Guru! Guru! Guru!
Weiße Tauben sch.. Dich zu.
Ein weiser Guru grinst dazu!
Viele Menschen sind zu gut erzogen, um mit vollem Mund zu sprechen, aber sie haben keine Bedenken, es mit leerem Kopf zu tun. (Oscar Wilde)
Auch im Jahre 2007 wird es sie wieder geben: motivierende Managerseminare. Was man sich da bieten lassen muss, zeigt ein Rückblick auf 2006. Es ist das richtige Thema zur Karnevalswoche:
A. Die Mottoshow der Managerseminare. Lasst Pferde kotzen!
In Deutschland blüht das Seminar- und Vortrags-(Un-)wesen. Jeder darf mal ran. Vom ehemaligen Spitzensportler bis zu Leuten mit wohlklingenden Pseudo-Titeln. Alle erzählen staunenden Zuhörern wichtige Dinge. Einige der Zuhörer haben kurz zuvor noch Betriebswirtschaftslehre studiert. Schon müssen sie sich durch solche Vorträge beleidigen und vorführen lassen.
Kostprobe gefällig über Sinnsprüche, von denen sich mehr oder minder leitende oder leidende Mitarbeiter deutscher Unternehmungen beeindrucken lassen (sollen oder müssen)[1]? Alles nach dem Motto von John Morley: Three things matter in a speech: who says it, how he says it and what he says – and of the three the last matters least.
Der Inhalt ist am unwichtigsten. Wichtig ist die relative Prominenz des Vortragenden[2]. Der versucht die These zu beweisen, dass ein Publikum von Hohlköpfen besonders aufnahmefähig ist für alles, was das Hirn ausspachtelt. Genau so hört sich das an (Alle kursiven Sprüche sind echt, der Kommentar von Leon Neschle):
1. Ergebnisse sind die Visitenkarte einer Führungskraft! – Nicht auch einer Fußballmannschaft? Das ist ein Allgemeinplatz, auf dem man jeden Sport betreiben kann. Schon Helmut Kohl wusste: Entscheidend ist, was hinten rauskommt. Was, wissen wir alle! Sch…ade! Wir dachten, wir würden Neues lernen.
2. Der absolute Glaube an Dich selbst lässt Dich zum Sieger werden. – Na gut!
3. Erfolg hat, wer Erfolg will! – Doch nicht der absolute Glaube an Dich selbst? Der Wille zählt! Können offenbar nicht? Das kommt vielleicht mit dem Willen! Jedenfalls, wenn beim Genie die Gene stimmen.
4. Nichts macht so anziehend und selbstbewusst, wie der Erfolg! – Ups! Was muss zuerst sein: Erfolg oder der Wille und absolute Glaube an sich selbst? Henne oder Ei? Kommt Selbstbewusstsein von Erfolg oder Erfolg von Selbstbewusstsein? Dann eben beides! Irgendwo anfangen! Am besten mit Erfolg! Wenn man nichts weiß, weiß man das sowieso.
5. Unser Erfolgsfaktor No 1 ist heute der „spirit“ des Unternehmens! – Jetzt reichen Glaube und Wille nicht mehr? Erst muss die Geistheilung kommen! Der spirit des Unternehmens! Nicht dass ich vor lauter „spirit“ besoffen werde!
6. Sie bestimmen die Höhe Ihres Erfolges! – Das wäre wunderschön! Ich habe da schon eine Idee. Ich sag’ mal, da hätt’ ich gern … ! Aber lassen mich die anderen denn auch?
7. Die Zukunft Ihrer Geschäftsbeziehungen bestimmen Sie. – Schon wieder bestimme ich allein! Die anderen können nichts dagegen tun? Das müsste immer so klappen, sprach der Diktator. Denn wer die Beziehungen bestimmt, bestimmt die Menschen. Na toll!?
