Weg in „Das Leben der Anderen“[1]
Der Verlust der Freiheitshygiene
Länger schon V-Männer bei der NPD, neuer V-Kinder (bis 14) und Jugendliche (14 – 17) im Kinder- und Jugendschutz. Moralwächterlein, eingesetzt jenseits der Moral auch ohne den nun offiziell ausbleibenden Segen der Schneewittchen-Ministerin mit ihren sieben Zwergen[2]. Denn die hat unter dem Druck öffentlicher Kritik ihren öffentlichen Vorschlag zum Einsatz der „kleinen Detektive“ zurückgezogen.
Dieser Einsatz wird allerdings längst gelebt in der Praxis einiger Ordnungsämter wie Presseberichte zeigen. Es gibt zudem neue Forderungen danach mit Hinweis auf die gestiegene Zahl von Komasäufern im Kinder- und Jugendalter. Unseren Tugendwächtern ist keine Untugend mehr zu schade, um sie im Kampf für die Tugend einzusetzen. Diese Form von „Kindesmissbrauch“ wird amtlich verordnet gegen den Alkohol- und Tabakmissbrauch von Kindern und Jugendlichen. Frau von der Leyen hatte gesagt, sie wolle dafür nur Jugendliche ab 14 Jahren einsetzen, geschrieben hatte ihr Ministerium aber von „Kindern und Jugendlichen“.
Diese „Baby-Spionage“ reiht sich ein in eine Kette von Maßnahmen zum Durchwandern des Lebens der Anderen. Im Steuerrecht sind wir fast so weit, dass das Finanzamt die Steuererklärungen machen kann, weil es besser als wir Bescheid weiß über Einkünfte und Bankverbindungen.[3] Telefon und Handy werden längst abgehört. Natürlich nur, wenn ein gesetzlich verordneter Grund besteht! Aber es gibt tausende von Gründen und Ansichten darüber, ob solche Aktionen der Intention des Gesetzgebers genügen. Demnächst werden Informationen über Telefonverbindungen und E-Mails von uns allen sechs lange Monate „vorsorglich“(!) gespeichert. Mildere Bedingungen bekommen Abgeordnete. Klar: Mit eigenem Quellwasser segnet man sich leichter! Journalisten, Psychiater und Professoren nicht! Aber Seelsorger (Auch der Kalif von Köln?) und Strafverteidiger (Geht es nicht um Aufdeckung von Verbrechen?).
Weil die Abzuhörenden (den „Auszubildenden“ nachempfunden) von dieser Regelung wissen, wird man auf diese doofe Tour auch nur Doofe fangen. Die armen Kleinkriminellen müssen also dran glauben. Die klugen Großkriminellen drehen den Spieß einfach um. Sie versorgen Augen und Ohren der Staatsneurotiker über den neu angebotenen Informationskanal gezielt mit Fehlinformationen. Aus dem Informationsirrgarten müssen die Fahnder dann erst wieder hinausfinden. Eine echte Erleichterung – für die Großkriminellen.
