Au … Aufschrei 75

Steward(s)*Esses, Bürger*Innenmeister*Innen und die „englische Botschaft“

S(ch)austücke des Genderns und seine Ausmister*Innen

Niemand schreibt in den angelsächsischen Ländern „Steward(s)*Desses“ oder Ähnliches, obwohl „Stewardess“ als eine der wenigen weiblichen Sprachformen in der englischen Sprache überlebt hat. Der Rest ist – anders als in der deutschen Sprache – nach und nach dahingeschieden, zugunsten dessen, was „generisches Maskulinum“ genannt wird. Dahingeschieden durch natürlichen Sprachgebrauch, ohne Anweisung durch ein Wörterbuch. Heute stellen englische Wörterbücher weibliche Formen wie „teacheress“ oder „pupiless“ als überholt, antiquiert oder archaisch dar.

Im neuen Online-Duden ist das umgekehrt. Da feiern weibliche Sprachformen fröhliche Urstände und da wird die geschlechtsneutrale Berufsbezeichnung „Lehrer“ zu einer rein männlichen Bezeichnung umetikettiert, so wie 12.000 andere Personen- und Berufsbezeichnungen. Damit wird das generische Maskulinum faktisch beseitigt. Künftig ist deshalb nicht nur die „weibliche Lehrerin“ ein Pleonasmus, sondern auch der „männliche Lehrer“. Anders als zuvor sind „Lehrer“ fortan nur noch männlich. Das ist Neschle sogar einen zweiten Aufschrei wert (siehe Aufschrei 74).

Das generische Maskulinum, das sich in England über Jahrhunderte von unten her durchgesetzt hat, soll in Deutschland nun per Richtlinienanspruch eines Wörterbuchs von oben her abgeschafft werden. Folglich wird es sie nicht mehr geben: „Lehrer“ als Sammelbezeichnung für alle, die dem Lehrerberuf nachgehen, seien sie männlich, weiblich oder divers. Alle waren hier inkludiert, von welcher sexuellen Identität auch immer, weil sprachlicher Genus und realer Sexus nicht identisch sind.

Die Bezeichnung „generisches Maskulinum“ ist allerdings ein Fluch, denn sie weckt feministische Aversionen. Da hilft nicht einmal, dass alle Berufsbezeichnungen im Plural den weiblichen Artikel „die“ vorgeschaltet haben. „Die“ Lehrer ließe sich so als Ausgleich verstehen für die fehlende weibliche Pluralendung „-innen“. Beim Gendern wird aber am „die“ nicht gerüttelt, Da heißt es weiterhin „DIE Lehrer*Innen. –

Seit Jahrhunderten haben auch wir in Deutschland das geschlechtsneutrale generische Maskulinum benutzt, um gemischtgeschlechtliche Gruppen zusammenzufassen Vielleicht taten wir das wie in England deshalb, weil Männer einst in diesen Gruppen in der Überzahl waren, vielleicht aber auch nur wegen der sprachlichen Kürze. Trotzdem umfassten „Mörder“ als Gruppe immer schon die „Mörderinnen“.

Die Engländer*Innen haben sich, anders als die Deutschen fast bei allen Berufsgruppen für die maskuline Sprachform entschieden und sich von den weiblichen Endungen verabschiedet. Und wenn ich gerade „die Deutschen“ (generisches Maskulinum) schrieb, waren das alle Deutschen: männlich, weiblich oder divers. Werde ich da künftig „Deutsch*Innen“ sagen müssen?

Im Vergleich zu den zarten deutschen Endungen „-in“ und „-innen“ klingen die englischen Endungen „-ess“ und „-esses“ allerdings so, wie das oft der deutschen Sprache zugeschrieben wird: hart und stressig. Vielleicht hat das den Engländerinnen den Verzicht auf die weiblichen Bezeichnungen erleichtert. Es mag aber auch eine Rolle gespielt haben, dass es für „der, die, das“ oder „einer, eine, eines“ ohnehin nur ein einziges „the“ oder „a(n)“ gab und gibt.

Natürlich existierten im Englischen auch die „professoress“ (Professorin) als weibliche Form und die „professoresses“ (Professorinnen) in der Mehrzahl. Das englische Wörterbuch schreibt jedoch über diese „professoress“: „old-fashioned or derogatory – a female professor“. Offenbar gelten die weiblichen Formen dort nicht nur als altmodisch, sondern sogar als abwertend. Kein Wunder also, dass diese Form dort kaum noch jemand verwendet, weder männliche noch weibliche Personen noch Diverse.

Immer wieder hörte ich auch in Deutschland, wie Studentinnen sich selbst „Student“ nennen oder von „Studenten“ sprechen und sich dabei selbst einschließen, und wie Mitarbeiterinnen sich als „Mitarbeiter“ bezeichnen. Auch in der Genderära! Die meisten wählen allerdings die noch lebendige weibliche Form, so wie meine Kolleginnen. Die sind für sich und andere meist „Professorinnen“ und nicht „Professoren“.