8. Knüpfen Sie Beziehungen, als hinge Ihr Leben davon ab – denn das tut es! – Heute nennt man das Stalking! Man läuft so lange hinter der zu knüpfenden Beziehung her, bis die glaubt, auch ihr Leben hinge davon ab.
9. Wer keine Freude an der Arbeit hat, wird sie im Leben schwer finden. – Die Wahrscheinlichkeit sinkt jedenfalls beträchtlich, wenn die Arbeitszeit weiter verlängert wird und die Arbeit den Großteil des Lebens ausmacht. Doch warum träumen so viele davon, nicht mehr zu arbeiten? Volltrottel!
10. Wer Menschen begeistern kann, kann auf Zwang verzichten! – Wer nicht begeistern kann, kann das nicht? Darum konnte Hitler nicht auf Zwang verzichten! Er konnte die Deutschen nicht begeistern. Jedenfalls nicht alle. Da blieb ihm nur Zwang. Für mich ergibt das die einfache Lehre: Jeden, den ich nicht für diesen Text begeistern kann, den stecke ich in eine Zwangsjacke.
11. Wenn Du es eilig hast, gehe langsam. – Sprach der Mensch und ließ sich vom Zug erfassen. Sprach der Manager und ließ den Konkurrenten vorbeiziehen.
12. Love Selling – Verkaufen ist wie Liebe! – Dann schon eher wie Liebe verkaufen! Man muss aufpassen, dass man den Kunden dabei nicht kaputtliebt. Vor allem, wenn man ihn für dumm verkauft. Demnächst kommt sicher: Stupid Selling – Verkaufen ist wie für Dumm (verkaufen)! Oder Direct Fuck Selling ohne lästige Maßnahmen der Vertragsanbahnung.
13. Die Zukunft gehört denen, die sie machen. – Wir alle machen die Zukunft! Die lassen wir uns nicht von ein paar Möchtegern-Yuppies abnehmen!
14. Lehre zu angeln statt Fische zu verteilen! – Da ist nicht mal der (Un-)Sinn klar. Soll ich lehren zu angeln und nicht lehren, Fische zu verteilen? Was hat der gegen Fischverkäufer? Das ist der erste Sinn, der keinen ergibt! Es ist unsozial, Leuten angeln beizubringen, die dann die Fische für sich behalten. Oder soll ich keine Fische verteilen, sondern lehren zu angeln? Leute, denen nicht zu helfen ist, die müssen sich selbst helfen. Es zumindest lernen! Das ist gut!
15. Frösche, die miauen, fallen auf! – Pferde, die kotzen, auch. Besonders vor der Apotheke! Tiefe muss eben flach sein, damit sie jeder erkennt.
Aus dem Zusammenhang gerissen, wird der Leser sagen. Da sehen alle Sprüche schlecht aus und lassen sich beliebig schlechtmachen. Aber nach dem Prinzip vom unzureichenden Grunde wird die Hälfte dieser Sprüche durch den Zusammenhang noch schlechter. Die andere Hälfte wird besser. Doch um wie viel besser muss mancher dieser Sprüche werden, damit er zum Sinnspruch wird.
B. Mit viel Spaß. Orientierungshilfen ohne Orientierung.
Man fragt sich, wie verzweifelt deutsche Managementseelen sind, um sich mit solchem Schmu ihre angeblich knappe Zeit zu vertreiben und dafür ein Stundensalär zu berappen, das der deutsche Staat seinen Hochschulprofessoren nicht einmal im Monat zahlt. Soll man doch gleich sagen, worum es geht: Um einen riesigen Spaß für Schlau und Dumm, für Groß und Klein! Aber bitte nicht um einen einzigartigen Bildungs-Event! Um sich so etwas zu verkaufen oder mit so etwas verkaufen zu lassen, muss man schon den Horizont einer knienden Waldameise haben. Geistig!
