionen in verschiedenen Ländern und Landesteilen führen zudem auch bei gleichen Gesetzen aus Brüssel zur unterschiedlichen Umsetzung in Europa. Was der Mensch in Süditalien oder Südfrankreich nicht annimmt, lässt sich auf Dauer dort nicht durchsetzen. Der preußische Beamte in Deutschland nimmt Bürokratie dagegen gern, Vernunft jedoch nur selten an. Man hat ihm nämlich erklärt, als Beamter dürfe er nichts annehmen.

Nur bei der Bürokratie vergisst er das allzu gern und nimmt sie mit Freude, besonders dort, wo die preußische Tradition den Boden dafür bereitete. Vielleicht ist ja deshalb Steuerstudieren und Steuerprozessieren der Deutschen große Leidenschaft. Mehr als fünfzig Prozent der Steuerliteratur weltweit sollen aus Deutschland stammen. Damit bewegt sich Neschle schon an der Untergrenze der Schätzungen! Kann es wirklich noch perverser sein?! Ja, es kann deutsch sein!

Seit langem folgt Gesetz Gesetz

Begleitet von massig Geschwätz

Bürokratie so abzubauen.

Doch sollte man nur jenen trauen,

die Gesetze reduzieren

und nicht bloß neue produzieren.

Gesetzgeber sollten stets fragen:

Welche Gesamtlast ist zu tragen?

Die Last besteht nicht nur aus Zahlen,

sondern zudem noch aus den Qualen

durch nervende Bürokratie

doch das berechnet der Staat nie.

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2 Antworten auf „Leon Neschle 24 (31. Woche 2007)“

  1. Neschle hat gerade am eigenen Leibe die Eruption eines Bürokraters erlebt. Da er ein mündiger Bürger sein will, beschwerte er sich über eine Ausweitung seiner bürokratischen Pflichten. Diese bestand darin, dass er weitere Dokumente anzuschleppen sollte, deren Inhalt die Sachbearbeiterin durch eine einzige telefonische Nachfrage innerhalb ihrer eigenen Behörde hätte erfahren können.

    Die Sachbearbeiterin sagte, sie könne aber nichts an Neschles erweiterter Nachweispflicht ändern, das sei nun einmal die Anweisung ihrer Vorgesetzten. Wie es denn dazu gekommen sei, wollte Neschle wissen. „Ja, wir hatten da neulich einen Fall …“ . Neschle unterbrach die Sachbearbeiterin: „Wie oft kommen denn solche Fälle vor?“ „Das ist das erste Mal gewesen, seit ich hier arbeite. Also seit fünfzehn Jahren.“ „Und wegen dieses einen Ausnahme-Falls seit fünfzehn Jahren wird nun die Nachweispflicht für alle Antragsteller erweitert? Abgesehen davon, dass sie das auch die Nachfrage innerhalb ihrer Behörde klären könnten?“ „Ja, so ist das. Aber ich kann daran nicht machen!“

    Wie erhebend, dass Neschle hier die Geburt einer neuen bürokratischen Qual erleben durfte! Wahrscheinlich gibt das wieder neue Stellen in der Verwaltung zu Lasten der Steuergelder. Aber Neschle gibt nicht auf: Da müssen wir doch was tun, bevor wie uns wie Thomas Doll „den Arsch ablachen!“

    Dolle Grüße
    Euer Neschle

  2. Hallo Ihr Lieben,

    das glaube ich eigentlich selbst nicht: Der deutsche Bundestag hat jüngst Gesetze erlassen, bei denen er auch die Bürokratiekosten beim Bürger erwähnt.

    Hat sicherlich jemand anderes erfunden, der diese Seite besucht hat. Man kann eben nichts leichter klauen als Ideen. Und der Dieb wird dafür auch noch gelobt!

    Aber der sollte doch wenigstens „Danke, lieber Neschle!“ sagen. Ich kannte schon Leute, die für viel weniger das Bundesverdienstkreuz bekamen. Aber jetzt will ich es auch nicht mehr! Könnt Ihr behalten! Für Leute, wie … . Ach, das sage ich dann doch nicht!

    Euer Neschle

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