Das brachte mich auf den Gedanken, darauf zu achten, welcher Typ von Frau es ist, der sich im englischen Stil „Student“ nennt. Da hatte ich naive Vorurteile: 

1. Es handelt sich um einen eher „männlichen Typ“ von Frau.

2. Dieser Typ ist erst auf der Suche nach Emanzipation und Selbstbewusstsein.

Beide Hypothesen wurden widerlegt:

1. Frauen, die sich „Student“ nannten, waren oft sogar besonders feminin. Meine Vermutung: Sie sehen keinen Grund darin, sich selbst und anderen ständig zu versichern, dass sie weiblich sind. Sie wissen es und alle anderen können es sehen. Und vielleicht waren sie zusätzlich angelsächsisch „kontaminiert“.

2. Diese Frauen sind nicht auf der Suche nach Selbstbewusstsein. Im Gegenteil: Gerade sie haben hohes Selbstbewusstsein. Es mag daher sein, dass sich englische Frauen eher emanzipiert haben als deutsche und deshalb weniger Vorbehalte haben, sich als „teacher“ „pupil“ oder „professor“ zu bezeichnen, also das generische Maskulinum zu verwenden. Dazu passt, dass es bei der weiblichen Sprachform im Englischen eine Ausnahme gibt: Indien. Da kommt z.B. die „teacheress“ noch häufig vor. Aber geradein Indien ist es mit der weiblichen Emanzipation noch nicht so weit her.

Hierzulande geht die sprachliche Emanzipation durch Gendern den gegenteiligen Weg. Überall, wo es möglich scheint, wird die weibliche Sprachform eingeflochten. Die Endungen „-in“ und „-innen“ sind bei Genderaktivist*Innen obligatorisch. Im Unterschied zum Englischen werden weibliche Sprachformen nicht nur erhalten, sondern beinahe zelebriert als zentrales Sprachelement der Gleichberechtigung.

Absurderweise wird das Gendern also dadurch unterstützt, dass in der deutschen Sprache im Unterschied zum Englischen die weibliche Sprachform erhalten blieb. Die deutsche Sprache ist heute viel weiblicher als die englische. Das erst macht Gendern möglich, lässt es modern erscheinen, nicht antiquiert und überholt wie in England.

Ist das Englische aber nun durch das Fehlen der „teacheress“ und anderer weiblicher Sprachformen weniger emanzipatorisch als das Deutsche? Das sehen nicht einmal Genderaktivist*Innen so. Aber die Frauen in England tun doch das Gegenteil: Sie verzichten auf die weibliche Sprachform und heben sie nicht hervor.

Der Verzicht auf die weibliche Sprachform könnte auch im Deutschen das Gendern überflüssig machen. Wie in England gäbe es dann männliche, weibliche „Lehrer“, inkludiert solche mit diverser sexueller Identität. Dies würde dazu führen, dass die sprachliche Asymmetrie aufgehoben würde, welche die Existenz einer weiblichen Sprachform neben dem generischen Maskulinum erzeugt. Denn während „weibliche Lehrerin“ ein Pleonasmus ist wie ein „weißer Schimmel“, war das bei einem „männlichen Lehrer“ bislang nicht der Fall. Denn die Bezeichnung „Lehrer“ umfasst im generischen Maskulinum alle geschlechtlichen Identitäten. 

Diese jahrhundertealte Sprachübung will der Duden nun kraft seiner angemaßten Deutungshoheit außer Kraft setzen. Fortan soll ein “Lehrer“, anders als ein „teacher“, nur noch ein männlicher Vertreter dieses Berufsstandes sein. Auf den ersten Blick scheint das sogar klarer und einfacher, schafft aber Zusatzprobleme bei der Zusammenfassung von Gruppen. Will man Menschen anderer sexueller Identität einschließen, landet man damit unweigerlich beim Gendern mit Stern(!).

Eine geschlechtsneutrale Bezeichnung eines Berufsstandes gibt es in der bipolaren Sprachwelt nicht mehr. Durch Leugnung eines geschlechtsneutralen Sammelbegriffs ist eine bipolare Sprachstörung entstanden. Menschen mit alternativen sexuellen Orientierungen werden in der bipolaren Welt „Frau – Mann“ nicht mehr inkludiert. Erst der Stern (oder was auch immer) und eine Sprechpause soll diese aus der sprachlichen Verbannung zurückholen, in die sie durch die Beseitigung des generischen Maskulinums geschickt wurden. 

