Die große Verneigung vor den Mobbern
Bayrische Politik schüttet das Kind mit dem Bade aus. Anti-Diskriminierung allenthalben, außer bei Verwandten?
Sie machten es jahrelang falsch die Bayern, weil viele Politiker dort vorzugsweise Verwandte beschäftigten. Nun wollen sie es wieder falsch machen, nur dieses Mal in die andere Richtung und Verwandte unabhängig von ihrer Eignung(!) diskriminieren.
Doch wie sagt unser Grundgesetz in Artikel 3 Absatz 3: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“ (Hervorhebungen – Neschle)
Verwandte sollen in Bayern künftig nicht nur bei gleicher Qualifikation benachteiligt sein, sondern allgemein und ohne jede Rücksicht auf ihre Qualifikation. Ist ein Verwandter in der Politik, hat seine Spezies beim politischen Fußvolk nichts mehr zu suchen. Reicht es für diese umfassende Diskriminierung aus, wenn die Sache ein „Geschmäckle“ hat, wie der CDU-Vorsitzende von Baden-Württemberg Thomas Strobl meint? Neschle nennt das nicht nur „Das Kind mit dem Bade ausschütten!“, sondern einen Verstoß gegen das Nichtdiskriminierungsverbot des Grundgesetzes.
Natürlich ist die andere Seite der Medaille, Nepotismus oder Vetternwirtschaft in der Politik, eine Geißel der Menschheit. Ich plädiere aber dafür, das Maß zu wahren. Denn so schlimm wie in Nordkorea war es in Bayern nach den Königen(!) noch nie. Es gab auch keine Margot Honecker. Und die anderen Parteien waren in der Sache erstaunlich still: die SPD, sogar die Grünen. Jeder fürchtete sich offenbar davor, in dieser Sache an den Pranger gestellt zu werden. Richtig so: Denn hier wurden vielleicht(!) Menschen nur(!) wegen ihrer Abstammung oder Herkunft bevorzugt. Und das will das Grundgesetz nicht, aber eben auch keine Diskriminierung nur deswegen.
In der Wirtschaft ist die Bevorzugung Gang und Gäbe. Mit dieser Masche hat der deutsche Mittelstand Jahrhunderte hervorragend überlebt. Da hat selbst eine Unternehmerbrut die Führung übernommen, die von Beruf nur Sohn oder Tochter war.
Ganz vorn in dieser Disziplin sind auch von Ausländern betriebene Unternehmungen. Das gilt für den italienischen Pizzabäcker bis hin zum türkischen Großunternehmer. Überall sehen wir Vetternwirtschaft. Ohne die würde da nichts laufen. Doch wer will es ihnen verdenken, sich selbst und ihrer Firma Stabilität zu geben?
Doch für den Steuergesetzgeber hat die Beschäftigung des Ehepartners auch bei Unternehmungen ein „Geschmäckle“. Daher gibt es hier verschärfte Regeln zu dem Beschäftigungsverhältnis. Unternehmer könnten hierüber selbst dann ein Realsplitting durchsetzen, wenn die Grünen sich steuerpolitisch durchsetzen. Und das Familiensplitting der CDU wird in italienischen oder türkischen Großfamilien über die Beschäftigungsverhältnisse im gemeinsamen Restaurant schon längst realisiert.
In der Politik ist das nur deshalb anders, weil man dort nicht Geld verwendet, für das man selbst haftet, sondern solches, für das der Steuerzahler haftet. Das Einzige, was hier also zu fragen ist: Mit welcher Lösung ist der Steuerzahler am besten bedient?
Die Versorgung von Angehörigen jeder Art mit Steuergeldern: Das geht gar nicht! Darin dürften sich alle einig sein. Doch dass der Ehepartner als kostenloser Mitarbeiter und Berater selbst außerhalb der Bürozeiten mit-wirkt, nimmt der Steuerzahler gerne mit. Und es ist wohl mehr als ein Gerücht, dass die Evangelische Kirche ungern JunggesellInnen einstellt. Bei Verheirateten kommt nämlich ein unbezahlter Helfer des Pastors oder der Pastorin hinzu und bringt zugleich mehr Stabilität ins Pfarrhaus. Da hat man gar nichts gegen eheliche Beziehungen, diskriminiert sogar fachlich besser geeignete Unverheiratete. Einen Vorteil gegenüber den Katholiken hat man da auch: Die müssen kostenpflichtig eine Haushaltshilfe beschäftigen, die zudem bei der Gemeindearbeit meist wenig hilfreich ist.