Das einzig artige, was mir zu diesem einzigartigen Bildungs-Event einfällt: Liebe Deutsche, ihr dürft ja Spaß haben ohne Ende. Aber verkauft und kauft Eure Büttenreden nicht unter dem Mäntelchen ernsthafter Bildung! Spaß ist schön! Sehr schön! Für die Herzensbildung! Man lebt länger. Da ist es richtig, wenn solche Redner mehr verdienen als die Spitzenjecken in der Bütt des Kölner Karnevals. Schließlich ist es schwerer, außerhalb des Karnevals und außerhalb Kölns Stimmung zu machen und die Leute zum Mitmachen zu animieren. Mitdenken ist hier ja nicht gefragt. Dann käme man nämlich zu erschütternden oder betrüblichen Ergebnissen.
Eines haben diese Bildungs-Redner von den Fußball-Fans gelernt. Das Werfen von Nebelkerzen kann Spaß machen. Dann zeigt man den Leuten völlig neue Dinge hinter dem Nebel, obwohl sie nur dasselbe sehen, was sie vorher schon gesehen haben. Niemals zu spät für Trivialität! Reingelegt in die und mit der Schönrede. Auch als Trivialität im Frack zu haben! – Mag sein, dass ökonomische Schulmedizin bitter schmeckt. Doch sie lässt sich nicht durch solche Voodoo-Zaubersprüche ersetzen. –
Aber es gibt auch andere Seminare! Solche, in denen Praxis von Praxis lernt. Wo die Praxis sich selbst gegen die Besten der Branche oder die beste allgemeine Praxis benchmarkt. Das wollen heute die meisten Praktiker! Das ist doch gut! Oder?
Sicher! Doch wie naiv muss man eigentlich sein, wenn man glaubt, die erfolgreichen Konkurrenten rückten auf solchen Seminaren mit ihren aktuellen Erfolgsrezepten heraus? Die schlechten Konkurrenten, ja klar! Denen schadet es kaum, wenn die anderen hören und sehen, was sie tun. Daran können sich die Zuhörer persönlich aufrichten! Das kann sicher schon ein Grund sein, solche Seminare zu besuchen. Da kann man sich amüsieren, wie über einen Komödianten, der sich dumm stellt oder wirklich so dumm ist. Aber über die Erfolgreichen, die Reichen und Schönen? Das lässt schon der Neid nicht zu! Da kann man sich nur ärgern, vor allem aus einem Grund:
Was die selber für gut halten, nutzen sie und plaudern es partout nicht aus. Nur was sie nicht oder nicht mehr für gut halten, können sie anderen ohne Schaden für sich selbst gegen Entgelt mitteilen. Jedenfalls, wenn sie schlau sind! Gute und erfolgreiche Konkurrenten sind immer schlau. Sonst wären sie keine guten und erfolgreichen Konkurrenten und man könnte nichts von ihnen lernen. Doch genau deshalb kann man es nicht! Verstanden?! – Wirklich? Dann gibt es noch Hoffnung!
Aber gibt es überhaupt Erfolgsrezepte? Und wenn es sie gibt, lassen sie sich erfolgreich nachahmen? Das glauben viele Manager, die Projektseminare besuchen. Auf denen lassen sie sich von Mal zu Mal und zwanzigmal erklären, wie sie ihr Projekt bewältigen, statt einmal zu lernen, wie man die Sache selbst in die Hand nimmt. Lieber lassen sie sich zwanzigmal eine Wegeskizze vorzeichnen als einmal das Kartenlesen zu lernen. Lieber immer wieder neu die Praxis anderer nachahmen als die Dinge einmal theoretisch zu durchdringen. Das Theoretische dauert länger und kostet, doch es bringt auch mehr Substanz. Man erspart sich neunzehn weitere Projektseminare vom Typ: Wie können mir andere zeigen, wie mein Projekt laufen muss?