Weder das mit dem Stern veredelte Sprachloch noch die Sprechpause als Moment der Sprachlosigkeit (über die besondere geschlechtliche Identität?!) scheinen eine respektvolle Art zu sein, mit alternativen sexuellen Identitäten umzugehen. Das steht in krassem Gegensatz zu dem Trara, das vor allem linke Genderaktivist*Innen um diesen Personenkreis machen. Erst werden die „Diversen“ durch die bipolare Spaltung in Frau und Mann ignoriert und exkludiert, dann sollen sie mit dem Gendersternchen und kurzer Sprachlosigkeit wieder aufgenommen werden, begleitet vom Tamtam moralinhaltiger Gleichheits-Propaganda. Dabei waren Diverse im Begriff „Lehrer“ immer schon enthalten, freilich nicht mit der jetzigen Aufmerksamkeit. Aber dafür hätte sich allein das reale Sozialverständnis ändern müssen. Das genügt, um den Begriff „Lehrer“ nach Extension und Intension neu zu verstehen. So ist das mit allen Begriffen, weil sich die Zeiten ändern und wir uns in ihnen. Daher schließt etwa der Begriff „Geld“ heute eine Vielzahl an Bezahlmöglichkeiten ein, an die vor ein paar Jahren noch niemand gedacht hätte.

Was aber spricht dann noch für Gendern (natürlich nur mit Sternchen!), wenn man dasselbe Ergebnis hätte, würde man der Übung folgen, die sich in der englischen Sprache durchgesetzt hat? Gibt es Vorteile außer der nachhaltigen Gehirnwäsche, dass es Menschen mit unterschiedlichen geschlechtlichen Identitäten gibt? Ein Beispiel für  das gendertypische Stakkato:

„Beim Treffen der Innenminister*Innen und der Außenminister*Innen waren auch die Kanzler*Innen und Präsident*Innen anwesend. Es wurde beschlossen, den Frauenanteil unter den Minister*Innen zu erhöhen.“

Durch permanente Wiederholung der Multi-Sexualität wird das Selbstverständliche zum Wesentlichen, das gebetsmühlenartig repetiert wird und wichtige Sprachbotschaften in den Hintergrund drängt. Und hätte früher jemand gehört, divers/frau/man wolle den Frauenanteil unter den „Ministerinnen“ erhöhen, hätte man/frau/divers gesagt, dass es mehr als 100 Prozent gar nicht gibt. Daher muss frau/man/divers die gendertypische Sprechpause schon sehr sicher setzen und hören können. Denn es könnte ja einmal nur von „Ministerinnen“ die Rede sein.

Doch da entsteht ein weiteres Problem. Sind diese Ministerinnen alle weiblich oder umfasst der Begriff „Ministerin“ auch alle, die sich so nennen. In der bipolaren Welt sind Intersexuelle oder sonstige Diverse eigentlich ausgeschlossen. Und laut Duden ist ihnen der Begriff „Lehrer“ ebenfalls verwehrt. Um den zu verwenden oder sich so nennen zu lassen, reicht es künftig nicht einmal aus, sich männlich zu fühlen. Sie müssen es auch wirklich sein in dieser schönen neuen bipolaren Sprachwelt!

Ob Gendern ein Vorteil ist, kann daher ernstlich bezweifelt werden. Denn wer in einem gegenderten Text dutzende Male daran erinnert wird, dass es Menschen mit verschiedenen sexuellen Orientierungen gibt, darf sich mit Recht fragen, ob der/die/das(?) Verfasser*In meint, seine/ihre Leser*Innen hätten das auch beim x-ten Mal noch nicht verstanden. Und die ständigen Sprachpausen für die Sternchen muten beim Hören an, als seien die Sprecher*Innen von einer Autobahn immer mal wieder auf Kopfsteinpflaster geraten. Dauernd stoppt und holpert es:

Besonders komplex wird es bei Menschen wie „Bürgermeistern“, wenn Genderaktivist*Innen meinen, Leser*Innen oder Zuhörer*Innen“ unbedingt und immer wieder die aufregende Neuheit(!?) mitteilen zu müssen, dass weder die Bürger noch die Meister immer männlich sein müssen. Das führt zu „Bürger*Innenmeister*Innen“. Oder um „Innenmeister“ zu vermeiden zu einer weiteren Sprechpause „Bürger*Innen-Meister*Innen“: also zu drei Sprechpausen in einem einzelnen Wort. Dabei ließe sich jede dieser Sprechpausen vermeiden, würde man dem englischen Beispiel folgen, die weiblichen Formen abschaffen und „Bürgermeister“ als geschlechtsneutrale Form akzeptieren, sowohl für die „Bürger*Innen“ als auch für die „Meister*Innen“.

