Pendeln bei der Pendlerpauschale
Große Koalition ganz klein
So! Man ist fertig und geschafft! Die Diäten sind erhöht, die Pendlerpauschale bleibt vorerst, wie sie ist. Der Finanzminister hat gesprochen.
Derweil surft Neschle im Internet und schaut, was in den Abstimmungen im Netz zur jetzigen Regelung gesagt wird, Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erst ab dem 21. Kilometer anzuerkennen. Die Zustimmung liegt unter 5 (fünf!) Prozent! Wäre dies die einzige politische Frage, käme daher kein Großkoalitionär in den Bundestag. Auch nicht die Experten für „soziale Gerechtigkeit“. Da haben nämlich ihre selten gewordenen Wähler einen untrüglichen Gerechtigkeitssinn. Sie erkennen die schlichte Wahrheit: Die entscheidet aber nicht, sondern der fiskalisch zubetonierte Dickschädel von Herrn Steinbrück.
Neschle empfindet derweil einen (pau-)schalen Beigeschmack für das, was er an Diskussion um die Pendlerpauschale erlebt. Das Urteil zur Pendlerpauschale hat seinen Glauben in die Justiz bislang zwar gestärkt. Die Reaktion der Politik weckt allerdings seine Zweifel am rechtsstaatlichen Verständnis deutscher Politiker.
Während die Spritpreise vor allem bei Heizöl und Diesel neue Rekordhöhen erklimmen, denken unsere Politiker laut über die Senkung des pauschalen Fahrkostenabzugs nach, wenn sie schon die gegenwärtige Regelung kippen müssen. Dabei dürfte es mittlerweile auch dem Dümmsten unter ihnen klar sein: Im System des deutschen Steuerrechts gehören die Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu den Werbungskosten.
Die verwegenen Argumente für eine andere Sicht hat Neschle bereits in einem anderen Beitrag demontiert (Neschle 8, Kapitel B). Doch aus dem Steuerrecht ist es sattsam bekannt, dass höchstrichterliche Urteile wenig Respekt genießen. Wenn sie der Finanzpolitik nicht passen, werden sie unmittelbar durch Gesetzesänderungen gekippt. Also wenn die Urteile zugunsten des Steuerpflichtigen ausfallen.
Bei diesem Verhalten der Politiker fragt sich, warum die Diäten der Abgeordneten dann ausgerechnet an den Gehältern der obersten Bundesrichter orientiert werden, da es den Abgeordneten gleichgültig ist, wie diese entscheiden. Jedenfalls im Steuerrecht! Weil deutsche Politiker diese Denke verinnerlicht haben, macht es ihnen offenbar nichts aus, dass
- bei Nicht-Arbeitnehmern sämtliche Fahrtkosten zur Stätte ihrer Arbeit abzugsfähig sind, auch die erhöhten durch die gegenwärtige Spritpreisrallye, wie etwa bei einem Handelsvertreter, der von seiner Wohnung aus seine Kunden anfährt (hoffentlich nicht im wörtlichen Sinne!),
- der ADAC schon vor einiger Zeit in der Golf-Klasse Kilometerpreise von 37 Cent errechnet hat (abzugsfähig derzeit 30 Cent ab dem 21. Kilometer),
- heute Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht nur der Mineralölsteuer und der Umsatzsteuer unterliegen, sondern direkt der Einkommensteuer. Denn die nicht abzugsfähigen Teile sind aus versteuertem Einkommen zu tragen. Bei einer Senkung der Pauschale auf 25 oder gar 20 Cent erhöht das den Einkommensteueranteil und hat mit den realen Verhältnissen an den Tanksäulen nichts mehr zu tun.
- die standortgebundenen Arbeitnehmer von dieser Regelung am stärksten belastet sind. Das sind nun mal Paare mit Kindern, die wegen Partner- und Schulbindung nicht jeden Arbeitsplatzwechsel mit Umzug beantworten. Hier wird selbst der Schutz von Ehe und Familie mit der Steuersense beschnitten!
Die einzige Regelung, die den Prinzipien des deutschen Steuerrechts entspricht, ist die volle Abzugsfähigkeit der Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Eine Nichtabzugsfähigkeit stellt diese Fahrten dagegen einer Urlaubsfahrt gleich. (Jetzt lies doch mal den Neschle 8 dazu! Dann siehst auch Du, wie dumm und faul die Politikerargumente dafür sind! Umweltschutzargumente gelten z.B. für alle(!) Fahrten und Flüge, selbst für die von Abgeordneten. Also müssten auch alle Fahrten und Flüge davon betroffen sein. Sind sie aber nicht! Und dafür haben wir ja schon eine Steuer, die allerdings wenig folgerichtig die Flieger ausnimmt, oder eben nicht, wenn man „ausnimmt“ anders versteht.).
Eine Pauschale ist einzig zur Erleichterung der Steuererhebung gerechtfertigt. Diese Pauschale darf deshalb nicht grob von den realen Verhältnissen abweichen. Das würde derzeit die Erhöhung auf 40 Cent nahelegen, selbstverständlich ab dem ersten Kilometer, aber eben nicht eine Kürzung auf 20 Cent. So weit wollte jedoch selbst Herr Brüderle von der FDP nicht gehen, der die nachträgliche Anwendung der alten Regelung (30 Cent ab dem ersten Kilometer) für 2007 gefordert hat.
Da ist es sicher schön, dass Abgeordnete auch dafür eine steuerfreie Kostenpauschale erhalten. Beruhigend ist: Bei dieser(!) Pauschale wird von den Abgeordneten selbst darauf geachtet, dass sie den realen Verhältnissen angeglichen wird. Hier können wir sicher sein, dass sich die Pauschale parallel zu Kostenerhöhungen erhöht und nicht sinkt, wie bei der Pendlerpauschale beabsichtigt[1]. Herzlichen Glückwunsch dazu!
[1] Neschle schlägt daher vor, dem Vorbild der Pendlerpauschale auch hier zu folgen. Mit jeder Kostenerhöhung sollte die Kostenpauschale der Abgeordneten gekürzt werden. Prinzip ist nun mal Prinzip.
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