Statt stattlichem Lohn oder staatlichem Mindestlohn unstattliche stadtliche „Aufwandsentschädigung“
Multiple Staatsheuchelei und zu viel Bürgertoleranz
Es gibt einen staatlichen Mindestlohn von 8,50 pro Stunde. In Essen gibt es auch einen stadtlichen von 1,25 pro Stunde, plus drei Flaschen Bier pro Schicht, warmes Essen und Tabak zum Selbstdrehen für das Säubern der Stadt durch Suchtkranke[1]. Beides sind keine stattlichen Löhne und der stadtliche Lohn verstößt augenscheinlich gegen den staatlichen Mindestlohn. Doch so ist das heute: Gesetze gelten für alle, nur nicht für die Behörden des Staates, von dem die Gesetze gemacht werden.
Unser Staat hat sich daran gewöhnt, nach Belieben zu handeln und für seine Bürger alles zu sein, nur kein nachahmenswertes Vorbild. Er ist vielmehr das Musterbeispiel für schlechtes Benehmen geworden. Er verlangt von den Bürgern, sich Gesetzen zu beugen und Usancen zu wahren, die er selbst nicht einhalten will. Beispiele gefällig:
- Auf der niedrigeren Ebene schlechten staat- und stadtlichen Benehmens rangiert seine miserable Zahlungsmoral.[2] Sie zwingt viele Handwerker, bei staatlichen Aufträgen monatelang auf ihr Geld zu warten. Die besseren Handwerker mit gut gefüllten Auftragsbüchern verweigern sich daher mittlerweile solchen Aufträgen, obwohl staatliche Erfüllungsgehilfen sich bei Fehlleistungen meist nachsichtiger verhalten als private Auftraggeber.
- Bei Steuerdaten fördert unser Staat weiter den Datendiebstahl und beteiligt sich ungeniert an Datenhehlerei, die auch hierzulande kriminell wäre, würde sie sich gegen diesen Staat richten. Neschle hat das kritisiert. Doch es gibt dazu viel kurzsichtige Zustimmung, die verkennt, welchen Hund man da von der Kette lässt. Denn auch bei anderen Straftaten erlaubt sich unsere Staatsmacht immer öfter, selbst strafbare Methoden anzuwenden. Davon sehen wir weniger als die Spitze eines Eisbergs. Daher sollten uns schon kleine Indizien aufmerken lassen. Denn:Noch haben wir kein amerikanisches oder mexikanisches „Niveau“ erreicht, wo der Bürger nicht mehr weiß, was schlimmer ist: der Polizei in die Hände zu fallen oder der Drogenmafia. Doch die Anfänge sind auch hier gemacht und wir sind auf dem Weg, wenn wir solche Methoden dulden, ja sogar Beifall klatschen, weil der höhere Staats-Zweck selbst die abscheulichsten Mittel zu heiligen scheint. Für eine Nulltoleranzstrategie, die Verbrecherkarrieren im Keim ersticken soll, haben wir bei unserem Staat den Zeitpunkt schon verpasst[3].
- Der Staat verfolgt Steuerhinterzieher immer konsequenter und spricht immer härtere Strafen aus[4]. Mehr als 6000 Verfahren gegen Mitglieder der Chefetagen deutscher Unternehmungen sind mittlerweile vor deutschen Gerichten anhängig.[5] Immer mehr Manager sitzen in deutschen Gefängnissen wegen Untreue. Doch Erfüllungsgehilfen des Staates bleiben im Amt und der zeigt sich bei diesen extrem nachsichtig, etwa beim Milliardenschaden um den Berliner Flughafen. Dafür sitzen Steuerhinterzieher für Jahre im Knast und meist reicht nicht mal ein Dutzend von ihnen aus, um die Verschwendung eines einzelnen Politikers zu kompensieren, der ungestraft härtere Strafen für Steuerhinterzieher fordert.
- Die Stadt Essen kaschiert die 1,25 Euro pro Stunde für die Reinigung der Innenstadt als „Aufwandsentschädigung“. Welcher Aufwand soll entschädigt werden? Kann nun auch der Privatmann seinen Verstoß gegen das Mindestlohngebot mit einer Aufwandsentschädigung begründen, auf die man sich gemeinsam geeinigt habe? Kann er das zumindest, wenn er Suchtkranke beschäftigt oder müsste er denen den höheren Mindestlohn zahlen?