Aber wer kann da (noch) etwas tun? Männer können es kaum. Schon wenn sie es anregen, so wie ich mit diesem Text, setzen sie sich dem Verdacht aus, sie wollten eine maskuline Sprachherrschaft aufrechterhalten. Und auch wenn das generische Maskulinum zwei entscheidende Vorteile hat: Es ist kürzer und hat eine lange Sprachtradition. Es hat einen wichtigen Nachteil: Es ist identisch mit der männlichen Bezeichnung und es zeigt sich, dass es für viele unverständige Menschen „männlich“ konnotiert ist. Es wird also nicht von allen Menschen als das verstanden, was es sprachlich ist: geschlechtsneutrales Genus und eben nicht Sexus. Genau diese Unverständigen werden zu Grund und Maßstab des Genderns gemacht. Und dieses Unverständnis wird als so nachhaltig angesehen, dass man es ständig mit repetierten Geschlechtsbotschaften beschießen muss.

Doch würden sich immer mehr Frauen dazu entschließen, dem englischen Beispiel zu folgen und sich fortan als „Lehrer“, „Schüler“, „Professor“, Spieler“, „Fußballer“, „Mörder“  bezeichnen und würde die Presse es ihnen gleichtun, wäre dieses Problem rasch gelöst. Es würde Platz, Mühe, Zeit sparen und permanente sexualisierte Aufmerksamkeit erübrigen, welche die Genderaktivist*innen von uns verlangen und für die nun der neue Online-Duden seine Unterstützung anbietet.

Denn der neue Online-Duden ignoriert nicht nur die „englische Botschaft“, er torpediert auch die „englische Lösung“, indem er sich auf den „Lehrer“ als „männliche Person“ festlegt. Damit schließt er zusammen mit der „Lehrerin“ als „weibliche Person“ alle Menschen mit anderer geschlechtlicher Identität aus, die sich bislang als „Lehrer“ oder „Lehrerin“ bezeichnet haben. Man löscht das generische Maskulinum aus, weil es unverständige Menschen falsch verstehen, statt darüber aufzuklären, dass diese Sprachform ein Vehikel von Emanzipation und Inklusion aller geschlechtlichen Identitäten ist, wie uns das englische Vorbild zeigt. Und in England klappt das ja! Oder?

Ich würde mir daher wünschen, dass mehr und mehr Frauen zu der Einsicht kommen, sich als „Lehrer“, Schüler“, „Student“, „Richter“, „Kanzler“ zu bezeichnen und die Presse dem folgt. Schließlich sagt der Satz „Angela Merkel ist die beste Kanzlerin, die wir je hatten“ viel weniger als „Angela Merkel ist der beste Kanzler, den wir je hatten“. Gegendert würde der zweite Satz lauten: „Angela Merkel ist die beste Kanzler*In, die wir je hatten“!? Aber ist das wirklich emanzipatorischer, als wenn sie „der beste Kanzler“ war? Wohl kaum!

Die Richtung, die der Duden nun eingeschlagen hat, ist daher ein Sprachunglück. Der Duden hat damit zudem den einfachen Weg verbaut, den uns die englische Sprache vorgibt. Wer in aller Welt soll oder kann die deutsche Sprache künftig noch lernen wollen, wenn sie dereinst durchgegendert ist und uns täglich hunderte Male vor Augen führt, dass Menschen unterschiedliche geschlechtliche Identitäten haben können. Schlimmer noch: Menschen, die das Gendern (noch) nicht perfekt beherrschen, setzen sich dem Verdacht geschlechtlicher Diskriminierung aus und werden von selbstgerechten Genderaktivist*Innen ins moralische Abseits gestellt. 

Wer dem aus dem Wege gehen will, kann sich der englischen Vokabeln bedienen. Dort ist das generische Maskulinum sprachnormal. Obwohl ich ansonsten die Anglifizierung unserer Sprache meide, würde ich dies dem Gendern vorziehen: Statt „Schüler*Innen und Lehrer*Innen sind in den Klassen“ würde ich fortan lieber schreiben „Pupils und Teachers sind in den Klassen“. 

So verwende ich das generische Maskulinum, ohne mich dem Vorwurf sexueller Diskriminierung auszusetzen. Ich frage mich nur: Warum soll dasselbe generische Maskulinum für die sexuelle Emanzipation etwas anderes bedeuten, nur weil es englisch benannt ist, nur weil es dort die weiblichen Sprachformen (fast) nicht mehr gibt? 

Für jeden, der unsere Sprache liebt, ist Gendern daher grob fahrlässiger Sprachmissbrauch durch moralisierende Besserwisser*Innen, aber Schlechtermacher*Innen. Gendern ist überflüssiger Sprachmist. Er gehört nachhaltig ausgemistet. Diese Arbeit müssen vor allem Frauen tun, allen voran die Lehrer und Professoren unter ihnen. Und das in Deutschland, Österreich, der Deutschschweiz und in Südtirol.

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