Ich bewundere Unternehmungen, die ihre Mitarbeiter immer wieder zu solchen Seminaren senden. Denn ein Mitarbeiter hat spätestens dann seine Inkompetenz bewiesen, wenn er zum dritten Mal dort aufschlägt. Dann müsste klar sein: Er ist Gesandter, aber kein Geschickter. Solchen Leuten ohne Orientierung sollte man nicht die Geschicke anderer Menschen anvertrauen. Da kann eine ganze Unternehmung im Denknebel verlorengehen! –
C. Wahrheiten kommen nur noch von Narren?!
Natürlich sind nicht alle Seminare schlecht. Vor allem solche nicht, die sich um konkrete Zukunftsbewältigung bemühen, wo es gilt, das Verständnis der Avantgarde auf Nachzügler zu übertragen. Bei denen Vordenker Nachdenker zum Mitdenken bewegen und ihnen ermöglichen, selbst Vordenker zu werden. Und solche natürlich, die sich mit dem Verständnis grundlegender Prinzipien befassen. Aber bitte nicht mit solchen Weisheiten wie den oben genannten. Doch viel mehr erwarten Praxis und Politik auch nicht von der Wissenschaft.
„Wenn ich lachen will“, sagte Kurfürst Karl Ludwig von der Pfalz, „lasse ich mir ein paar Professoren kommen und sie miteinander disputieren.“ Mit dieser Feststellung war er seiner Zeit (1617 – 1680) weit voraus. Er gab dem Professor eine Aufgabe, die er noch heute hat: die des Hofnarren.
Die ungeschminkte Wahrheit sagen zu können, ohne dafür Sanktionen befürchten zu müssen, war von jeher sein Privileg. Zumindest das, was der Hofnarr, manchmal im Unterschied zum Rest der Welt, dafür hielt! Zum Glück musste und durfte er das fast nie das in die Tat umsetzen, geschweige denn, die Verantwortung dafür tragen. Deshalb galt der Hofnarr als harmlos und konnte die Fackel der Wahrheit vor sich her tragen, ohne Königen und Fürsten den Bart zu versengen.
Mit der Rolle des Hofnarren kann sich ein Professor durchaus identifizieren. Leichter jedenfalls als mit der Funktion, die Politiker und Praktiker den Professoren in neuerer Zeit gerne geben: Die Politiker (be-)nutzen die Professoren wie die Betrunkenen die Laterne: Sie suchen Halt, aber kein Licht! Sie (miss)brauchen Wissenschaftler und Wissenschaft zur „Rechtfertigung“ ihrer Entscheidungen, ohne die Dinge selbst verstehen zu müssen.
Wir müssen ja auch nicht verstehen, was die Politik uns zumutet. Wir müssen es tun! Das würde auch einem Wissenschaftler reichen. Doch da fehlt ja noch eines, damit es Politik wird: der Kompromiss der faule!
Helau und Alaaf!
Willst Du Neues mal erfahren,
treibt es Dich zu Seminaren.
Als LehrerIn, für hohe „Rente“,
spricht zu Dir manch’ Prominente.
Schnell spannt sie Dich vor ihren Karren
Und macht aus Dir ’nen* Semi-Narren.
* (Bitte nicht „Dirnen“ lesen!)
[1] Die kursiv gedruckten Zitate stammen aus: Menschen begeistern – Menschen aktivieren. Top 100. Excellent Speakers für ihren Erfolg 2006, hrsg. Von Speakers Excellence, Stuttgart 2005.
[2] Zukünftig wird man auch bei deutschen Professoren keinen Gedanken mehr inhaltlich beurteilen müssen. Die Abspaltung von Elite-Universitäten erspart viel Denkarbeit, denn schon bald wird man den Irrtum eines Elite-Professors der Erkenntnis eines Stino-Professors vorziehen können und das auch tun [„Stino“ von stinknormal und Nicht-Elite].
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Begeisterung und Lob für die geistreiche Unterhaltung….durch Zufall bin ich auf diese Seite gestoßen und kann nicht aufhören weiterzulesen… Danke!!!