Doch stellen wir uns folgendes Szenario in der Politik vor:
Bei einer Abgeordneten der Grünen bewirbt sich ein junger Mann, der ihr für den Posten des Büroleiters am geeignetsten erscheint und das nach allen objektiven Kriterien auch ist. Mit der Zeit lernen die sich außerhalb der beruflichen Tätigkeit kennen und lieben. Als Grüne sind sie nicht so heiratsfreudig, aber aufgrund der neuen Rechtslage werden sie ohnehin nicht heiraten.
Trotzdem kommt ein Mobber auf ihr Verhältnis und legt es – bei Mobbern eher ungewöhnlich – als das aus, was es ist: als eheähnliche Beziehung. Die Politikerin kommt nun unter Einfluss von Gesetz und Fakten dazu, denen Recht zu geben, die meinen, die Sache habe ein „Geschmäckle“. Sie entlässt ihren Partner und es kommt darüber auch zur Trennung der privaten Beziehung. Nun könnte sie ihren Ex wieder einstellen. Sie müsste das im Sinne des Steuerzahlers sogar tun, denn er war und ist der beste Bewerber für diesen Job. Denn warum sollte der Steuerzahler ein Interesse daran haben, dass nicht die besten Bewerber für eine öffentliche Position gewählt werden? Nur weil das für Mobber ein „Geschmäckle“ hat? Soll man sich jeder Spekulation, jeder üblen Nachrede beugen, die auf Missgunst, Neid oder auf politischer Antipathie beruht?
Es ist wie immer, wenn zunächst allein sachfremde Gründe gelten: Wenn bei der quotenbedingten Bevorzugung von Frauen als erstes zwischen die Beine geschaut wird, statt zwischen die Ohren, oder wenn Herkunft und Abstammung jedes inhaltliche Argument in den Hintergrund drängen: die Vor-Urteile schreiten voran und die Vernunft bleibt auf der Strecke. Deshalb: Verschärfte Prüfungen bei Verwandtschaftsbeziehungen ja, doch genereller Ausschluss? Warum sollte ein Verwandter nicht die beste Besetzung sein? Nur weil man Mobber ruhigstellen will, lässt man sich eine schlechtere Besetzung gefallen?
Neschle hätte Respekt vor jedem, der in diesem Fall seine Entscheidung verteidigt und das Feld nicht den Mobbern und Verdächtigern überlässt. Wenn wir dieser Internet-geförderten Spezies nicht Einhalt gebieten, darf man auch keine Geistesverwandten mehr einstellen. Da werden die politischen Institutionen vollends ineffizient.
Neschle weiß es aus eigner Erfahrung: Er hat sich bei einer Bewerbung einmal bewusst gegen die Sekretärin mit den besseren Zeugnissen entschieden. Denn er erkannte, dass bei deren Arbeitsverhalten die „Chemie“ nie stimmen würde und es Sand im organisatorischen Getriebe des Lehrstuhls gäbe.
Auch solche „chemischen“ Gründe können dafür sprechen, Verwandte einzustellen. Das kann man fast in jeder Pizzeria erfragen. Hinzu kommt: Mit der Ehefrau arbeitet es sich außerhalb der Bürozeiten leichter zusammen. Davon kann zwar das Evangelische Pfarrhaus weiter profitieren, doch bei solchen Gesetzen künftig nicht mehr der deutsche Steuerzahler. Und alles nur, weil man vor den Mobbern kapituliert! –
Nachtragend ohne eigene Worte. Das haben wir jetzt öfter, denn alle liegen auf der Lauer, sorry: dem Lauer:
„Christopher Lauer, Fraktionschef der Piratenpartei im Berliner Abgeordnetenhaus, hat den Vorwurf der Vetternwirtschaft zurückgewiesen. Die Mutter seiner Freundin habe zwar tatsächlich eine Stelle als Pressesprecherin der Fraktion, sagte Lauer am Freitagabend bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz. Er habe seine Freundin aber erst im Dezember 2012 kennengelernt, als die Einstellung der Mutter schon seit Monaten beschlossen gewesen sei“ (http://www.kreisbote.de/news/politik-wirtschaft/piratenpartei-christopher-lauer-verteidigt-sich-gegen-vorwurf-vetternwirtschaft-zr-2912630.html).
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