Klammheimliche Antidemokraten?
Presse voll fan(t)a(s)tischer Polit-Phantasie!
Heute schon wieder die Meldung: „Schwarz-Gelb hat keine Mehrheit mehr!“ Zum x-ten Mal schon nach der letzten Wahl. Und die (un-)politische Presse schreibt weiter: Nur noch 45% für Schwarz-Gelb, während SPD, Grüne und Linke zusammen 47% haben. Diese Presse schreibt wirklich „47% haben“, nicht einmal mehr „hätten“.
Natürlich hätte diese Presse Recht mit ihrer fehlenden Mehrheit für Schwarz-Gelb
1. für den (eher unwahrscheinlichen) Fall, dass wir heute schon wieder Bundestagswahl hätten,
2. für den schon etwas wahrscheinlicheren Fall, die Wähler, die dann zur Wahlurne gingen, verteilten sich genauso wie in der Umfrage,
3. für den schon wieder weniger wahrscheinlichen Fall, es gäbe keine Überhangmandate, welche die Prozentverteilung durcheinanderwirbelten,
4. für den phantastischen Fall, die spontan oder gezielt politisch gefakte Koalition von SPD, Linken und Grünen käme genau so zustande, wie sich die Presse das heute schon vorstellt, um ihr die Mehrheit gegenüber Schwarz-Gelb bescheren zu können.
Aber was, wenn all das oder auch nur eines davon nicht so ist, z.B. dass heute möglicherweise gar keine Bundestagswahl ist? Was will uns die Presse dann mit dieser Meldung „Schwarz-Gelb verliert Mehrheit“ sagen? Inhaltlich höchstens: Passt auf Schwarz-Gelbe, die anderen punkten! Habt Mut Rosarote, Blutrote und Grüne, ihr habt in der öffentlichen Meinung aufgeholt!
Ja, das wäre es! Mehr nicht! Wenn da doch nicht dieser Unterton wäre, mit dem der gegenwärtigen Regierung wegen „demoskopischen Mehrheitsverlustes“ klammheimlich die Legitimität zur Fortsetzung der Regierungsarbeit abgesprochen wird: Das Volk hat gesprochen. Demokratisch! Also „eigentlich“ hat diese Regierung heute schon die Berechtigung zum Regieren verloren!
Da macht es auch nichts, dass SPD, Grüne und Linke erst einmal koalieren müssten und Vertreter der SPD den Linken auf Bundesebene noch jüngst die Regierungs- und Koalitionsfähigkeit abgesprochen haben. In den Köpfen der Journalisten erzeugt die Umfrage selbst schon einen legitimen Regierungswechsel: Von nun an liegt die demokratische Mehrheit nicht mehr bei der Regierung und sie müsste daher die Regierungsgeschäfte niederlegen. Deshalb gibt es auch eine demokratisch legitimierte Berechtigung, die Arbeit dieser nicht mehr gewollten Regierung zu lähmen. Sie dürfte nicht mehr im Amt sein und jetzt holen wir sie „im Namen des Volkes“ auch journalistisch da raus. Da sind wir Journalisten natürlich Sachwalter des demokratischen Willens gegen die Machterschleicher. –
Mit diesem journalistischen Produkt geistiger Windstille wird eine Hektik in die Politik gebracht, die der neuerlich so vehement geforderten Nachhaltigkeit widerspricht. Das ist Ausdruck einer Philosophie, die sich den Trainerwechsel beim Fußball zum politischen Vorbild nimmt. Doch welchen Sinn hätte das? Und wenn die Frage schon zur einen Seite gestellt ist: welche Legitimität?
Unser Grundgesetz fordert Respekt vor dem Ergebnis „demokratischer Wahlen“. Demokratische Wahlen sind die einzige Quelle politischer Legitimität. Genau diesen Respekt lässt eine solche Presse vermissen. Zugunsten eines Ergebnisses „demoskopischer Umfragen“?! Gemach, gemach!
Einer Regierungskoalition ihre Legitimität abzusprechen, weil sie eine demoskopische Mehrheit verloren hat, zeugt von mangelndem Respekt vor demokratischen Institutionen, klammheimlich undemokratischen Bewusstsein, vielleicht sogar von antidemokratischem. Oder von dem übermenschlichen Glauben, man könne selbst die Gegenkoalition Rot-Rot-Grün schmieden. Oder es zeugt von Unbedachtheit, Blödheit und Effekthascherei.
Hoffen wir in diesem Fall auf das Letztere! Doch dann muss man fragen, welchen Gehalt man für das Gehalt der Presseleute eigentlich erwarten dürfte.
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