Weiter kann die ethische Entfremdung zwischen Wahlvolk und Politikerkaste kaum noch werden. Quod licet iovi non, licet bovi! Was dem Jupiter Staat erlaubt ist, darf längst nicht jeder Wahlochse, es sei denn er handelt in staatlichem Auftrag. Dann darf er sich als verdeckter Ermittler irgendwie sogar an Straftaten beteiligen oder an Datendiebstahl und Datenhehlerei, Steuergelder darf er fast beliebig verschwenden oder ausbeuterische Arbeitsbeziehungen eingehen oder was sonst noch unter Strafe steht, wenn ein Privatmann ähnlich handelte. Die Doppelmoral unserer Politiker und Behörden wir immer größer. Ein letztes Beispiel:
In NRW wird von denselben Politikern eine Erhöhung der eigenen Diäten verabschiedet[6], zugleich jedoch selektiv die Besoldungserhöhung für Richter und höhere Beamte verweigert. Da es aber im Vorfeld fast keine Stimme gab, die Letzteres für verfassungsgemäß hielt[7], war das, was die Landesregierung dann trotzig durchzog, zumindest ein grob fahrlässiger Verstoß gegen Verfassungsrecht, wenn nicht gar ein vorsätzlicher. Staatsgewalt wird bei uns zunehmend nach Gutsherrenart ausgeübt. Gesetze und moralische Normen gelten nur für die Bürger, nicht für Regierung und Behörden. Das ist unserer Demokratie nicht würdig.
Nach dem treulosen Umgang der Landesregierung mit ihren Richtern und höheren Beamten außerhalb verfassungsrechtlicher Normen in NRW, lässt sich bei diesen noch heute passiver Widerstand erkennen. Denn „Beamtenstreik“ ist möglich! Wenn der Arbeitgeber die Bezahlung nicht der Leistung angleicht, gleicht sich eben die Leistung der Bezahlung an. Und durch die Nachzahlung im Dezember 2014 sind die alten Wunden aber noch nicht verheilt.
Das Vertrauen zwischen der Regierung und „ihren“ Beamten war und ist in NRW nachhaltig gestört. Das zeigt sich auch in Klagen gegen den Arbeitgeber[8]? Es wird noch Jahre dauern, bis NRW seine Richter und höheren Beamten „wieder in der Spur“ hat. Dieses Land wird sich jahrzehntelang im fairen Umgang mit ihnen üben müssen, um deren Loyalität und Vertrauen wiederzugewinnen.
Doch Neschle glaubt, die in Düsseldorf sind zu bor(ja)niert, um das zu verstehen und sie haben nicht die Kraft, hier umzudenken.
[1] Vgl. etwa http://www.welt.de/vermischtes/article132704325/Alkoholiker-putzen-fuer-drei-Bier-pro-Schicht.html.
[2] Die Klagen gibt es schon lange, doch es ändert zum Schlechteren. Vgl. z.B. für 2009 http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/bauwirtschaft-in-sorge-der-staat-ein-saeumiger-zahler-1.30224. Und für 2013: http://www.finanzen-nachrichten.com/index.php/Finanznachrichten/schlechte-zahlungsmoral-staat-hat-offene-rechnungen-ueber-80-milliarden-euro.html. In Österreich wird der Staat 2012 sogar als „schlechtester Kunde“ bezeichnet: http://www.kleinezeitung.at/s/steiermark/3978386/Zahlungsmoral_Staat-ist-schlechtester-Kunde.
[3] Mit Schrecken denkt Neschle an ein Ereignis, bei dem er Augenzeuge eines gezielten, aber willkürlichen Polizeiübergriffs in Dortmund wurde.
[4] Jüngst etwa durch engere Zusammenarbeit von Polizei und Steuerfahndung. Vgl. etwa http://www.rundschau-online.de/politik/kampf-gegen-steuerbetrueger–polizei-und-finanzaemter-ruecken-in-nrw-zusammen,15184890,29162702.html.
[5] Vgl. http://www.rp-online.de/wirtschaft/unternehmen/thomas-middelhoff-die-chefetagen-und-die-justiz-aid-1.4673299.
[6] Vgl. http://www.derwesten.de/politik/nrw-landtag-beschliesst-diaetenerhoehung-id6328564.html.
[7] Vgl. etwa http://www.rehmnetz.de/beamtenrecht-blog/beamtenbesoldung-in-nrw-eindeutig-verfassungswidrig/.
[8] Vgl. etwa http://www.welt.de/regionales/koeln/article126267564/Richter-in-NRW-klagen-gegen-zu-geringe-Besoldung.html.
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Das jüngste Beispiel für eine staatliche Politik, die gegen sich nicht gelten lässt, was sie anderen vorschreibt, ist die Frauenquote. Für die Wirtschaft geltende Regulierungen sollen nicht auf staatliche Institutionen übertragen werden. Auch das ist eine Form staatlicher Willkür, die sich mündige Bürger nicht gefallen lassen sollten.