Das Internet soll folgen, obwohl sich Experten fragen, welche Trojaner die Behörden gegen die Antiviren-Anbieter antreten lassen wollen. Würde man aber den Virenschutz gegen „behördliche“ Trojaner verbieten, wäre dem Missbrauch durch neugierige Phisher Scheunentür und -tor geöffnet. Mindestens genau so gefährlich ist der allerdings Missbrauch dieser Spionagemethoden durch die Behörden selbst. Doch der wird öffentlich beschwiegen:
„NS-Staat und DDR wären froh gewesen über das „moderne“ Spionagewesen“, gibt Neschle zu bedenken. – „Bestimmt!“, wird von den Schäubles dieser Welt eingeräumt, „Es sind ja auch dieselben Mittel, aber sie werden in anderem Rahmen eingesetzt: im demokratischen Rechtsstaat.“ – „Gut“, antwortet Neschle, „nehmen wir mal an, das mache den Unterschied. Welches Geschenk machen wir da, sollte in Deutschland künftig wieder mal die Krebsgeschwulst freier Radikaler wüten. Kommen die nie wieder? Gerade waren die noch da und sie lauern schon dort, wo die Sonne aufgeht!“ – „Das werden wir verhindern!“, brüsten sich die Schäubles. – „Wenn einer das verhindern kann, dann nicht die Schäubles, sondern das tatkräftig umgesetzte Bewusstsein der Bürger. Mit Zivilcourage! Denn „qui tacet, consentire videtur“ („Schweigen wertet man als Zustimmung“).“
Abgesehen von diesem großen Thema: Wie sieht es aus mit der „Selbstselektion“ bei „Spionagejobs“? Es sucht sich doch die Nachfrage das (zu) ihr passende Angebot. Wer bewirbt sich also für diese „Arbeit“, wer will so was machen, wer drängt da hinein? Leser von Gala oder Bunte? Spanner, verhinderte Paparazzi? Menschen mit Blockwartmentalität? Gibt es davon einen Bodensatz auch hier, der nur darauf wartet, dass sich jemand seiner bedient? Ist es heute nicht nur eine andere Scheiße, aber im Grunde dieselben Fliegen, die genau das auch in anderen Systemen tun würden? Wer hält die neue Fliegenpest unter Kontrolle bei einer Mentalität im Öffentlichen Dienst, die den Staatsdiener fast unangreifbar macht? Muss man ihn nicht sogar noch unangreifbarer machen, wenn man ihn mit solchen Aufgaben versieht? Wer hat dann noch den Überblick über das Wirken der V-Leute, wer kann garantieren, dass nicht Doppel-Vs daraus werden? Ein Instrument kann jeder drehen!
Summum ius, summa inuria, heißt es. Aber gilt dasselbe nicht auch für die Sicherheit? Schaffen wir auf der Suche nach der größtmöglichen Sicherheit nicht zugleich die größte Unsicherheit? Das ist doch die Erfahrung, die wir mit der Staatssicherheit gemacht haben. Wo man die größte Sicherheit anstrebt, lebt der Bürger in größter Unsicherheit. Vor allem vor denen, die diese Sicherheit garantieren sollen!
Um das Vertrauen in diesen Staat zu zerstören, bedarf es nur weniger Fehlbesetzungen in den Spionagejobs und weniger Minuten. Um es wieder aufzubauen, braucht man Legionen und den langen Atem der Geschichte. Diese Republik hat sich eine Reputation aufgebaut, doch nun bröckelt nicht nur die Fassade. Eine Kernsanierung mancher Staatshirne scheint notwendig und die Rückbesinnung auf den Weg der Deutschen in die Freiheit. Denn hier wird die Freiheitshygiene besudelt. Lassen wir uns nicht infizieren!
[1] Mehrfach ausgezeichneter Film über Aktivitäten der Staatssicherheit (Stasi). Der Vorspann „Weg in das“ ist am Satzanfang doppeldeutig. Es könnte sein der „Weg“ oder einfach „weg“, das sich trotz anderer Aussprache merkwürdigerweise genauso schreibt.
[2] Frau von der Leyen hat bekanntlich sieben (in sprachlosen Worten 7) Kinder. Von der leihen würde sich Neschle jetzt auch nichts mehr!
[3] Das ist kein Witz mehr! So behauptete ein Steuerprüfer die Existenz einer Bankverbindung, die der Steuerpflichtige hartnäckig und guten Gewissens leugnete. Das gute Gewissen unterstellte der Prüfer von Amtswegen aber nicht und beharrte darauf, der Steuerpflichtige solle ihm diese Bankverbindung erklären. – Der Prüfer hatte Recht. Bei dieser Bank wurde das Leasingkonto für das Auto der Tochter geführt. Die Leasing-Rechnung hatte aber einen anderen Absender. Das Finanzamt sah da hindurch, der Steuerpflichtige nicht.
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