Ein Geschießter sollte nicht selbst foulen!
„Eure Scheiß-Stimmung, da seid Ihr doch dafür verantwortlich und nicht wir.“
Auf dem Rasen spielen sich dramatische Szenen ab. Strafstoß! Elfmeter für den FC Bayern! Luca Toni wurde gefoult. Toni schießt selbst. Tim Wiese, der Torwart von Werder Bremen, hält. Die Kamera des DSF zeigt den „Kaiser“ in mäßiger Erregung. Der Reporter weiß, Franz Beckenbauer hat das kritisiert: „Ein Geschießter … oh! … ein Gefoulter sollte nie selbst schießen!“ Das Dilemma zwischen einem verschossenen Elfmeter und einer alten Fußballweisheit.
Mehrfach richtet sich die DSF-Kamera auf die Oberen des FC Bayern. So wie die sieht eine Beerdigungsgesellschaft aus, wüsste man nicht, dass die grau-schwarz gekleidete „Glotz-Allianz“ in der „Arroganz Arena“ dem Bundesliga-Spiel gegen Werder Bremen zusieht. Nur am rechten Bildrand taucht ein rot-weißer Schal auf, um den Hals eines Bayern-Bubs geschlungen. Das einzige, hier sichtbare „Fansymbol“!
Derweil tummelt sich Clemens Tönnies, Aufsichtsratsvorsitzender des FC Schalke 04, mit blau-weißem Schalke-Schal inmitten von Block 60, dem Schalker Fan-Ghetto im Dortmunder Stadion, sichtlich ein Teil der Fangruppe. Glückauf, die Steigerung kommt: Tönnies beherrscht sogar die Fan-Gesänge. – Und die bayrischen Vereinsmeier? Sicher keiner davon!
Diesen Unterschied dieser Fankulturen lernte Neschle schon früher kennen. Die Allianz Arena lag fast noch in den Geburtswehen, da war Neschle dort. Mit einem Freund zum Spiel FC Bayern gegen Schalke 04. Damit es verrückt wurde, gingen sie schalke-geschmückt ins Allerheiligste des FC Bayern: den Platinbereich. Da kann man mit dem Auto mitten unters Stadion fahren, wird an einer Rolltreppe von einem Rollkommando von Empfangsmenschen begrüßt und rollaufwärts ins vornehme Platin dirigiert. Da gibt es Essen und Trinken „all inclusive“ und den direkten Zugang zu den Zuschauerrängen, abgegrenzt vom gemeinen „Nicht-Platini“.
Doch wie verwundert war Neschle als er im Platinbereich des FC Bayern mehr königsblaue Schalke-Fans identifizieren konnte als Bayern-Fans. Blau-Weiß dominierte Rot-Weiß. Doch alles in allem herrschte hier die „gehobene Straßenkleidung“.
Einige Zeit zuvor war Neschle in der Veltins Arena im Promi-Bereich der Schalker. Auch da gab es mehr Straßenkleidung als in der „Fankurve“. Doch etwa die Hälfte der Anwesenden war (königsblau) „farbentragend“. Beim FC Bayern war es kaum ein Prozent. Mal ein kleiner „BuB“ („Bayer unter Bayern“), der sich mit rot-weißer Mütze präsentierte als Entschuldigung für die „Fanunfähigkeit“ und „Bayernpeinlichkeit“ seiner Eltern. Die hätten, wie sie gekleidet waren, auch auf einer Vernissage, beim Pferderennen, Tennis oder einer Beerdigung auflaufen können. Keinerlei „Korpulent Eidentitti“! Sieht man davon ab, dass Bier und Weißwurst diese charakteristischen Menschen dort formen.
Dann ging es hinaus zum Spiel. Ausverkauftes Haus. Merkwürdig schlechte Verteilung von Sonnenlicht und Schatten in dieser Arena. Hier hat der Architekt offenbar nicht aufgepasst. Die Schalker Fans waren naturgemäß in der Unterzahl. Immerhin etwa 15 – 20.000! Doch beim Farbentragen gab es einen Gleichstand; pho- ebenso wie fre-netisch hatten die Schalker ein Übergewicht. Selbst nach der Niederlage waren sie besser gestimmt als die Bayern. Obwohl dem 1:0 eine vom Schiedsrichter ungeahndete Tätlichkeit von Demichelis vorangegangen war, haderte keiner der Schalker damit, ließ es sich zumindest nicht anmerken. Wäre Neschle Bayern-Fan, hätte ihn das schon sehr gewundert.
Daran erinnerte sich Neschle, als er am Sonntag die grau-schwarz gekleidete Prominentenloge des FC Bayern sah. Und an die Fanschelte von Bayern-Manager Hoeneß auf der Jahreshauptversammlung des Vereins: „Eure Scheiss-Stimmung: Da seid Ihr doch dafür verantwortlich und nicht wir. … Wer ist schuld dafür? Fans, die von gestern leben. … Was glaubt Ihr eigentlich, wer Ihr seid?“ –
Stimmungsmäßig führen Dortmund und Schalke sicher die Fan-Tabelle an. Die Fan-Kultur des FC Bayern gehört dagegen auf einen Abstiegsplatz. Darin hat Uli Hoeneß Recht. Mit der Schuldzuweisung sollte er jedoch vorsichtiger sein! Tauchen die Vereinsvorderen zum Spiel ihrer Mannschaft auf, als sei es eine Beerdigung, und zeigen dabei sogar weniger Regung, kann man auch da die Frage nach der Stimmung stellen: „Was glaubt Ihr eigentlich, wer Ihr seid!“ Ihr seid doch die „Vorturner“!
Für seine „Scheiß-Stimmung“ ist zwar jeder selbst verantwortlich. Doch die „Vorturner“, die eine solche „Scheiß-Stimmung“ vorleben, sollte der Uli nicht vergessen. Das sind nicht mal „Fans, die von gestern leben.“. Das sind Fans, die ein Schalker gar nicht als Fans (an)erkennen würde, so wie Neschles Hund Lucy Pudel gar nicht als richtige Hunde akzeptiert. Da sind sie selbst „schuld dafür“, die Vereinsoberen des FC Bayern! Sie sind die selbst Geschießten und sollten daher auch nicht foulen.
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